KOF Globalisierungsindex: Weltweite Globalisierung 2015 gesunken
Der Grad der Globalisierung nahm weltweit im Jahr 2015 leicht ab. Die Niederlande, die Schweiz und Schweden waren die insgesamt am stärksten globalisierten Länder weltweit. Der aktuelle KOF Globalisierungsindex widerspiegelt die ökonomische, soziale und politische Globalisierung bis zum Jahr 2015.
Der weltweite Grad der Globalisierung hat zwischen den Jahren 1990 und 2007 rasant zugenommen und sich seit der Grossen Rezession noch leicht erhöht. Im Jahr 2015 war die Globalisierung erstmals seit 1975 aber wieder rückläufig. Verantwortlich für diesen Rückgang war die ökonomische Globalisierung, während die soziale Globalisierung stagnierte und sich die politische Globalisierung etwas erhöhte.
Für die aufgrund der fehlenden Datenbasis noch nicht abgedeckten Jahre 2016 und 2017 geht KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm davon aus, dass es zu einer weiteren Verflachung der Globalisierung gekommen sein dürfte. Dies zeigen insbesondere die politischen Entwicklungen in verschiedenen westlichen Länder. «Auch wenn die ökonomische Globalisierung wegen der weltwirtschaftlichen Erholung weiter fortgeschritten sein dürfte, haben insbesondere die isolationistische Politik der USA aber auch jene des Vereinigten Königreichs zu einer stärkeren Abschottung geführt» beurteilt Jan-Egbert Sturm. «Ich bin eher etwas skeptisch, was das Fortschreiten der Globalisierung anbelangt», so KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm weiter.
Der KOF Globalisierungsindex beruht auf einer überarbeiteten Berechnungsgrundlage (siehe Kasten weiter unten). Neu wird zwischen de facto und de jure unterschieden. Während sich gemessen an der de jure Globalisierung die Rahmenbedingungen für die Globalisierung im Vergleich zum Vorjahr verbessert haben, ist ein Rückgang bei der de facto Globalisierung für den Rückgang im Gesamtindex verantwortlich. Bei der ökonomischen Globalisierung zeigt sich, dass insbesondere die de facto Handelsglobalisierung, also der grenzüberschreitende Austausch von Waren und Dienstleistungen, sowie die de jure Finanzglobalisierung, also das regulatorische Umfeld für internationale Finanzströme, für den Rückgang verantwortlich waren.
Länderbetrachtung
Die Niederlande waren im Jahr 2015 das am stärksten globalisierte Land der Welt, gefolgt von der Schweiz und Schweden. Auf den weiteren Rängen folgen Österreich, Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Finnland und Norwegen. Die ersten nicht-europäischen Länder folgen mit den Vereinigten Arabischen Staaten auf Rang 11, Kanada auf Rang 15 und den Vereinigten Staaten auf Rang 23. Am unteren Ende der Tabelle rangieren Eritrea, die Zentralafrikanische Republik, Afghanistan, die Komoren und der Sudan.
Aufgrund ihrer stärkeren Verflechtung, beispielsweise mit Nachbarstaaten, sind kleine Länder in diesem Ranking tendenziell weiter vorne als grosse Länder. So sind die grössten Volkswirtschaften der Welt eher im Mittelfeld zu finden. Die USA liegen bei der ökonomischen Globalisierung auf Rang 63; bei der sozialen und politischen Globalisierung sind sie auf den Plätzen 29 und 10 zu finden. Die Volksrepublik China liegt im unteren Drittel auf Platz 88. Während sie bei der politischen Globalisierung unter den Top 15 liegt, ist ihr Grad der ökonomischen und sozialen Globalisierung deutlich geringer. Die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt, Japan, befindet sich auf Platz 36. Grosse Volkswirtschaften der EU, wie Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Spanien sind aufgrund ihrer hohen ökonomischen, sozialen und politischen Verflechtung innerhalb der EU insgesamt deutlich stärker globalisiert. Im Gesamtranking liegen Frankreich und Deutschland auf den Plätzen 7 und 8, Spanien auf Position 12 und das Vereinigte Königreich auf 17. Während das Vereinigte Königreich insbesondere bei der sozialen Globalisierung hohe Werte erreicht, ist dies bei Deutschland, Frankreich und Spanien für die politische Globalisierung der Fall.
