«Es fehlt der generelle Konjunkturfunke»
In der Schweizer Wirtschaft läuft es derzeit nicht rund: Der KOF Geschäftslageindikator für die Schweizer Privatwirtschaft, der aus den KOF Konjunkturumfragen berechnet wird, sinkt im Januar (siehe G 4). Vor allem die Exportwirtschaft schwächelt aufgrund der fehlenden Dynamik in Europa und die Chancen im Exportgeschäft werden zurückhaltender eingeschätzt. Die Binnenwirtschaft steht teilweise relativ solide da. Doch wie lange kann sie sich noch von der negativen Entwicklung im Ausland abkoppeln?
Zusammengefasst
Dunkle Wolken ziehen im Verarbeitenden Gewerbe auf. Der Geschäftslageindikator sinkt hier den zweiten Monat in Folge und die Unternehmen sind sehr unsicher bezüglich der weiteren Entwicklung. Sie planen, ihre Produktion deutlich vorsichtiger auszuweiten als bisher, und möchten vermehrt Personal abbauen.
In den mit der Bautätigkeit verbundenen Bereichen Projektierung und Baugewerbe sinkt der Geschäftslageindikator den zweiten Monat in Folge.
Zudem gibt der Geschäftslageindikator im Bereich Finanz- und Versicherungswesen sowie bei den übrigen Dienstleistungen nach. Von einer Besserung der Geschäftslage berichten dagegen die Unternehmen im Detailhandel, im Grosshandel und im Gastgewerbe.
Die Binnenwirtschaft läuft teils solide, aber der Export schwächelt. Es fehlt der generelle Konjunkturfunke», ordnet Klaus Abberger, Leiter der Sektion Konjunkturumfragen bei der KOF, ein. «Die wirtschaftliche Schwäche in Europa, vor allem in Deutschland und in Frankreich, trübt die Perspektiven für die Schweizer Exportwirtschaft.» Die Frage sei nun, wie lange sich die Binnenwirtschaft noch von der negativen Entwicklung in Europa abkoppeln könne. Aber es gibt auch Hoffnungsschimmer, dass die Wirtschaft im Laufe dieses Jahres wieder anspringt: «Die Investitionen waren zuletzt so schwach, dass es aus dem zyklischen Denken heraus bald zu Ersatzinvestitionen kommen sollte.»
Die kommenden sechs Monate
Die Erwartungen mit Blick auf die Geschäftsentwicklung in den kommenden sechs Monaten sind in der Mehrzahl der Wirtschaftsbereiche zurückhaltender als bisher. Neben der momentanen Geschäftslage trübt sich auch der Ausblick bei den Projektierungsunternehmen, im Baugewerbe, bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistern sowie bei den übrigen Dienstleistungen ein. Aber auch im Gastgewerbe, das im Januar eine günstigere Geschäftslage meldet, ist der Ausblick weniger optimistisch als bis anhin. Die Erwartungen im Verarbeitenden Gewerbe verändern sich im Vergleich zum Vormonat nur wenig. Der Grosshandel rechnet vermehrt mit einer Fortsetzung der Belebung.
Fachkräftemangel: ja oder nein?
Das Verarbeitende Gewerbe und die übrigen Dienstleistungen sehen sich seltener durch einen Arbeitskräftemangel ausgebremst, die Lohnerwartungen sind insgesamt gegenüber dem Herbst unverändert. Die Klagen über einen Mangel an geeigneten Arbeitskräften lassen im Bereich übrige Dienstleistungen erneut deutlich nach. Auch im Grosshandel und im Verarbeitenden Gewerbe verliert die Problematik leicht an Brisanz. Im Baugewerbe und im Projektierungsbereich nehmen die Schwierigkeiten dagegen geringfügig zu. «Der zyklisch bedingte Fachkräftemangel baut sich ab, weil die Konjunktur sich abgeschwächt hat. Aber der strukturell bedingte Fachkräftemangel – der sich etwa durch den demographischen Wandel halten wird – bleibt bestehen», sagt Klaus Abberger.
Steigende oder sinkende Löhne
Die Erwartungen der Unternehmen hinsichtlich der Lohnentwicklung in den nächsten zwölf Monaten haben sich gegenüber dem Herbst vergangenen Jahres praktisch nicht verändert. Es wird mit einem Anstieg der Bruttogehälter um 1.5% gerechnet. Gemäss den Unternehmenserwartungen dürfte das Lohnplus im Detailhandel unterdurchschnittlich und im Gastgewerbe überdurchschnittlich ausfallen.
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«Die Investitionen waren zuletzt so schwach, dass es aus dem zyklischen Denken heraus bald zu Ersatzinvestitionen kommen sollte.»Klaus Abberger, Leiter der Sektion Konjunkturumfragen, KOF![]()
Verarbeitendes Gewerbe
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Im Verarbeitenden Gewerbe trüben sich die aktuelle Geschäftslage und die Erwartungen tendenziell ein; die Nachfrage schwächelt und die Unsicherheit ist unter den Unternehmen hoch. Nach einer Entspannungsphase im Sommer und im Herbst des vergangenen Jahres sinkt der Geschäftslageindikator im Verarbeitenden Gewerbe nun bereits den zweiten Monat in Folge. Der Bestellungseingang belebt sich nicht und die Auftragsreserven schmelzen eher ab. Insgesamt beklagen reichlich 60% der Unternehmen im Verarbeitenden Gewerbe eine ungenügende Nachfrage nach ihren Produkten. Die Kapazitätsauslastung der Maschinen und Geräte ist – insbesondere wegen der Branche Chemie und Pharma – gesunken. Die Ertragslage entwickelt sich ungünstiger als bisher und die Unternehmen berichten vermehrt von finanziellen Restriktionen. Die Entwicklung in der nahen Zukunft wird von den Firmen eher skeptischer gesehen als bisher. «Wir bekommen von vielen Unternehmen gespiegelt, dass die politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten gestiegen sind. Das hat sicherlich auch mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten zu tun. Schliesslich sind die USA unser wichtigster Handelspartner», sagt Abberger. Bezüglich der Nachfrageentwicklung in den kommenden drei Monaten korrigieren die Antwortenden ihre Erwartungen spürbar nach unten. Auch die Produktionsplanungen sehen seltener Ausweitungen vor. Vor dem Hintergrund dieser eingetrübten Erwartungen planen die Unternehmen vermehrt, die Personalstärke zu reduzieren. Überzählige Arbeitskräfte, an denen bisher festgehalten wurde, scheinen eher abgebaut zu werden. «Wir Konjunkturbeobachter warten schon länger darauf, dass die Industrie anspringt. Aber auch wenn es in der Vergangenheit Ansätze gab, konnten sie sich nie materialisieren. Je länger diese Flaute dauert, desto wahrscheinlicher wird es, dass sie auf den Arbeitsmarkt durchschlägt», sagt Abberger.
Projektierung und Baugewerbe
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Die Geschäftslage trübt sich bei den Projektierungsbüros und im Baugewerbe erneut ein und die Unsicherheit bezüglich der weiteren Entwicklung steigt. In den mit der Bautätigkeit verbundenen Bereichen Projektierung und Baugewerbe trübt sich die Geschäftslage im Januar ein. Im Projektierungsbereich leicht und im Baugewerbe etwas ausgeprägter. Bei beiden Fällen ist dies der zweite Rückgang des Geschäftslageindikators in Folge. Bezüglich der weiteren Entwicklung steigt in den Bereichen jeweils die Unsicherheit, den Befragungsteilnehmenden fällt es schwerer, die weitere Entwicklung einzuordnen als bisher. Im Baugewerbe nimmt die Zufriedenheit mit den vorhandenen Auftragspolstern ab. Die Auslastung der Fahrzeuge, Maschinen und Geräte sinkt deutlich und ist im mittelfristigen Vergleich klar unter dem Durchschnitt. Insgesamt planen die Unternehmen im Baugewerbe per saldo keine Ausweitung der Produktion mehr, insbesondere im Hochbau werden die Planungen deutlich nach unten revidiert. Die Unternehmen klagen zwar nach wie vor häufig über einen Arbeitskräftemangel, zusätzliche Mitarbeitende suchen sie aber seltener als bisher. Im Projektierungsgewerbe trübt sich die Geschäftslage zwar ein, die Nachfrageentwicklung nach den Leistungen der Planer und Planerinnen war aber jüngst stabil. Dennoch haben die Büros ihre Leistungserbringung langsamer ausgedehnt als bisher. Mit Blick auf die Entwicklung in den nächsten drei Monaten rechnen die Unternehmen mit einem verhalteneren Nachfrageanstieg und einer eher vorsichtigeren Leistungsausweitung als bis anhin. Dennoch sehen sich die Unternehmen eher von einem Arbeitskräftemangel als von einem Nachfragemangel beeinträchtigt.
Detail- und Grosshandel
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Im Detail- und im Grosshandel verbessert sich die Geschäftslage; der Ausblick trübt sich aber im Detailhandel ein, während der Grosshandel zuversichtlicher wird. Im Detailhandel hellt sich die Geschäftslage weiter auf, der entsprechende Indikator steigt den dritten Monat in Folge. Auf die weitere Entwicklung blicken die Detailhändler jedoch mit Sorgenfalten. Sie erwarten seltener Umsatzzuwächse als bisher und sehen sich vermehrt zu Preissenkungen gezwungen. Auch aus den Erwartungen mit Blick auf die Geschäftsentwicklung im kommenden halben Jahr weicht die Zuversicht. Insgesamt lassen die Erwartungen befürchten, dass der Aufwind, der die Geschäftslage erfasst hat, bald nachlassen könnte. Im Grosshandel ist die Geschäftslage nahezu unverändert ungünstig. Dies liegt primär an einer tristen Lage des Grosshandels mit Gütern für die Produktionstätigkeit (Produktionsverbindungshandel). Dagegen erholt sich die Geschäftslage im Grosshandel mit Konsumgütern weiter. In letzterem stabilisiert sich allmählich der Warenabsatz, wohingegen er in ersterem weiter rückläufig ist. Die Lieferfristen dürften sich in beiden Sparten in der nächsten Zeit wenig verändern. Die Grosshandelsunternehmen hoffen bei fast stabilen Preisen insgesamt auf eine leichte Belebung der Nachfrage in den kommenden drei Monaten.
Gastgewerbe
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Im Gastgewerbe verbessert sich die Geschäftslage wieder, die Nachfrage dürfte in der nächsten Zeit nahezu stabil bleiben. Der Geschäftslageindikator im Gastgewerbe ist im Januar gestiegen, nachdem er im gesamten Jahr 2024 kontinuierlich auf dem Rückzug war. Insbesondere hellt sich die Geschäftslage bei den Beherbergungsbetrieben, aber auch sehr leicht in der Gastronomie auf. In den Berggebieten ist die Geschäftslage ausgezeichnet, in den Seegebieten und den städtischen Regionen leicht überdurchschnittlich. Im Beherbergungsbereich ist die Zimmerauslastung deutlich gestiegen und die Ertragslage entwickelt sich positiver als bisher. Die Logiernachtzahlen sowohl von Ausländern als auch von Inländern nehmen einen günstigeren Verlauf als zuvor. Die Reservationen für das laufende Quartal deuten auf einen leichten Anstieg der Übernachtungen in den Berggebieten und den grossen Städten hin. In der Gastronomie wird mit wenig Veränderung bei der Nachfrage gerechnet. Zwar sieht sich ein beachtlicher Teil der antwortenden Gastronomiebetriebe durch eine zu geringe Nachfrage ausgebremst, dieser Anteil hat jedoch zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder abgenommen. Im Gegensatz zu den Beherbergungsbetrieben versuchen die Gastronomieunternehmen, weiterhin Preissteigerungen durchzusetzen.
