EEAG Report 2017: Populismus und Wirtschaftspolitik

Wie stehen Wirtschaftspolitik und Populismus im Zusammenhang? Das war die Frage, die eine Veranstaltung, welche die KOF zusammen mit der European Economic Advisory Group (EEAG) und dem Swiss Re Institute am 16. März im in Rüschlikon ins Zentrum stellte.

Harold James und Jan-Egbert Sturm, beides Mitglieder der externe SeiteEEAG, eruierten im Gespräch mit Martin Meyer (Schweizerisches Institut für Auslandsforschung externe SeiteSIAF) und nach einer Einführung durch Stefan Schreckenberg (Swiss Re), was aus wirtschaftspolitischer Warte gegen Populismus getan werden kann.

Makroökonomisches Umfeld

Zuerst jedoch ordnete Jan-Egbert Sturm den Populismus in die derzeitige makroökonomische Landschaft ein. Der Euroraum ist seit geraumer Zeit in einer Erholungsphase, ebenso die meisten Industrieregionen. Die Arbeitslosigkeit ist am Sinken, in den USA und in Grossbritannien sogar überraschend schnell seit 2011. Hingegen haben die Entwicklungsländer grössere Probleme derzeit. Sie reagieren heftiger auf den relativ schwachen Welthandel. Unabhängig von der relativ robusten Konjunkturentwicklung ist jedoch die ökonomische Unsicherheit, gemessen an der Anzahl Zeitungsnennungen einer gewissen Wortkombination, in der jüngeren Vergangenheit stark gestiegen. Das heisst aber auch, dass es eine Entkoppelung von wirtschaftlicher Lage und gefühlter politischer Situation zu geben scheint. In diese Diskrepanz scheint der Populismus stossen zu können.

Die Aussichten für die Weltwirtschaft sind relativ stabil, die Ökonomen der EEAG erwarten für dieses Jahr eine ähnliche konjunkturelle Entwicklung wie in den letzten Jahren, d.h. aber auch kein sehr starkes Wachstum. Indikatoren wie der «Ifo World Economic Climate» Index deuten auf eine positive Entwicklung hin. Regional betrachtet, sollten Europa und die USA positive Wachstumsbeiträge liefern, noch wichtiger ist der asiatische Raum für das Weltwirtschaftswachstum in diesem Jahr. Trotz positiven Aussichten für Europa sind die Diskrepanzen relativ gross. Es gibt eigentliche Boomländer wie Irland und Spanien, während gleichzeitig Italien und Frankreich klar unterdurchschnittlich wachsen.

Auch bei den Preisen lässt sich langsam eine Aufwärtsbewegung betrachten, allerdings ist diese stark vom Ölpreis beeinflusst. Die Zentralbanken sind weiterhin daran mit ihrer expansiven Geldpolitik den Aufschwung zu unterstützen, wie sich an ihren Bilanzen ablesen lässt, die praktisch in allen grösseren Industriestaaten – mit Ausnahme der USA – verlängert wurden.

Populismus und Brexit

Harold James veranschaulichte in seinem Vortrag den Zusammenhang zwischen Populismus und der Entscheidung der britischen Stimmbürger aus der EU auszutreten. Dabei zeigt sich, dass das die Immigration aus der EU, die in Grossbritannien stark kritisiert wurde, an sich gar keine grosse Rolle spielt, verglichen mit anderen Herkunftsregionen. Was sich aber aus einem Papier von Italo Colantone and Piero Stanig herauslesen lässt: Es gab eine hohe Korrelation von Regionen, die von sogenannten Import-Schocks betroffen waren und von Befürwortern des Brexit, unabhängig ob die Wählenden direkt in einer der betroffenen Branchen tätig waren. Beim Brexit spielte zudem eine Rolle, dass es ein klares Experten-Volk-Vertrauensproblem gibt, das sich daran zeigte, dass den Aussagen von Experten kein Vertrauen mehr geschenkt wird, sondern Befürworter des Brexit eher «Common Sense» Personen vertrauen als beispielsweise Akademikern und anderen Experten. Diese Vertrauensproblem ist auch ein Nährboden für populistische Lösungen, die in der kurzen Frist durchaus positive wirken können und erst längerfristig schaden.

In der Diskussionsrunde wurde nach den Rezepten gegen Populismus gefragt. Harold James und Jan-Egbert Sturm erwähnten dabei die Massnahmen, welche die EEAG in ihrem Bericht veröffentlicht hat  (vgl. externe SeiteÖkonomenstimme 2017 und externe SeiteEEAG Report 2017):

  1. Politik: Es ist wichtig, dass demokratische, politische Prozesse Raum für Meinungsverschiedenheiten zwischen unterschiedlichen Menschen, Gruppen und politischen Parteien in der Gesellschaft lassen. Zugleich werden Kompromissmechanismen, die auf glaubwürdigen, transparenten Informationen basieren, und ein gut verständlicher, faktenbasierter Diskurs gebraucht. Uneinigkeit und Diskurs sind wertvoll. Zu viel Konsens kann nach hinten losgehen.
  2.  Politische Entscheidungsprozesse: Regierungen sollten Referenden nicht als Instrument im politischen Machtkampf einsetzen. Referenden sollten eine Möglichkeit für politische Initiativen bieten, die von der Bevölkerung kommen und ihre Rolle sollte klar in der Verfassung definiert sein. Einer der Nachteile von Referenden ist, dass sie üblicherweise isolierte Entscheidungsfindungen zu einzelnen Fragestellungen darstellen anstatt eines Vergleichs umfassender Politikprogramme.
  3. Wirtschaftspolitik: Wirtschaftspolitik sollte anerkennen, dass politische Entscheidungen und wirtschaftliche Entwicklungen Gewinner und Verlierer erzeugen; und dass die Verlierer ein Widerspruchsrecht haben. In den meisten Fällen sind die Verlierer jedoch schwer zu identifizieren und ihr Verlust schwer zu messen. Diejenigen, die der Auffassung sind, dass sie zu den Verlieren gehören, sollten bei politischen Entscheidungen welche die Gesamtwohlfahrt erhöhen kein Vetorecht haben. Sozialstaaten bieten den Gruppen der Gesellschaft Schutz, die negativ von wirtschaftlichen Entwicklungen betroffen sind.
  4. Delegation: Die Übertragung klar definierter Aufgaben an unabhängige Institutionen wie Zentralbanken oder supranationale Institutionen wie die EU, kann den Populismus zügeln und erlaubt eine produktive Verwendung von Expertenwissen und -urteilen. Die EU kann als langfristige Verpflichtung zur Einhaltung fundamentaler Prinzipien wie der Demokratie, der Offenheit und der Gesetzeshoheit betrachtet werden, die von ihren Mitgliedsstaaten eingegangen wird. Etablierte politische Kräfte sollten aufhören, die EU als Sündenbock für ihre internen wirtschaftlichen und politischen Probleme zu gebrauchen. Was die EU-Politik angeht, sie sollte transparent bleiben und sich strikt an das Subsidiaritätsprinzip halten. EU-Institutionen einschließlich der EZB sollten ausschließlich innerhalb ihres Mandats agieren und die Europäische Kommission sollte sich primär als Hüter der Europäischen Verträge verstehen. Mit der Wandlung der Kommission zu einer politischeren Institution ist dies nicht vereinbar.
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