KOF Prognosetagung: «Grosse Krisen setzen etwas in Bewegung»

Stellt die Coronakrise die Klimadebatte in den Schatten oder spielt sie ihr in die Karten? An der KOF Prognosetagung vom 22. Oktober diskutierten Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft in einem Webinar, wie sich fehlende Gewinne auf grüne Investitionen auswirken und welche Bedeutung die Schweizer Klimapolitik international betrachtet überhaupt hat.

Prognosetagung 2020

Sowohl die Corona- als auch die Klima-Krise haben das Potenzial, sich zur Katastrophe zu entwickeln. Trotzdem werden sie ökonomisch und politisch unterschiedlich behandelt. «Derzeit kämpfen viele um ihre Existenz. Wie man mit dem Klima umgeht, kommt für sie an zweiter Stelle», sagte Jan-Egbert Sturm, Direktor der KOF, in seinem Einstiegsreferat. Seit dem Ausbruch des Virus verzeichnet die Schweiz einen Wertschöpfungsverlust von 40 Milliarden Schweizer Franken. Sollte ein zweiter Lockdown folgen, könnten weitere 30 Milliarden dazukommen, so Sturm. Die Folgen dürften nachhaltig sein: «Grosse Krisen setzen etwas in Bewegung, sodass es schwierig ist, auf den alten Wachstumspfad zurückzukehren.» Der private Konsum erreichte nach dem Lockdown zwar wieder das Vorkrisenniveau, Bau- und Ausrüstungsinvestitionen hingegen brauchen länger. «Wie jede Form von Strukturwandel geht auch umweltfreundliches Wirtschaften nicht ohne Investitionen.» Und die Corona-Krise mache es den Unternehmen nicht leicht, Investitionen in die Zukunft zu tätigen.

Dies bestätigte Thomas Klühr, CEO Swiss International Air Lines Ltd. Der Einsatz von treibstoffeffizienten Flugzeugen sei zentral für die Reduktion des CO2-Ausstosses. «Das geht nur, wenn wir zur Profitabilität zurückkehren, die wir vor COVID19 hatten», sagte Klühr. Im April musste die Swiss ihren Flugplan um 97 Prozent reduzieren, für die nächsten Monate rechnet Klühr mit einer Auslastung von maximal 25 Prozent. «Die Welt ist zu für uns, wir können unserem Geschäft nicht nachkommen.» Buchungen brechen ein, sobald neue Quarantäneverordnungen oder Risikogebiete bestimmt werden. «Die aktuelle Entwicklung ist flugplanerisch ein Albtraum.»

Positiver klang es bei Marianne Janik, CEO von Microsoft Schweiz. «Corona hat uns gelehrt, wie wichtig es ist, datenbasiert zu arbeiten», sagte sie. Der einzelne Bürger könne mit Daten und Szenarien umgehen, was für die Klimakrise von Nutzen sein könnte. So stellt Microsoft künftig seinen Partnern Tools zur Verfügung, um datenbasiert bessere Entscheide treffen zu können. Zudem will das Technologieunternehmen bis 2030 klimanegativ werden.

Firmen unterschätzen die Wünsche ihrer Stakeholder

Bastien Girod, Business Development Direktor bei South Pole und Grünen-Nationalrat, appellierte an Unternehmen, es Microsoft gleich zu tun. «Firmen sollten alle Stakeholder betrachten, nicht nur die Shareholder.» In jeder Anspruchsgruppe gäbe es Akteure, die verlangten, dass Unternehmen ihre Emissionen auf Null senken. «Und das wird von den Unternehmen oft unterschätzt.»

Bei Swiss Re scheint in dieser Hinsicht schon etwas in Bewegung gekommen zu sein. Der Rückversicherer will bis 2050 ein vollständig klimaneutrales Anlageportfolio. Mit Kapitalanlagen von rund 130 Milliarden Schweizer Franken haben seine Anlageentscheide durchaus Gewicht. «Die Klimakrise ist ein sich langsam entwickelndes Risiko. Solche Risiken werden oft von akuteren überdeckt, wie etwa COVID19», sagte Nora Ernst, Senior Sustainability Risk Manager bei Swiss Re. So sei in diesem Jahr der Resilienzindex  dieser beschreibt die Fähigkeit einer Volkswirtschaft, sich von einem Schockereignis zu erholen – weltweit um fast 20 Prozent gesunken, weil die finanziellen Puffer in verschiedenen Märkten geschrumpft seien. «Wir haben wahrscheinlich alle das Ausmass der Krise unterschätzt und wie tiefgreifend die Massnahmen sind», so Ernst. Trotzdem hält ihre Firma am Plan Netto-Null-Emissionen fest. «Transformationen sind in gewissen Märkten schmerzhaft und führen zu vielen Diskussionen mit unseren Kunden. Das zeigt aber, dass wir nicht nur Greenwashing betreiben.»

Alleingänge gefährden internationale Lösungen

Die Referentinnen und Referenten waren sich einig, dass die Schweiz ein Mini-Player ist und das Klimaproblem allein nicht lösen kann. Thomas Klühr warnte zudem vor Alleingängen. Diese könnten Umwegverkehr in der Luftfahrt produzieren oder internationale Lösungen gefährden. Microsoft-Schweiz-Chefin Marianne Janik sieht in der Kleinräumigkeit der Schweiz und ihren verfügbaren akademischen Ressourcen jedoch klare Vorteile: «Hier können Dinge schneller getestet werden, die dann aber weltweit ausgerollt werden müssen.» Dass man dazu in der Lage wäre, beweise die Corona-Krise, so Nora Ernst: «Mich stimmt es positiv, dass man gemeinsam hinsteht und Massnahmen ergreift, wenn es notwendig ist.»

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