Die aufstrebende Volkswirtschaft Indien weist in den drei Teilbereichen sehr unterschiedliche Globalisierungsgrade auf. Während sie bei der politischen Globalisierung auf Position 11 liegt, sind die Grade der sozialen und ökonomischen Globalisierung deutlich geringer. In diesen Teilbereichen ist Indien im unteren Mittelfeld des Rankings zu finden.
Ökonomische Globalisierung
Der Grad der ökomischen Globalisierung ging erstmals seit der Grossen Rezession im Jahr 2009 wieder zurück. Der Rückgang der ökonomischen Globalisierung ist in beiden Teilbereichen de facto und de jure, zu verzeichnen. Das heisst, nicht nur die gemessenen Handels- und Finanzflüsse haben sich reduziert, auch die politischen Rahmenbedingungen, welche diese Flüsse begünstigen, verschlechterten sich. Der Rückgang bei der de facto Globalisierung ist dabei hauptsächlich auf den Teilbereich «Handelsglobalisierung» zurückzuführen, während sich der Indikator «finanzielle Globalisierung» seitwärts entwickelte. Bei der de jure Globalisierung bildeten sich beide Teilbereiche, Handels- und Finanzflüsse, etwas zurück. Die am stärksten ökonomisch globalisierten Länder sind Länder, die als internationale Finanzdrehscheiben und/oder Handelsplätze gelten. Im Jahr 2015 waren dies in absteigender Reihenfolge: Singapur, Hong Kong, die Niederlande, Belgien und Malta.
Soziale Globalisierung
Der Grad der sozialen Globalisierung stagnierte im Jahr 2015 – nach starken Zuwächsen in den Jahren zuvor. Die de facto soziale Globalisierung reduzierte sich leicht, während sich der Grad gemessen an der de jure sozialen Globalisierung leicht erhöhte. Im Jahr 2015 waren die Spitzenreiter in der sozialen Globalisierung Norwegen, Luxemburg, die Schweiz, Dänemark und Irland.
Politische Globalisierung
Im Jahr 2015 erhöhte sich der Grad der politischen Globalisierung insgesamt weiter. Spitzenreiter im Teilbereich der politischen Globalisierung war im Jahr 2015 Italien, gefolgt von Frankreich, Deutschland, Spanien und den Niederlanden.
Methodik
Der KOF Globalisierungsindex misst die wirtschaftliche, soziale und politische Dimension der Globalisierung. Er dient der Beobachtung von Veränderungen des Grads der Globalisierung von Ländern über einen langen Zeitraum. Der aktuelle KOF Globalisierungsindex liegt für 185 Länder und den Zeitraum 1970 bis 2015 vor. Im Index wird zwischen der de facto und der de jure Globalisierung im Gesamtindex, sowie in der ökonomischen, sozialen und politischen Komponente unterschieden.
Der Teilbereich der ökonomischen Globalisierung enthält einerseits den Bereich Handelsflüsse und andererseits Finanzflüsse. Der de facto Handel wird anhand des Güter- und Dienstleistungshandels ermittelt. Der de jure Handel beinhaltet Zölle, Steuern und Handelsbeschränkungen.
