Vom Nachkriegsboom zum Jobwunder – der starke Rückgang der Arbeitszeit in der Schweiz seit 1950

Fünftagewoche, mehr Ferien und mehr Teilzeitarbeit haben die Arbeitszeit in der Schweiz wesentlich reduziert. Dies zeigt eine neue Studie von Michael Siegenthaler, die in Social Change in Switzerland erschienen ist. Eine durchschnittlich erwerbstätige Person in der Schweiz arbeitet nicht mehr als in anderen Industrieländern. Hingegen scheint das schweizerische Produktivitätswachstum in der Vergangenheit höher gewesen zu sein als frühere Studien angenommen hatten.

Arbeitszeit

Während 1950 eine erwerbstägige Person im Durchschnitt rund 2400 Stunden pro Jahr arbeitete, waren es 2015 nur noch knapp 1500 Stunden. Auf der Basis von bislang unverwendeten Datenquellen hat MIchael Siegenthaler von der KOF die durchschnittliche Arbeitszeit in den verschiedenen Branchen der Schweizer Wirtschaft seit 1950 berechnet. Diese Daten zeigen, dass es damals in der Landwirtschaft, auf dem Bau und in der Hotellerie sowie Gastronomie nicht unüblich war, mehr als 50 Stunden pro Woche zu arbeiten. Seither hat die wöchentliche und jährliche Arbeitszeit drastisch abgenommen. Mehr Feiertage, mehr Ferien und eine Zunahme der Teilzeitarbeit sind Gründe für diese Abnahme, wie Siegenthaler in seiner Studie «externe SeiteVom Nachkriegsboom zum Jobwunder – der starke Rückgang der Arbeitszeit in der Schweiz seit 1950» feststellt.

Die in der neunten Ausgabe von Social Change in Switzerland präsentierte Forschungsarbeit wirft auch einen Blick auf den internationalen Vergleich. Es zeigt sich, dass Österreich und die USA aktuell höhere Jahresarbeitszeiten aufweisen als die Schweiz, während in den 1950er Jahren die Zahl der pro erwerbstätige Person geleisteten Arbeitsstunden in der Schweiz einiges höher war als in diesen Ländern. Noch überraschender ist jedoch, dass die Abnahme der Arbeitszeit in der Schweiz einen ähnlichen Verlauf aufweist wie in Frankreich und Deutschland. Im Vergleich zu der bei uns üblichen 42‐Stunden‐Woche arbeiten unsere französischen Nachbarn in einer Vollzeitstelle nur 35 Stunden. Dieser Unterschied wird aber dadurch kompensiert, dass in der Schweiz 60 Prozent der Frauen in Teilzeit arbeiten, was wiederum in Frankreich weit weniger verbreitet ist.

Schliesslich widerlegt der Artikel frühere Ergebnisse, wonach die Schweiz seit den 1980er Jahren im internationalen Vergleich ein Produktivitätsdefizit aufweise. Gemäss der Studie hat die Verwendung inkonsistenter Zeitreihen zu einer Überschätzung des Arbeitsvolumens und als Folge davon zu einer Unterschätzung des Produktivitätswachstums geführt. Letzteres ist gemäss diesen neuen Erkenntnissen ziemlich stabil geblieben, womit die Schweiz den grossen Industrienationen in nichts nachsteht.

Zur Studie

Die Studie von Michael Siegenthaler (2017) «Vom Nachkriegsboom zum Jobwunder – der starke Rückgang der Arbeitszeit in der Schweiz seit 1950» ist externe SeiteSocial Change in Switzerland No 9 erschienen.

Die Reihe «Social Change in Switzerland» wird gemeinsam herausgegeben vom Schweizer Kompetenzzentrum Sozialwissenschaften externe SeiteFORS, vom Zentrum für die Erforschung von Lebensläufen und Ungleichheiten der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Lausanne externe SeiteLINES, sowie vom Nationalen Forschungsschwerpunkt externe SeiteLIVES – Überwindung der Verletzbarkeit im Verlauf des Lebens (NFS LIVES). 

Kontakt

Dr. Michael Siegenthaler
Dozent am Departement Management, Technologie und Ökonomie
  • LEE G 301
  • +41 44 633 93 67
  • vCard Download

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

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