Coronavirus: Mögliche Folgen für die Schweizer Wirtschaft

Die Verbreitung des Coronavirus in Europa dürfte rasch zu negativen Effekten beim privaten Konsum führen. Aufgrund von Lieferstörungen und Nachfrageausfällen wird sie sich voraussichtlich auch negativ auf die Exporte und die Investitionen auswirken.

Touristen

Update vom 5. März 2020

Seit Veröffentlichung der Medienmitteilung vom 11. Februar 2020 (Zusammenfassung siehe unten) hat sich die Einschätzung der KOF bezüglich der Auswirkungen des Coronavirus auf die chinesische Konjunktur, die Weltkonjunktur sowie die Schweizer Konjunktur verändert. Neu geht die KOF von stärker negativen Effekten aus.

  • Die Corona-Krise ist mit dem Ausbruch in Norditalien Ende Februar in Europa angekommen. Die Verbreitung des Virus in Europa dürfte rasch zu negativen Effekten beim privaten Konsum führen und sich aufgrund von Lieferstörungen und Nachfrageausfällen auch negativ auf die Exporte und die Investitionen auswirken. Umgekehrt wirken erhöhte Staatsausgaben kurzfristig positiv auf die gesamtwirtschaftliche Produktion. Ausserdem wird in gewissen Branchen derzeit mehr gearbeitet, etwa im Gesundheits- oder Sicherheitsbereich sowie im Detailhandel.
  • Schon die Infektion von wenigen Menschen in einer Stadt reicht derzeit aus, dass grosse Teile der Bevölkerung Veranstaltungen, Restaurants oder den öffentlichen Verkehr meiden und auf grössere Ausgaben verzichten. Auch die Reisetätigkeiten von Geschäftsleuten und Privatpersonen nehmen ab.
  • Für die Auswirkungen auf den Schweizer Tourismus – etwa durch den Umstand, dass weniger Gäste zum Beispiel aus Asien anreisen –, gibt es bislang nur Indizien und kaum konkrete Zahlen. Zu beobachten ist etwa, dass weniger Touristen in Luzern unterwegs sind. Berechnen lassen sich die auf die Schweiz aggregierten Effekte noch nicht. Dasselbe gilt für das Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern.
  • Anfang Februar ging die KOF noch von einer Dämpfung der Jahreswachstumsrate des schweizerischen Bruttoinlandprodukts (BIP) um weniger als 0,1 Prozentpunkte aus. Diese Einschätzung ist so nicht mehr zu halten. Damals sah es so aus, als würde vor allem die chinesische Konjunktur durch das Virus hart getroffen und die Schweizer Wirtschaft nur geringfügig tangiert. Diese Annahme dürfte sich nicht bewahrheiten. Im Moment arbeitet die KOF daran, volkswirtschaftliche Szenarien für die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Konjunktur der Schweiz und weltweit zu erarbeiten.
  • Für Europa geht die KOF in ihrem Basisszenario nicht von einer Rezession aus, also von zwei Quartalen mit negativen BIP-Wachstumsraten in Folge. Es dürften sich aber negative Auswirkungen beim privaten Konsum zeigen, der einen Anteil von ungefähr 50 Prozent an der Wirtschaftsleistung hat. Auch dürfte es in der Unternehmenswelt zu gewissen Engpässen in den Lieferketten und zu Produktionsrückgängen kommen, wenn Angestellte nicht zur Arbeit erscheinen können.
  • Nach Abklingen der Viruskrise ist von einem deutlichen Rebound auszugehen. Sobald die Zahl der vom Virus Betroffenen deutlich zurückgeht und das öffentliche Leben wieder in Schwung kommt, werden zunächst aufgeschobene Konsumausgaben wie zum Beispiel Autokäufe wieder getätigt. Auch von der Angebotsseite her können Produktionsstörungen dann beseitigt werden.  

Medienmitteilung vom 11. Februar 2020

Der Ausbruch des Coronavirus dürfte die chinesische Konjunktur zumindest kurzfristig stark negativ treffen. Die KOF erwartet, dass sich das Wachstum des chinesischen Bruttoinlandprodukts in diesem Jahr um 0.5 Prozentpunkte auf 5.5% verlangsamen wird – vorausgesetzt, die Epidemie wird innerhalb weniger Monate unter Kontrolle gebracht. Es ist ausserdem zu erwarten, dass die aktuelle Epidemie grössere Auswirkungen auf die Konjunktur in China und weltweit haben wird als die SARS-Epidemie im Jahr 2003. Einerseits breitet sich das aktuelle Virus deutlich schneller aus, andererseits hat die chinesische Regierung rascher und drastischer mit Quarantänen und Transporteinschränkungen reagiert. Zudem spielt China heute eine deutlich grössere Rolle in den internationalen Wertschöpfungsketten.

Rund 8% der konjunkturrelevanten Schweizer Warenexporte gehen nach China (inkl. Hongkong). Da in verschiedenen Ländern Massnahmen getroffen wurden, um eine Übertragung der Coronaviren durch aus chinesischen Häfen kommende Schiffsbesatzungen zu verhindern, dürfte es vorübergehend zu verlängerten Transportzeiten kommen. Ausserdem ist davon auszugehen, dass Ferienreisen von und nach China zwischenzeitlich zum Erliegen kommen werden.

Tourismus und Uhrenindustrie betroffen

Die Volksrepublik ist inzwischen die viertwichtigste Herkunftsdestination von ausländischen Touristen in der Schweiz, mit einem Anteil an den ausländischen Logiernächten von etwas mehr als 7%. Die Bedeutung der chinesischen Touristen ist jedoch regional sehr unterschiedlich. Gehen im Durchschnitt etwa 4% der gesamten Logiernächte in der Schweiz auf chinesische Gäste zurück, sind es in der Tourismusregion Luzern/Vierwaldstättersee mehr als 10% und in der Region Bern rund 7.5%. Einige Hotels um den Vierwaldstättersee und im Berner Oberland wird das Ausbleiben von Touristen aus China dementsprechend spürbar treffen, während die Auswirkungen im restlichen Teil der Schweiz kleiner sind.

In den übrigen Dienstleistungsbranchen sowie in der Industrie werden die Folgen der Epidemie voraussichtlich gering sein. Am stärksten dürfte die Uhrenindustrie betroffen sein, da die chinesischen Konsumenten in der jetzigen Situation wohl weniger für Luxusprodukte ausgeben. Für die pharmazeutische Industrie dürften die Exporte und die Wertschöpfung hingegen höher ausfallen. Insgesamt wird die Jahreswachstumsrate des schweizerischen BIP im hier unterstellten Szenario um deutlich weniger als 0.1 Prozentpunkte gedämpft werden.

Die ausführliche Einschätzung vom 11. Februar 2020 finden Sie Downloadhier.

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert