KOF Konjunkturprognose: Industrie stützt Schweizer Konjunktur
Die Wertschöpfung der Schweizer Wirtschaft wuchs im 1. Quartal 2019 so stark wie seit dem Herbst 2017 nicht mehr. Die KOF erwartet für das ganze Jahr 2019 einen Anstieg des Bruttoinlandprodukts (BIP) um neu 1.6%. Für die momentan gute Verfassung der Wirtschaft ist vor allem die Industrie verantwortlich. Die Unsicherheiten sind aber weiterhin gross.
Die Schweizer Wirtschaft entwickelte sich zu Jahresbeginn 2019 günstig. Im 1. Quartal wurde die höchste Wachstumsrate der Wertschöpfung seit dem Herbst 2017 verzeichnet (bereinigt um Einnahmen aus grossen internationalen Sportanlässen). Auch die erste Schätzung für das 4. Quartal 2018 wurde um annualisiert 0.7 Prozentpunkte nach oben revidiert. Die KOF erhöht deshalb die Prognose für den BIP-Zuwachs in diesem Jahr um 0.6 Prozentpunkte auf neu 1.6% (ohne Sportanlässe: 1.8%). Im nächsten Jahr wird mit einer Entwicklung in einer ähnlichen Grössenordnung gerechnet.
Das Umfeld für die hiesige Wirtschaft ist aber nach wie vor von Unsicherheit geprägt. Die Weltwirtschaft legte zu Beginn des Jahres 2019 zwar ebenfalls recht kräftig zu. In diesem und den kommenden Quartalen dürfte sich die Konjunktur allerdings eher verhalten entwickeln, bei nach wie vor bestehenden Abwärtsrisiken. So besteht die Gefahr einer zunehmenden Eskalation im Handelsstreit zwischen den USA und China. Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) ist auf Ende Oktober verschoben. Wie die Beziehungen der Briten zur EU danach aussehen werden, ist weiterhin ungewiss. Die Schweiz hat den Entscheid über das künftige Verhältnis zur EU ebenfalls hinausgeschoben – auch wenn der Bundesrat mittlerweile den Eindruck zu erwecken versucht, die Hürden für einen Abschluss des Rahmenabkommens seien niedriger geworden. Die Neuauflage der Unternehmenssteuerreform wurde vom Schweizer Stimmvolk gutgeheissen. Die Unsicherheit für die schweizerischen Unternehmen hat sich damit jedoch nicht vollständig aufgelöst. Denn die Auswirkungen der Reform hängen stark von der noch zu beschliessenden Umsetzung auf kantonaler Ebene ab.
Dynamik bei den Löhnen zieht allmählich an
Der private Konsum wird sich 2019 erneut nur schwach entwickeln. Dazu beitragen dürften die tiefen Wachstumsraten der Bevölkerung und der Löhne. 2018 gingen die Reallöhne gemäss Schweizerischem Lohnindex (SLI) trotz eines BIP-Wachstums von 2.6% um 0.4% zurück, nachdem bereits 2017 kein Reallohnwachstum zu verzeichnen gewesen war. In den kommenden Quartalen ist mit einem allmählichen Anziehen der Lohndynamik zu rechnen. Die Firmen wuchsen 2018 und konnten nach schwierigen Jahren wieder profitabler werden. Zudem haben die Engpässe am Arbeitsmarkt zugenommen. In gewissen Berufen fehlt qualifiziertes Personal, was die Verhandlungsmacht der Lohnbezüger stärkt.
Gegenwärtig rechnet die KOF für 2019 mit einem Wachstum der Nominallöhne gemäss SLI von 0.7%. Das reicht nach Abzug der Teuerung allerdings nur für ein kleines Reallohnplus. 2020 nehmen die Löhne gemäss Prognose nominal und real dann wieder etwas stärker zu. Das dürfte auch einen positiven Einfluss auf den privaten Konsum haben, der ab 2020 wieder stärker zunehmen sollte.
