KOF Prognose-Update: Historisch tiefe Rezession – Rückkehr zu Vorkrisen-Niveau frühestens 2022
Die Schweizer Wirtschaft hat wie von der KOF erwartet ein tiefrotes 2. Quartal erlebt, auch wenn der Einbruch im internationalen Vergleich weniger heftig ausfiel. Allerdings ist die Lage zwischen und in den einzelnen Branchen sehr uneinheitlich. Die Folgen der Krise zeigen sich auch deutlich auf dem Arbeitsmarkt, der Tiefpunkt dürfte hier noch nicht erreicht sein. Die KOF belässt ihre Prognose für das BIP-Wachstum im Jahr 2020 mit -4.7% nahezu unverändert. 2021 erwartet sie ein Plus von 3.7%.
Die COVID-19-Pandemie stürzte die Weltkonjunktur im März und April 2020 in ein tiefes Loch. Im ersten Halbjahr brach die globale Produktion weitaus stärker ein als während der Weltfinanzkrise 2008. Zwar gingen die globale Industrieproduktion und der Welthandel zuletzt in ähnlichem Ausmass zurück wie während der Finanzkrise. Doch während der private Konsum 2008 ein stabilisierender Faktor war, zog er die Weltwirtschaft in den letzten Monaten massiv nach unten.
Seit der Aufhebung der Lockdowns und der Wiederaufnahme der Konsumtätigkeit legt die globale Wirtschaftstätigkeit wieder kräftig zu. Hierbei spielen auch Nachholeffekte eine wichtige Rolle. Allerdings befindet sich die globale Produktion derzeit noch deutlich unter ihrem Vorkrisenniveau – und sie dürfte dieses im Prognosehorizont auch nicht wieder erreichen. Vielmehr geht die KOF von einer schwachen konjunkturellen Entwicklung nach dem Ende des derzeitigen Rebounds aus. Ein Grund hierfür ist, dass die Krise mit Kaufkraftverlusten einhergeht. Zudem sind die Investitionen durch den Gewinneinbruch und die hohe Unsicherheit negativ betroffen. Strukturanpassungen werden somit erschwert, was auch die Wirtschaftsdynamik weiterhin dämpft. Allerdings geben die von vielen Ländern beschlossenen Konjunkturprogramme eine gewisse Gegensteuer. Auch stellen die Notenbanken in grossem Umfang Liquidität bereit und stützen die Wirtschaft kurz- bis mittelfristig mit dem Aufkauf von Wertpapieren.
Schweiz: Nach tiefrotem 2. Quartal Rückkehr zu wachsender Wertschöpfung erwartet
Die schweizerische Wirtschaft steckt zurzeit in der schwersten Rezession seit 45 Jahren. Die heute publizierten Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), die einen Einbruch des Bruttoinlandprodukts (BIP) im 2. Quartal um 8.2% (nicht annualisiert) zeigen, bestätigen die letzte Prognose der KOF (-8.4%). Der Einbruch betrifft fast die ganze Wirtschaft und das Ende ist noch nicht abzusehen. Zwar erwartet die KOF nach dem tiefroten Ergebnis des 2. Quartals bereits im laufenden 3. Quartal die Rückkehr zu einer wachsenden Wertschöpfung. Doch das Niveau von Ende 2019 dürfte nicht vor 2022 wieder erreicht werden.
Für das Jahr 2020 geht die KOF in ihrem Basisszenario aktuell von einem Rückgang des BIP um 4.7% aus (letzte Prognose: -4.9%). Im nächsten Jahr ist ein Wachstum des BIP von 3.7% zu erwarten (letzte Prognose: 4.1%). Sollte es zu einer zweiten Corona-Welle kommen, rechnet die KOF weiterhin mit einem Einbruch des BIP in diesem Jahr um fast 6%.
Im 2. Quartal haben unter anderem der Verkehr und das Gastgewerbe besonders stark gelitten. Beim stark eingeschränkten Luftverkehr zeichnet sich eine längere Schwächephase ab. Deshalb werden diese Sektoren die weitere wirtschaftliche Entwicklung stärker dämpfen als bisher angenommen. Auch die Bauwirtschaft verzeichnete ein schwaches 2. Quartal. Der Einbruch dürfte hier allerdings eher vorübergehend sein. Die Pharmabranche hat die Schweizer Konjunktur im ersten Halbjahr stabilisiert und dürfte dies auch weiterhin tun. Trotz dieser Stabilisierung hat es beim Verarbeitenden Gewerbe allerdings einen starken Einbruch gegeben, der aufgrund der internationalen konjunkturellen Lage noch andauern wird. Der Detailhandel findet langsam wieder zum Normalzustand zurück, während der Transithandel im zweiten Quartal stark zulegte. Die Lage ist in gewissen Branchen jedoch sehr uneinheitlich. Im Detailhandel beispielsweise profitieren grössere Warenhäuser und der Onlinehandel von der aktuellen Situation, während Fachhändler weiterhin leiden.
Viele Erwerbspersonen ziehen sich aus dem Arbeitsmarkt zurück
Die neuesten Zahlen zeigen, dass die Corona-Krise den Arbeitsmarkt mit voller Wucht traf. Saisonbereinigt gab es im 2. Quartal rund 58 000 Stellen weniger als Ende 2019. Die Erwerbstätigenzahl ging in dieser Periode gar um 106 000 Personen zurück. Gleichzeitig wurde seit Beginn der Krise für über einen Viertel aller Beschäftigten Kurzarbeit abgerechnet. Der starke Rückgang der Erwerbstätigkeit hat sich nur ungefähr zur Hälfte in einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen niedergeschlagen. Dafür verantwortlich ist ein Phänomen, das in seinem Ausmass überraschte: Im 2. Quartal zogen sich zahlreiche Erwerbspersonen vom Arbeitsmarkt zurück. Viele, die gerne arbeiten würden, hörten auf, aktiv nach einer Stelle zu suchen.
Gegenwärtig befindet sich der Arbeitsmarkt deshalb weiterhin in einer bedeutenden Unterauslastung. Viele Betriebe beziehen immer noch für einen Teil der Belegschaft Kurzarbeit, wodurch sie ihre Aktivitäten hochfahren können, ohne neues Personal anzustellen. Die Zahl der offenen Stellen ist entsprechend tief. Zudem dürften in den nächsten Monaten weitere Betriebsschliessungen und Massenentlassungen vermeldet werden. Auch Personen, die sich entmutigt vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, dürften ihre Stellensuche wiederaufnehmen. Die KOF geht daher davon aus, dass die Arbeitslosenzahlen saisonbereinigt in der zweiten Jahreshälfte weiter leicht ansteigen werden und der Höhepunkt der Arbeitslosigkeit erst Anfang 2021 überschritten wird.
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