KOF-NZZ Umfrage: Ökonominnen und Ökonomen beurteilen Ziele und Massnahmen der Schweizer Klimapolitik

Die KOF hat in Zusammenarbeit mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) Ökonominnen und Ökonomen an Schweizer Hochschulen zur bevorstehenden Abstimmung über das Klimagesetz und weiteren aktuellen wirtschaftspolitischen Themen im Zusammenhang mit dem Klimawandel befragt. Unter den Umfrageteilnehmenden herrscht Uneinigkeit darüber, ob die im Gegenvorschlag enthaltenen Massnahmen ausreichen, um das Ziel der Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu erreichen.  

Am 18. Juni 2023 wird das Schweizer Stimmvolk über den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative (Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit KIG) abstimmen. Das Gesetz legt das Ziel von Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2050 sowie Zwischenziele für Gebäude, Verkehr und Industrie fest. Zudem sind Finanzhilfen für die Förderung neuartiger Technologien und Prozesse, für den Heizungsersatz und die Gebäudesanierung sowie für die Risikoabsicherung von Infrastrukturen vorgesehen. In der Ökonomenumfrage vom Mai 2023 wurden Schweizer Wirtschaftswissenschafter gefragt, ob die Schweiz mit den im Gegenvorschlag enthaltenen Massnahmen das Netto-Null-Emissionsziel für das Jahr 2050 erreichen kann. Unter den Umfrageteilnehmenden besteht kein Konsens: Während in etwa die eine Hälfte erwartet, dass die Schweiz dieses Ziel (wahrscheinlich) erreichen kann, hält die andere Hälfte dies (eher) nicht für möglich.

Zurzeit wird das revidierte CO2-Gesetz im Parlament behandelt. Das Gesetz umfasst Massnahmen und verlangt, dass die Emissionen im Jahr 2030 um 50% unter dem Niveau von 1990 liegen. Dabei sollen mindestens zwei Drittel der Emissionen im Inland eingespart werden. Ist diese Trennung zwischen In- und Auslandsemissionen sinnvoll? Bei rund 44% der befragten Ökonominnen und Ökonomen stösst diese Festlegung auf zwei Drittel auf Zustimmung. Jeder dritte Umfrageteilnehmende sieht hingegen eine solche Regelung als skeptisch an und würde stattdessen erlauben, dass Emissionsreduktionen unbeschränkt überall auf der Welt erzielt werden können. Befürworter von Kompensationsmöglichkeiten im Ausland argumentieren unter anderem mit der (Kosten-) Effizienz und der globalen Klimawirkung. Auf der anderen Seite des Meinungsspektrums stehen 16% der Wirtschaftswissenschafter, die ausschliesslich inländische Emissionsreduktionen anrechnen würden, wobei etwa mit der lokalen Umweltqualität und der Sicherung der lokalen Energieversorgung argumentiert werden kann.

CO2-Abgaben statt CO2-Zertifikate

Als marktwirtschaftliche Instrumente zur Reduktion des CO2-Ausstosses kommen sowohl CO2-Abgaben als auch CO2-Zertifikate (Emissionshandel) in Frage. Die Wirtschaftsforschenden wurden gefragt, welches der beiden Instrumente besser geeignet ist. Während 39% der Befragten beide Instrumente für gleich geeignet halten, favorisieren die übrigen Befragten eher CO2-Abgaben (35%) als CO2-Zertifikate (21%). Für CO2-Abgaben sprechen beispielsweise die einfachere Umsetzbarkeit und die höhere Planungssicherheit, CO2-Zertifikate sind dagegen durch die Möglichkeit des Handels ökonomisch flexibel und effizient einsetzbar. 4% halten beide Instrumente für ungeeignet.

Grenzausgleichssteuer mehrheitlich befürwortet

Im Handel mit Ländern, die weniger ambitionierte Klimaziele verfolgen als die Schweiz, kann es zu Kostennachteilen für Schweizer Firmen kommen: Dadurch können einerseits Importgüter in der Schweiz günstiger sein als Schweizer Produkte, und andererseits können Schweizer Exportgüter im Ausland teurer sein als die ausländischen Produkte. Vor diesem Hintergrund wurden die Schweizer Ökonominnen und Ökonomen gefragt, ob auf der Importseite eine Grenzausgleichssteuer (CO2-Abgabe auf Importen) und auf der Ausfuhrseite Exportsubventionen eingeführt werden sollen, um diesen Wettbewerbsnachteil der Schweizer Unternehmen zu beseitigen. Mit einem Anteil von 81% sprechen sich die Wissenschafter klar für eine Grenzausgleichssteuer bei Importen aus. Exportsubventionen wurden dagegen von mehr als drei Vierteln der Umfrageteilnehmenden abgelehnt.

Emissionshandels als sinnvoll erachtet

Seit 2008 verfügt die Schweiz über ein Emissionshandelssystem (EHS), an dem Betreiber von Anlagen mit hohen Treibhausgasemissionen teilnehmen. Dies sind insbesondere die Branchen Zement, Chemie und Pharma, Raffinerien, Papier, Fernwärme und Stahl sowie seit 2020 auch Flüge zwischen der Schweiz und der EU. In der vergangenen Handelsperiode entfielen auf die teilnehmenden Firmen etwa 10% der gesamten inländischen Emissionen. Rund drei Viertel der teilnehmenden Ökonominnen und Ökonomen würden eine Ausweitung des EHS begrüssen. 10% würden die aktuelle Abdeckung beibehalten und 13% würde sie verringern.

Die KOF-NZZ-Ökonomenumfrage behandelt für die Schweiz wirtschaftspolitisch relevante Themen und ist ein Instrument, um die Ansichten der akademisch forschenden Ökonomen und Ökonominnen in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Medienpartner der KOF bei der Erstellung und Interpretation der Ökonomenumfrage ist die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Im Mai führte die KOF gemeinsam mit der NZZ eine Umfrage zur bevorstehenden Abstimmung zum Klimagesetz und weiteren aktuellen Themen in Hinsicht auf den Klimawandel. Die Umfrage startete am 10.05.2023 und endete am 25.05.2023. 853 Ökonomen und Ökonominnen wurden angeschrieben. Es gingen Antworten von 124 Ökonominnen und Ökonomen aus 17 Institutionen ein.

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