KOF-NZZ Umfrage unter Ökonominnen und Ökonomen: Wirtschaftsforschende bewerten die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS skeptisch
Die KOF hat gemeinsam mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) Ökonominnen und Ökonomen an Schweizer Hochschulen zum Schweizer Bankensektor und der Übernahme der Credit Suisse befragt und 167 Antworten erhalten. Fast die Hälfte der Wirtschaftsforschenden hätte eine Übernahme durch den Staat (und möglicher späterer Verkauf) als Lösung bevorzugt. Über zwei Drittel der Befragungsteilnehmenden befürchten durch die Übernahme eine Verschlechterung der Stabilität des Schweizer Bankensektors.
Nachdem der Aktienkurs der Credit Suisse (CS) in den vergangenen Monaten stark gesunken ist und die Kunden ihre Einlagen und Guthaben zunehmend von der Bank abzogen, stand die Credit Suisse Mitte März am Rande der Zahlungsunfähigkeit. Am 19. März 2023 gaben die Schweizer Regierung, die Schweizerische Nationalbank, die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht, die UBS und die Credit Suisse die Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS bekannt. Diese Entscheidung wurde in der Öffentlichkeit und unter Ökonominnen und Ökonomen stark diskutiert.
In der KOF-NZZ-Ökonomenumfrage von Ende März wurden Schweizer Wirtschaftswissenschafter gefragt, welche Massnahme ihrer Ansicht nach in der Krisensituation der Credit Suisse am Wochenende 18./19. März 2023 am ehesten hätte umgesetzt werden sollen. Mit einem Anteil von 48% wird die Option Übernahme durch den Staat (und möglicher späterer Verkauf) als bester Lösungsansatz angesehen. Vorteil dieser Alternative wäre gewesen, dass so kein für Schweizer Verhältnisse Bankriese entstanden und die Intensität des Wettbewerbs im schweizerischen Bankenmarkt erhalten geblieben wäre. Gleichzeitig wären aber mit dieser staatlichen Lösung wohl noch höhere Risiken für die Schweizer Steuerzahlenden entstanden.
Die Anwendung des Sanierungs- und Abwicklungsverfahren gemäss «Too-big-to-fail»-Regelwerk hätten 28% der Umfrageteilnehmenden bevorzugt. Dieser Notfallplan hätte vorgesehen, dass das systemrelevante Schweizer Geschäft der Credit Suisse gerettet worden wäre und der internationale Teil geordnet saniert oder abgewickelt worden wäre. Ziel dieses Vorgehens ist grundsätzlich, die Steuerzahler nicht zu belasten. Die Anwendbarkeit und Konsequenzen dieser Regeln – insbesondere im Hinblick auf das internationale Geschäft – sind in der aktuellen Situation allerdings unsicher.
Mit einem Anteil von 19% gilt die von den involvierten Institutionen gewählte Option der Übernahme durch die UBS als wenig beliebt unter den befragten Ökonominnen und Ökonomen. Für dieses Vorgehen spricht aber grundsätzlich, dass die Stabilität der (internationalen) Finanzmärkte schnell erreichbar ist und sofort mit der Sanierung der Credit Suisse begonnen wird.
Die restlichen 6% der Befragten hätten nochmals einen anderen Weg gewählt. Dazu zählen gemäss den Kommentaren der Umfrageteilnehmenden beispielsweise eine Übernahme durch eine ausländische Bank oder ein «Whatever it takes»-Statement durch die Schweizerische Nationalbank.
Übernahme wird als vorteilhaft für die UBS angesehen
Die UBS übernimmt die Credit Suisse für einen Kaufpreis von 3 Milliarden Franken. Gleichzeitig stehen der UBS staatliche Garantien und Liquiditätshilfen zu. Einerseits geht die UBS mit der Übernahme Risiken ein, zum Beispiel in Bezug auf mögliche zukünftige Kosten für Rechtsstreitigkeiten und ob die Integration der CS auch optimal gelingt. Ferner bergen die Kosten für die Reorganisation und künftige stärkere Regulierungsvorschriften Unsicherheiten. Andererseits verbessert die UBS ihre Wettbewerbsposition vor allem bei den Schweizer Firmenkunden, und das verwaltete Vermögen der UBS steigt stark. Rund drei Viertel der befragten Wirtschaftsforschende sehen die Übernahme als ein (eher) gutes Geschäft für die UBS an. Nur 12% gaben an, dass sie die Übernahme als nachteilig für die UBS ansehen.
Schweizer Finanzplatz und Bankensektor leidet
Die Ökonominnen und Ökonomen wurden zudem gefragt, wie sich die Krise der Credit Suisse und die Lösung durch die involvierten Schweizer Institutionen insgesamt auf das internationale Ansehen des Finanzplatzes Schweiz auswirkt. Die Antworten sind eindeutig: Fast 80% der Teilnehmenden an der Umfrage sind der Ansicht, dass sich das internationale Ansehen eher oder deutlich verschlechtert hat.
Auch die Auswirkungen der Credit Suisse-Übernahme auf den Schweizer Bankensektor werden derzeit stark diskutiert. In der Umfrage sollten die Teilnehmenden angeben, ob sich ihrer Ansicht nach die vier Aspekte «Kreditzugang für Schweizer Unternehmen und Privatpersonen», «Stabilität des Schweizer Bankensektors», «Qualität der Dienstleistungen des Schweizer Bankensektors» und «Kosteneffizienz des Schweizer Bankensektors» verbessert, nicht verändert oder verschlechtert haben. Die Stabilität hat sich gemäss 69% der Wirtschaftsforschenden verschlechtert, damit ist der Anteil der «Verschlechtert»-Meldungen bei diesem Aspekt am höchsten. Auch bei den beiden Aspekten Qualität der Dienstleistungen und Kreditzugang gehen mehr als die Hälfte der Befragten von einer Verschlechterung aus. Im Vergleich zu den anderen Aspekten dürfte die Kosteneffizienz am wenigsten stark beeinträchtigt sein, hier gehen 46% von einer Verschlechterung, 39% von keiner Veränderung und 15% von einer Verbesserung aus.
Die KOF-NZZ-Ökonomenumfrage
Die KOF-NZZ-Ökonomenumfrage behandelt für die Schweiz wirtschaftspolitisch relevante Themen und ist ein Instrument, um die Ansichten der akademisch forschenden Ökonomen und Ökonominnen in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Medienpartner der KOF bei der Erstellung und Interpretation der Ökonomenumfrage ist die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Im März führte die KOF gemeinsam mit der NZZ eine Umfrage zum Schweizer Bankensektor und der Übernahme der Credit Suisse durch. Die Umfrage startete am 23.03.2023 und endete am 29.03.2023. 863 Ökonomen und Ökonominnen wurden angeschrieben. Es gingen Antworten von 167 Ökonominnen und Ökonomen aus 19 Institutionen ein.
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