Finanzbranchen
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In den Finanzbranchen kühlt die Geschäftslage wieder etwas ab, bei den Banken belastet das Zinsgeschäft. Der Geschäftslageindikator im Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen muss nach zwei Anstiegen in den Vormonaten im Januar einen Dämpfer hinnehmen. Die Ertragslage ist wieder etwas mehr unter Druck geraten. Den Banken macht insbesondere das Zinsgeschäft einen Strich durch die Erfolgsrechnung. Demgegenüber entwickelt sich das Kommissions- und das Handelsgeschäft weiterhin positiv, das Handelsgeschäft aber nicht mehr so ausgeprägt wie bislang. Das Volumen der verwalteten Vermögen nimmt deutlich zu. Aus Sicht der Banken hat sich die Bonität ihrer Firmenkunden nicht mehr verschlechtert. Die Versicherungen konnten die Zahl der Versicherungsverträge weniger deutlich steigern als zuvor. Die Ertragslage hat hier vermehrt gelitten. Die Versicherungen werden zunehmend skeptisch, ob sie die Nettokapitalerträge aus der Vorjahresperiode im laufenden Quartal wieder erreichen können.
Übrige Dienstleistungsunternehmen
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Bei den übrigen Dienstleistungsunternehmen gerät die Geschäftslage leicht unter Druck, die Geschäftserwartungen bleiben positiv, wenn auch nicht mehr ganz so ausgeprägt wie bisher. Im Bereich übrige Dienstleistungen kann der Geschäftslageindikator das Plus aus dem Vorquartal im Januar nicht ganz halten. Bezüglich der weiteren Geschäftsentwicklung sind die Unternehmen nach wie vor eher zuversichtlich gestimmt. Der Auslastungsgrad der Firmen ist saisonbereinigt wieder leicht gestiegen. Die persönlichen Dienstleistungen sind stark ausgelastet und bei den wirtschaftlichen Dienstleistungen erhöht sich die Auslastung leicht. Gesunken ist der Auslastungsgrad dagegen im Teilbereich Verkehr und insbesondere bei den Unternehmen der Information und Kommunikation. Die Auslastung ist bei Unternehmen der Information und Kommunikation deutlich tiefer als in den beiden Jahren vor der Pandemie. Immerhin rechnen die Unternehmen dieser Teilbranche vermehrt mit einer baldigen Belebung der Nachfrage. Insgesamt sind die Nachfrageerwartungen der Dienstleistungsunternehmen gegenüber dem Vorquartal wenig verändert. Der Personalstand wird weiterhin als eher zu tief angesehen. Es ist daher vorgesehen, die Stellenplafonds zu erhöhen, wenn auch nicht mehr so ausgeprägt wie in den Jahren 2022 und 2023. Das Problem des Arbeitskräftemangels verliert weiter an Dringlichkeit. Es wird vom Nachfragemangel als neues Haupthindernis abgelöst.
In der KOF Konjunkturuhr (siehe Grafik G 5) wird der Geschäftslageindikator gegen das KOF Konjunkturbarometer abgetragen. Der Lageindikator spiegelt die derzeitige konjunkturelle Situation wider, während das Barometer ein Frühindikator für die Veränderung der Aktivität ist. Die Uhr lässt sich in Quadranten einteilen: Während der Erholungsphase ist die Geschäftslage unterdurchschnittlich, aber die Wachstumsperspektiven sind überdurchschnittlich. Im Konjunkturhoch sind die Lage und die Perspektiven überdurchschnittlich. Während der Abkühlungsphase ist die Lage über dem Durchschnitt und die Perspektiven darunter. Im Konjunkturtief sind Lage und Perspektiven unterdurchschnittlich. Idealtypisch durchläuft der Graph die Quadranten im Uhrzeigersinn.
Umfrage
In die Ergebnisse der KOF Konjunkturumfragen vom Januar 2025 sind die Antworten von etwa 4’500 Unternehmen aus dem Verarbeitenden Gewerbe, dem Baugewerbe und den wichtigsten Dienstleistungsbereichen eingeflossen. Dies entspricht einer Rücklaufquote von etwa 60%.
Teil des Befragungskreises werden – und von Vorzügen profitieren? Alle Infos unter https://kof.ethz.ch/umfragen/konjunkturumfragen.html
Ansprechpersonen
KOF Bereich Zentrale Dienste
Leonhardstrasse 21
8092
Zürich
Schweiz
KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092
Zürich
Schweiz