Steuerreform in den Vereinigten Staaten

Eines der wichtigsten Anliegen der neuen Regierung in den USA ist die Reform des Steuerrechts. Hohe Grenzsteuersätze, eine umständlich definierte Steuerbasis, komplizierte Vorschriften und viele Schlupflöcher schaffen einen hohen bürokratischen Aufwand. Zur Diskussion steht eine Cashflow-basierte Besteuerung nach dem Bestimmungslandprinzip. Diese würde letztlich ausländische Firmen unter Druck setzen, ihre Produktion in die USA zu verlegen.

Ein Amerikaner verbringt ca. 8 Stunden mit der Steuererklärung, für Unternehmen dauert dies im Durchschnitt länger als einen Tag. (Quelle: Shutterstock)
Ein Amerikaner verbringt ca. 8 Stunden mit der Steuererklärung, für Unternehmen dauert dies im Durchschnitt länger als einen Tag. (Quelle: Shutterstock)

Die Erfüllung der Steuerpflicht ist eine immer grösser werdende Belastung für natürliche und juristische Personen in den Vereinigten Staaten. Die unabhängige «Tax Foundation» schätzt, dass sich das bundesstaatliche Steuerrecht seit der letzten Reform im Jahr 1986 auf ungefähr 2.4 Mio. Zeichen verdoppelt hat (Hodge, 2016). Der durchschnittliche Amerikaner verbringt nach Schätzungen dieser Institution jedes Jahr rund 8 Stunden mit der Deklarierung seines Einkommens und für Unternehmen dauert dieser Vorgang durchschnittlich länger als einen Tag.

Die Steuerordnung beinhaltet Hunderte von politisch motivierten Abzügen und Steuervergünstigungen, was zu Komplexität und Marktverzerrungen führt. Die hohen Unternehmenssteuern, die nur teilweise durch Abzüge wieder auf ein international vergleichbares Niveau gebracht werden, ermutigen Unternehmen, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern. Auch die Besteuerung von im Ausland erzielten Einkommen bei der Rückführung in die USA wird bemängelt, da sie dazu geführt hat, dass amerikanische Unternehmen mehr als 2 Bio. US-Dollar im Ausland angehäuft haben, anstatt dieses Kapital im Inland zu reinvestieren.

Vorschläge zur Steuerreform

Dementsprechend ist die Reform des Steuerrechts vor allem in republikanischen Kreisen ein wichtiges Anliegen. Das Wahlprogramm von Präsident Donald Trump hat neben Infrastrukturinvestitionen und Aussenpolitik einen starken Fokus auf fiskalische Reformen gelegt. Auch in der «A Better Way»-Agenda der konservativen Mehrheit im Repräsentantenhaus, die für die laufende Legislaturperiode von 2017–2018 als Leitfaden dient, ist die Revision des Steuerrechts ein zentraler Pfeiler.

Da nun sowohl die Exekutive als auch die beiden Kammern der Legislative republikanisch dominiert sind, stehen die Chancen für eine Steuerreform günstig. Die beiden Vorschläge ähneln sich vor allem bei der Einkommenssteuer. Sie sehen drei Klassen mit Grenzsteuersätzen von 12%, 25% und 33%, anstelle der gegenwärtig sieben Sätze von 10% bis 39.6% vor. Der niedrigste Grenzsteuersatz ist höher als bis anhin, jedoch sind die Freibeträge mehr als doppelt so hoch. Dazu kommen die Abschaffung der «Alternative Minimum Tax» für Grossverdiener, die Reduktion von Erbschafts- und Schenkungssteuern sowie die niedrigere Besteuerung von Kapitalerträgen.

Bei der Unternehmenssteuer unterscheiden sich die Vorschläge der Trump-Administration und der Republikaner im Kongress jedoch. Während der jüngst vorgestellte präsidiale Plan eine Senkung der bundesstaatlichen Unternehmenssteuer auf 15% und Importzölle auf ausgewählte Güter vorsieht, gehen die Republikaner im Kongress weiter und schlagen eine grundlegende Überarbeitung der Unternehmenssteuer vor. Ihnen schwebt eine Cashflow-ba¬sierte Besteuerung nach dem Bestimmungslandprinzip vor, wie sie in akademischen Kreisen seit mehreren Jahren diskutiert wird.

Ein völlig neuer Ansatz zur Unternehmensbesteuerung …

Die «Destination-based Cash Flow Taxation with Border Adjustment» wird beispielsweise vom amerikanischen Ökonomen Alan J. Auerbach propagiert und hat im Rahmen der Diskussion um Steuerhinterziehung in den vergangenen Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen. «Cash Flow Taxation» bedeutet, dass anstelle des Gewinns der realwirtschaftliche Geldfluss eines Unternehmens besteuert wird. Dieser ist definiert als Verkaufserlöse abzüglich Ausgaben für Vorleistungen, Investitionen und Löhne.

Der Cashflow unterscheidet sich vom Gewinn unter anderem dadurch, dass zahlungsunwirksame Posten wie Abschreibungen und Kapitalrückstellungen nicht berücksichtigt werden. Er kann weniger durch buchhalterische Massnahmen verzerrt werden und Unternehmen haben keinen Anreiz mehr, ihre Gewinne in Steueroasen zu verschieben oder in undurchsichtigen Transfers zwischen Tochtergesellschaften zu verstecken.

