Gemeinschaftsdiagnose für Deutschland: Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen
Die Corona-Pandemie löst eine schwerwiegende Rezession in Deutschland aus. Die Wirtschaftsleistung wird in diesem Jahr um 4,2 Prozent schrumpfen. Das erwarten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute – darunter das deutsche ifo Institut und die KOF – in ihrem Frühjahrsgutachten. Für das kommende Jahr sagen sie eine Erholung und ein Wachstum von 5,8 Prozent voraus.
Bereits im ersten Quartal 2020 dürfte das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um 1,9 Prozent geschrumpft sein. Im zweiten Quartal bricht es dann als Folge des Shutdowns um 9,8 Prozent ein. Dies ist der stärkste je seit Beginn der Vierteljahresrechnung im Jahr 1970 gemessene Rückgang in Deutschland und mehr als doppelt so gross wie jener während der Weltfinanzkrise im ersten Quartal 2009.
Im gesamten Euroraum dürfte die Pandemie einen beispiellosen Konjunktureinbruch herbeiführen. "Die wirtschaftliche Aktivität ist überall dort gefährdet oder fällt weg, wo Menschen auf engem Raum aufeinandertreffen, was insbesondere Dienstleistungen betrifft", sagt KOF-Konjunkturexperte Stefan Neuwirth. "In vielen dieser Bereiche dürfte die Produktion erst im Verlauf des kommenden Jahres wieder ihr Niveau von vor dem Corona-Ausbruch erreichen. Hinzu kommen weitere angebotsseitige Effekte, durch welche die Produktion behindert wird, wie zum Beispiel unterbrochene Lieferketten oder der Ausfall bzw. eine geringere Produktivität von Arbeitnehmern."
Arbeitslosenquote steigt auf bis zu 5,9 Prozent
"Die Rezession hinterlässt deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt und im Staatshaushalt", sagt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. "In der Spitze wird die Arbeitslosenquote in Deutschland in diesem Jahr auf 5,9 Prozent und die Zahl der Kurzarbeiter auf 2,4 Millionen hochschnellen." Im Durchschnitt werden die Arbeitslosenzahlen im Vergleich zum Vorjahr um knapp eine Viertel Million auf 2,5 Millionen steigen.
"Deutschland bringt gute Voraussetzungen mit, den wirtschaftlichen Einbruch zu verkraften und mittelfristig wieder das wirtschaftliche Niveau zu erreichen, das sich ohne die Krise ergeben hätte", sagt Wollmershäuser. Die günstige Finanzlage ermöglicht es dem Staat, weitgehende Massnahmen zur Abfederung der kurzfristigen negativen Folgen für Unternehmen und private Haushalte zu ergreifen. Diese führen in diesem Jahr zu einem Rekorddefizit beim Gesamtstaat (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherung) von 159 Milliarden Euro. Der Bruttoschuldenstand des Staates wird in diesem Jahr auf 70 Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt steigen.
Die mit dieser Prognose verbunden Abwärtsrisiken sind erheblich. So könnte sich die Pandemie deutlich langsamer abschwächen als angenommen. Auch das Wiederhochfahren der wirtschaftlichen Aktivität könnte schlechter gelingen und eine erneute Ansteckungswelle auslösen. Zudem könnten weitere Massnahmen zur Infektionsbekämpfung in Kraft treten, die die Produktion länger oder in grösserem Umfang stilllegen. Verwerfungen im Finanzsystem als Folge zunehmender Unternehmensinsolvenzen würden wahrscheinlicher, die durch staatliche Schutzschilde nicht verhindert werden könnten.
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