EEAG-Report 2019: Führen alle Wege nach Peking?

Das fragmentierte Europa auf der einen, das aufsteigende China auf der anderen Seite: Welche Probleme bringt diese Konstellation mit sich? Und wie könnte es weitergehen? Darüber diskutierten am 20. März in Rüschlikon führende Ökonomen.

Diskussion EEAG-Event
Die Teilnehmer der Veranstaltung (v.l.n.r.): Chuan Lim (Swiss Re Asset Management), Jan-Egbert Sturm (KOF), Linda Yueh (Oxford University, London Business School), Harold James (Princeton University), Richard Francis (Swiss Re Institute). Bild: Natascha Gutknecht

Das aktuelle Umfeld hätte nicht besser zum Thema der Veranstaltung passen können: Während in Rüschlikon über das Verhältnis zwischen Europa und China debattiert wurde, war der chinesische Präsident Xi Jinping gerade auf dem Weg nach Rom. Dort wollte er sich mit Regierungsvertretern Italiens treffen, um eine Beteiligung an der „One Belt One Road“-Initiative zu vereinbaren – ein von Jinping initiiertes, riesiges Infrastrukturprojekt entlang der „Neuen Seidenstrasse“ zwischen China und Europa.

Durchgeführt wurde die Veranstaltung vom Swiss Re Institute, der European Econonomic Advisory Group (EEAG) und der KOF. Die Debatten machten klar, wie komplex das Verhältnis zwischen Europa und China ist. Denn einerseits profitieren viele europäische Länder in grossem Masse vom Handel mit China, wie Harold James, EEAG-Vizepräsident und Professor an der Princeton University, ausführte. Andere Länder wiederum würden stark unter der Konkurrenz durch chinesische Produkte leiden. In Italien etwa spielt die Textilproduktion immer noch eine verhältnismässig wichtige Rolle, in Deutschland ist das Maschinengewerbe ein bedeutender Industriezweig. In einem externe SeiteKapitel des EEAG-Reports wird beschrieben, welche Folgen diese Ausrichtungen haben: Ermöglicht die Globalisierung Deutschland, mehr Maschinen nach China zu verkaufen und Kleidung eher aus Vietnam als aus Italien zu beziehen, profitiert der durchschnittliche Deutsche davon deutlich mehr als der durchschnittliche Italiener.

Es sei deshalb kein Zufall, sagte James, dass gerade jene Länder begeistert auf chinesische Investments reagieren, die unter der europäischen Schuldenkrise am meisten litten – etwa Portugal, Griechenland oder eben Italien. Nationale Alleingänge bewertet James allerdings kritisch: Die verheerenden Folgen der Grossen Depression Anfang des 20. Jahrhunderts hätten gezeigt, wohin dies führen könne. Auch der Strategie der „National Champions“, die in Deutschland gerade diskutiert wird – also das Abwehren von ausländischer Konkurrenz mithilfe von grossen, nationalen Konzernen – kann James nicht viel abgewinnen. Wichtiger sei es, Investitionen in die Forschung und Entwicklung generell zu erhöhen und dafür entsprechende Budgets bereitzustellen. 

Was passiert, wenn China reich wird?

Der Vortrag von KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm zeigte, vor welch fragilem wirtschaftlichen Hintergrund diese Diskussionen stattfinden. Der Global Economic Policy Uncertainty Index befinde sich aktuell auf dem höchsten Stand seit mindestens zehn Jahren. Auf den ersten Blick sei der Einfluss auf die Wirtschaftszahlen noch nicht besonders gross, eine tiefere Analyse zeige allerdings ein anderes Bild. So habe das Wachstum der Industrieproduktion in den letzten Monaten abgenommen, worauf meistens auch ein Rückgang beim Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) folge. Der Trend hin zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums sei rund um die Welt zu beobachten: im Euroraum, in Grossbritannien, in den USA, in Japan sowie in China.

Economic Growth by Region

Trotz der sinkenden Wachstumszahlen: Die Bedeutung Chinas für die Weltwirtschaft nimmt weiterhin zu, wie Linda Yueh von der London Business School und der Oxford University aufzeigte. Es werde die USA dereinst als grösste Volkswirtschaft überholen, so Yueh. Und beim durchschnittlichen Einkommen setze sich China immer mehr von den anderen Schwellenländern ab. „Was passiert, wenn China ein Hochlohnland wird – mit einer Billion Einwohnern?“, fragte Yueh. Eine Antwort auf diese Frage sei nicht leicht zu finden. Aber selbst wenn es nicht so weit komme, werde China die Weltwirtschaft verändern. Es versuche, trotz der schwierigen Wirtschafslage zu wachsen und innovativ zu sein.

Immer wieder fällt in diesem Zusammenhang das Stichwort Huawei: Dem chinesischen Technologiekonzern wird von den USA Spionage vorgeworfen. Und er nimmt beim Aufbau des 5G-Netzes eine führende Rolle ein. Tatsächlich seien die technologischen Innovationen, die aus China kommen, teilweise beeindruckend, sagt Yueh. Offen sei aber, ob die politischen Institutionen in China künftig das richtige Umfeld für eine innovative Wirtschaft böten.
 

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