KOF Prognosetagung: Ungleichheit im Arbeitsmarkt, Mythos oder Realität?

Wie beeinflusst der Konjunkturverlauf die Einkommensverteilung? Weshalb sind Frauen nach wie vor schlechter in den Arbeitsmarkt integriert als Männer? Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die Berufschancen von Geringqualifizierten? An der KOF Prognosetagung vom 2. Oktober 2019 wurde diskutiert, wie gleich oder eben ungleich die Chancen im Schweizer Arbeitsmarkt verteilt sind.

Podiumsdiskussion
Debattierten auf dem Podium: Moderator Reto Lipp, Jan-Egbert Sturm (KOF), Monika Bütler (Universität St. Gallen), Ben Jann (Universität Bern) und Josef Maushart (Fraisa Gruppe; v.l.n.r.).

KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm eröffnete den Anlass, indem er die Einkommensverteilung im Konjunkturverlauf betrachtete. Auf das wichtigste Mass zur Messung der Einkommensungleichheit – den Gini-Koeffizienten – scheine die Konjunktur wenig Einfluss zu haben, stellte Sturm fest. Doch das Bild ändere sich, wenn die Arbeits- und Kapitaleinkommen gesondert betrachtet würden. So habe sich der Anteil des Faktors Arbeit am Gesamteinkommen während der letzten Rezessionsphasen deutlich vergrössert. Ausserdem litten nicht alle Angestellten im gleichen Ausmass unter Krisenzeiten: Temporäre und in der Industrie Beschäftigte bekommen konjunkturelle Schwankungen stärker zu spüren (weitere Informationen).

Ben Jann von der Universität Bern legte den Fokus auf die Geschlechtsunterschiede im Schweizer Arbeitsmarkt. Die öffentliche Diskussion konzentriere sich stark auf die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede, so Jann. Das greife jedoch zu kurz: Auch soziale Normen, stereotype Rollenvorstellungen oder genderspezifische Sozialisation spielten eine wichtige Rolle. Jann präsentierte etwa die Resultate einer aktuellen Forschungsarbeit: Sie zeigen, dass sich die Wahrnehmung des «gerechten» Einkommens für Frauen und Männer substanziell unterscheidet – weil verheirateten Männern in Antizipation ihrer Ernährerrolle eine «Heiratsprämie» zugestanden wird (weitere Informationen).

«Es braucht Fortschritte in der Erwachsenenbildung»

Im Zentrum des Referats von Monika Bütler von der Universität St. Gallen stand die Ungleichheit im Alter. Bütler beleuchtete insbesondere die Rolle der Sozialversicherungen und kam zum Schluss: Diese stellen in der Schweiz ein wichtiges Korrektiv dar, weil sie gegen Armut absichern. Doch es gibt eine wirklich armutsgefährdete Gruppe: die Alleinstehenden – sowohl Frauen als auch Männer.

Mit dem Firmenchef Josef Maushart nahm auch ein Vertreter der Wirtschaft an der Tagung teil. Er zeigte auf, wie die Digitalisierung seinem Industrieunternehmen einerseits ermöglicht, dank Kostenersparnissen wieder stärker in die Schweizer Produktionskapazitäten zu investieren. Andererseits bringe aber die immer komplexer werdende Technologie den ungelernten Industriearbeiter an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Deshalb hat Mausharts Firma, die Fraisa Gruppe, 22 ihrer 40 ungelernten Angestellten eine Nachholbildung absolvieren lassen. Damit andere Firmen diesem Beispiel folgen, brauche es Fortschritte in der Erwachsenenbildung, stellte Maushart fest (weitere Informationen).

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