Abschreibungen müssten nicht mehr steuerlich bedingt in willkürlichen Verfahren über mehrere Jahre getätigt werden, da die Investitionskosten sofort abzugsfähig sind. Dadurch ergeben sich grosse Investitionsanreize. Ausserdem würde Fremdkapital keine steuerlichen Vorteile mehr vor Eigenkapital geniessen, da Zinsen nicht mehr abzugsfähig sind.

«Destination-based» bedeutet, dass die Steuer nur auf inländische Geldflüsse erhoben wird. In diesem Sinne ähnelt die vorgeschlagene Steuer einer Mehrwertsteuer, die jedoch direkt anstatt indirekt bei den Unternehmen erhoben wird, weil hier das Unternehmen und nicht der Konsument der anvisierte Steuerträger ist. Erlöse aus exportierten Gütern und Dienstleistungen sind steuerfrei. Damit entfällt der Zwang für Unternehmen, ihre im Ausland erzielten Gewinne auch dort zu horten.

Im Gegenzug können die Ausgaben für importierte Vorleistungen sowie Investitionen und Löhne im Ausland nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Daher kommt der Begriff «Border Tax Adjustment». Ein Unternehmen, das im Inland produziert, kann seine Produktionskosten von der Bemessungsgrundlage abziehen. Bezieht es die Güter jedoch im Ausland, bezahlt es eine Steuer auf die gesamten Verkaufserlöse, da keine inländischen Leistungen abgezogen werden können. Im Gespräch ist ein Steuersatz von 20%. Die Vor- und Nachteile des Besteuerungsprinzips werden in Auerbach et al. (2017) ausführlich beschrieben. Eine unilaterale Einführung in den Vereinigten Staaten dürfte jedoch auf Widerstand von verschiedenen Seiten stossen.

... dessen Umsetzung fragwürdig ist

Die neue Unternehmensbesteuerung erhöht gemäss Befürwortern die Staatseinnahmen und sorgt für stärkeres Wirtschaftswachstum. Unmittelbare Gewinner dieser Steuerreform wären exportorientierte Unternehmen, da sie auf im Ausland erzielte Erlöse keine Steuern bezahlen und somit an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Dies kommt auch den handelspolitischen Zielen der neuen Regierung entgegen.

Belastet würden Importeure, da sie die ausländischen Vorleistungen nicht mehr von ihrer Besteuerungsgrundlage abziehen können. Zu wessen Lasten die Steuerreform letztendlich geht, hängt von den Angebots- und Nachfrageelastizitäten der jeweiligen Güter ab. Ist die Importnachfrage sehr unelastisch und gibt es aufgrund von Tech-nologie- oder Arbeitskostenvorteilen ausländischer Produzenten keine konkurrenzfähigen heimischen Anbieter, dürfte ein Grossteil der Kostenerhöhungen an den Endverbraucher weitergegeben werden. Bei einer elastischen Importnachfrage müssten ausländische Anbieter jedoch mit Absatzeinbussen rechnen, weil es steuerlich vorteilhafter wird, inländische statt ausländische Vorleistungen zu beziehen oder diese selbst herzustellen.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass die erhöhte Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft mittelfristig zumindest teilweise über eine Anpassung der Wechselkurse beziehungsweise der relativen Güterpreise wieder verloren wird. Da das neue Steuerprinzip Exporte günstiger und Importe teurer macht, dürfte nämlich der US-Dollar aufwerten und somit die Wettbewerbsfähigkeit der Importeure und ausländischen Anbieter wieder erhöhen.

Auf Widerstand dürfte die Besteuerung auch bei den Handelspartnern der USA, die weiterhin quellenstaatsbasierte Steuersysteme haben, stossen. Im Gegensatz zu einer konventionellen Mehrwertsteuer gibt es eine Verzerrung durch die Diskriminierung ausländischer Arbeitskosten und ausländische Firmen bezahlen weiterhin Einkommenssteuern in ihrem Heimatland. Dies könnte dazu führen, dass Firmen sich für Produktionsverlagerungen in die USA entscheiden werden.

Dem Rest der Welt – und möglicherweise auch der Schweiz – würde damit Steuersubstrat verloren gehen. Auch würde die Steuer gegen geltendes Recht der World Trade Organization verstossen. Steuersysteme mit Grenzausgleich sind zwar bei konventionellen Mehrwertsteuern eigentlich erlaubt und auch gebräuchlich. Dies gilt jedoch nur für indirekt bei den Firmen erhobene Konsumsteuern, was bei diesem Vorschlag nicht zutrifft. Sollten die USA die vorgeschlagene Steuer einführen, müsste sich der Rest der Welt anpassen, um eine Verlagerung der realen Wertschöpfung in die USA zu umgehen. Dies dürfte eine starke Reduktion von transnationalen Produktionsketten bewirken, ähnlich wie bei einer allgemeinen Einführung oder Erhöhung von Importabgaben weltweit.

Ansprechpartner

Dr. Florian Eckert
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