Die gute Arbeitsmarktlage von 2018 setzte sich Anfang 2019 überraschend fort. Die vollzeitäquivalente Beschäftigung wächst überdurchschnittlich. Auch die nach Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) berechnete Arbeitslosigkeit geht seit einem Jahr zurück und lag zuletzt saisonbereinigt bei 4.6%. Dies, nachdem sie sich zuvor jahrelang um 5% bewegt hatte. Im Prognosezeitraum rechnet die KOF mit einer weiteren, wenn auch geringen Reduktion der Arbeitslosenquote nach ILO-Definition. Bei der vollzeitäquivalenten Beschäftigung ist 2019 ein Wachstum von 1.3% zu erwarten. Allerdings ist dieses recht beachtliche Plus vor allem auf die hohe Zuwachsrate im vergangenen 1. Quartal 2019 zurückzuführen. Im weiteren Verlauf dieses Jahres wird mit deutlich geringeren Quartalswachstumsraten gerechnet.
Industrie erzielt wieder normalere Margen
Die momentan gute Verfassung der schweizerischen Wirtschaft geht vor allem auf die Industrie zurück. Nachdem der Franken sich in den vergangenen Jahren etwas abgeschwächt hat und teuerungsbereinigt inzwischen auf einem ähnlichen Niveau wie vor der Aufhebung des Euro-Mindestkurses liegt, ist die Industrie wieder wettbewerbsfähiger und erzielt normalere Margen. Sie ist – abgesehen von der Autozulieferindustrie – zudem vor allem in Produktionsbereichen tätig, die nicht von erhöhten Zöllen der USA betroffen sind. Deshalb stehen die Chancen gut, dass die Nachfrage nach ihren Produkten weiterhin zunimmt. Vor allem die pharmazeutische Industrie hat wenig Grund zur Sorge. Die Uhrenindustrie im Luxussegment könnte aber eine nachlassende Nachfrage aus China, den USA und weiteren Ländern erleben.
Der Aussenhandel hat sich im 1. Quartal 2019 robust entwickelt. Dank der unerwartet starken Wirtschaftsentwicklung in den wichtigen Absatzmärkten in Nordamerika und Europa stiegen die Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen mit einer annualisierten Rate von 8.4%. Gestützt durch die positive Binnennachfrage und die gute Exportentwicklung, legten auch die Gesamtimporte kräftig zu: Sie stiegen mit einer Rate von 8.3%. In den kommenden Quartalen dürfte sich die Exportentwicklung leicht abschwächen.
Die Zunahme der Bauinvestitionen verlor 2018 an Dynamik, mit einem besonders schwachen 4. Quartal. Das 1. Quartal 2019 verzeichnete witterungsbedingt einen deutlichen Aufschwung. Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums sowie der Aufbau von Überkapazitäten im Wohnungssegment führen jedoch zu schwacher Nachfrage, steigenden Leerständen und sinkenden Immobilienpreisen. Dadurch wird das Wachstum der Bauinvestitionen im Prognosezeitraum gedämpft.
Nationalbank wird Zinsdifferenz zum Euroraum erhalten
Die Zinsen tendieren zurzeit dazu, noch weiter zu sinken, und der Wechselkurs des Frankens neigt zur Stärke. Dies ist vor allem mit einer erhöhten Unsicherheit über den weltweiten Konjunkturverlauf zu erklären. Die KOF geht davon aus, dass sich die Zinsen in allen wichtigen Währungsräumen zumindest in den kommenden zwölf Monaten nicht ändern werden. Da die Schweizerische Nationalbank der Politik der Europäischen Zentralbank folgen wird, um die Zinsdifferenz zum Euroraum zu erhalten, rechnet die KOF erst in der zweiten Jahreshälfte 2020 mit einer Erhöhung der Zinsen in der Schweiz. Der immer noch gedämpfte inländische Inflationsdruck untermauert diese Einschätzung.
Prognoserisiken
Das grösste wirtschaftliche Risiko für die Schweiz bleibt eine Verschärfung der Handelskonflikte – und insbesondere eine Ausweitung auf weitere Schweizer Exportdestinationen. In der EU geht die grösste Gefahr für die Konjunktur zurzeit von Italien aus. Die langjährige schleppende Entwicklung nimmt dort kein Ende und die staatlichen Defizite führen zu einer weiteren Erhöhung der Verschuldung. Internationale wirtschaftliche oder geopolitische Verwerfungen könnten sich in Währungsturbulenzen übertragen. Eine Flucht in die sogenannten sicheren Häfen würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer erneuten und für die Exportwirtschaft unerwünschten Aufwertung des Frankens führen.
Tabellen und Grafiken finden Sie Download hier (PDF, 166 KB).
Eine ausführliche Version der Prognose finden Sie Download hier (PDF, 1.2 MB).
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