KOF-NZZ Ökonomenumfrage: Grosse Mehrheit der Schweizer Wirtschaftswissenschaftler gegen raschen Schuldenabbau

Die KOF hat im April gemeinsam mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) Ökonominnen und Ökonomen zu den staatlichen Hilfen in der Corona-Krise und der Zukunft der Staatsfinanzen befragt. Das Ergebnis: Es gibt kaum Ökonominnen und Ökonomen, die meinen, dass die Schuldenbremse sehr strikt angewendet werden sollte. Einigkeit herrscht unter den 167 Umfrageteilnehmenden auch darüber, dass Einschnitte in die soziale Sicherung, Bildung und Forschung vermieden werden sollten.

Ökonomenumfrage
Es gibt in der Schweiz kaum Ökonominnen und Ökonomen, die meinen, dass die Schuldenbremse sehr strikt angewendet werden sollte.

Seit Beginn der Corona-Krise wird diskutiert, ob der Gesamtumfang der staatlichen Unterstützungen für Unternehmen und Arbeitnehmende in der Schweiz angemessen ist. Die Mehrzahl der befragten forschenden Ökonominnen und Ökonomen befürwortet umfangreiche staatliche Unterstützungen wie Kurzarbeit, Bürgschaften für Unternehmen oder einen Erwerbsersatz für Selbständige. Nicht ganz die Hälfte der Teilnehmenden sehen das Volumen der staatlichen Hilfen im bisherigen Verlauf der Pandemie als angemessen an. Ebenfalls fast die Hälfte schätzt den Umfang als zu gering oder eher zu gering ein. Nur ein geringer Teil beurteilt die Massnahmen als zu umfangreich.

Die Mehrheit der Ökonomen befürwortet ein Fiskalprogramm

In der Schweiz steht ein Fiskalprogramm wie es beispielsweise die USA aufgelegt haben derzeit nicht zur Debatte. Ob ein solches Programm sinnvoll ist, hängt vom weiteren Verlauf der Rezession ab, wie sich die Wirtschaft erholen wird, ob zusätzliche Staatsausgaben vertretbar sind und ob das Programm zu inflationärem Druck führen könnte. Die Meinungen der befragten Ökonomen und Ökonominnen gehen auseinander, wobei fast die Hälfte ein Fiskalprogramm (eher) für sinnvoll hält. Reichlich ein Drittel lehnen es (eher) ab, die Übrigen wollen sich nicht auf eine Seite festlegen.

Wirtschaftswissenschaftler raten beim Schuldenabbau zu Geduld

Die im Jahr 2003 in Kraft getretene Schuldenbremse verpflichtet den Bund, die nominalen Bundesschulden über einen Konjunkturzyklus hinweg zu stabilisieren. Die Ökonominnen und Ökonomen wurden gefragt, wie der Bund aus volkswirtschaftlicher Sicht am besten mit dem Schuldenanstieg infolge der Corona-Krise umgehen soll. Eine erste Möglichkeit ist der Abbau der Schulden innerhalb von sechs Jahren, was hohe strukturelle Überschüsse bedarf. Allerdings ist einerseits fraglich, ob solch hohe Überschüsse überhaupt realisierbar wären und andererseits könnte der Spardruck die wirtschaftliche Erholung bremsen. Entsprechend empfehlen nur etwa 6% der Ökonominnen und Ökonomen diese Möglichkeit. Alternativ kann die Bundesversammlung gemäss dem Finanzhaushaltsgesetz in besonderen Fällen die Frist des Schuldenabbaus erstrecken, somit wären weniger hohe strukturelle Überschüsse nötig – dafür aber über eine längere Zeitspanne. Mit einem Anteil von über 40% stellt dies die meistgewählte Antwort dar. Ungefähr jeder fünfte Teilnehmende befürwortet hingegen eine Verrechnung der Corona-Schulden mit dem Ausgleichskonto, sodass nur ein Teil der Schulden abgebaut werden müsste. Eine weitere beliebte Option ist das Aussetzen der Schuldenbremse und dementsprechend keine zwingende Realisierung von strukturellen Überschüssen in den Folgejahren. Knapp 30% der Volkswirte und Volkswirtinnen wählten diese Option.

Eine Senkung der Ausgaben für Soziales, Bildung und Forschung steht nicht zur Debatte

Eine weitere Frage thematisiert, welche die präferierte Einzelmassnahme ist, mit der der Bund die Schulden abbauen soll. Während gut ein Fünftel der Ökonominnen und Ökonomen eine Reduktion der Ausgaben bevorzugen, spricht sich mehr als die Hälfte für eine Erhöhung der Einnahmen aus. Als am geeignetsten wird eine Erhöhung der Gewinnsteuer angesehen. Eine relativ beliebte Massnahme auf der Ausgabenseite sind Einsparungen bei Ausgaben für die Öffentliche Verwaltung. Kürzungen bei den Ausgaben für die soziale Sicherheit und bei Ausgaben für Bildung und Forschung kommen für die Umfrageteilnehmenden nicht in Frage.

Die KOF-NZZ Ökonomenumfrage behandelt für die Schweiz wirtschaftspolitisch relevante Themen und ist ein Instrument, um die Ansichten der akademisch forschenden Ökonomen und Ökonominnen in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Medienpartner der KOF bei der Erstellung und Interpretation der Ökonomenumfrage ist die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Im April führte die KOF gemeinsam mit der NZZ eine Umfrage zu den staatlichen Hilfen in der Corona-Krise und der Zukunft der Staatsfinanzen durch. 841 Ökonomen und Ökonominnen wurden angeschrieben. Es gingen Antworten von 167 Ökonomen und Ökonominnen aus 16 Institutionen ein.

Ein PDF der Medienmitteilung finden Sie Downloadhier (PDF, 80 KB):

Weitere Informationen zur Ökonomenumfrage und eine grafische Darstellung der Ergebnisse finden Sie hier.

externe SeiteHier finden Sie den Beitrag in der NZZ.  

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