Der Teilbereich der sozialen Globalisierung besteht seinerseits aus drei Bereichen für welche je ein de facto und ein de jure Bereich ausgewiesen wird. Persönliche Kontakte werden im de facto Bereich anhand von internationalen Telefonverbindungen, Tourismusströmen und Migration gemessen. Im de jure Bereich anhand von Telefonabonnementen, internationalen Flughäfen und Visarestriktionen. Informationsflüsse werden im de facto Bereich anhand von internationalen Patentanmeldungen, internationalen Studenten und Hochtechnologiehandel ermittelt. Im de jure Bereich wird der Zugang zu TV und Internet, die Pressefreiheit und die internationalen Internetverbindungen gemessen. Kulturelle Nähe besteht im de facto Bereich aus Handel mit Kulturgütern, Registrationen internationaler Markenrechte sowie die Zahl der McDonalds-Restaurants und IKEA-Läden. Der de jure Bereich wird anhand von Bürgerrechten (Freiheit der Bürger), Geschlechtergleichheit und öffentlichen Ausgaben für Schulbildung gemessen.
Der Teilbereich der politischen Globalisierung wird im de facto Bereich anhand der Zahl von Botschaften, internationalen Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) und Teilnahme in UN-Friedensmissionen ermittelt. Der de jure Bereich beinhaltet Variablen zur Mitgliedschaft in internationalen Organisationen und internationalen Verträgen.
Der Index misst die Globalisierung auf einer Skala von 1 bis 100. Die Werte der zugrundeliegenden Variablen werden in Perzentile unterteilt. So werden extreme Ausschläge geglättet und es kommt zu geringeren Fluktuationen im Zeitablauf. Der vorliegende Index ist aufgrund der neuen Methodik nur begrenzt mit dem älteren KOF Globalisierungsindex vergleichbar.
Der überarbeitete KOF Globalisierungsindex
Die Berechnungsgrundlage des KOF Globalisierungsindex wurde umfassend überarbeitet. Neu wird im KOF Globalisierungsindex vollständig zwischen der sogenannten de facto und der de jure Globalisierung unterschieden. Während die de facto Globalisierung die tatsächlich gemessenen grenzüberschreitenden Flüsse und Aktivitäten umfasst, beinhaltet die de jure Globalisierung Aktivitäten und Politiken, die diese Flüsse und Aktivitäten prinzipiell begünstigen. Während der grenzüberschreitende Handel mit Gütern beispielsweise ein Abbild der de facto Globalisierung ist, werden Zölle und andere Handelshemmnisse zur de jure Globalisierung gezählt. Die Unterscheidung zwischen de facto und de jure Globalisierung wird dabei nicht nur im Gesamtindex, sondern auch in jeder Unterkategorie des Globalisierungsindex vollzogen. Der Gesamtindex berechnet sich aus dem Durchschnittswert der de jure und der de facto Globalisierung.
Eine weitere Neuerung ist die Unterscheidung zwischen Handels- und Finanzglobalisierung im Teilbereich der ökonomischen Globalisierung. Im Teilbereich der sozialen Globalisierung wird zwischen der interpersonellen Globalisierung, der Informationsglobalisierung und der kulturellen Globalisierung unterschieden. Kulturelle Globalisierung wird im überarbeitenden KOF Globalisierungsindex breiter definiert als bis anhin. Wurde im bisherigen Index kulturelle Globalisierung vor allem als Verbreitung amerikanisch-westlicher Werte verstanden, soll die nun vorliegende Definition keinem vordefinierten Wertekonzept folgen. Der dritte Teilbereich deckt die politische Globalisierung ab.
Die Auswahl an Variablen, welche in den KOF Globalisierungsindex fliessen, wurde überarbeitet und erweitert. So werden gesamthaft 42 unterschiedliche Variablen verwendet, anstelle von bisher 23. Eine weitere Neuerung besteht in der Gewichtung dieser Variablen. So werden erstmals zeitvariierende Gewichte auf der untersten Aggregationsstufe des Index verwendet und mittels statistischer Verfahren (Hauptkomponentenanalyse) bestimmt. Die Aggregation auf den oberen Aggregationsstufen erfolgt zu gleichen Teilen.
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