Verschuldung im Euroraum (3/3): Die privaten Haushalte und nicht finanziellen Unternehmen

Die Schuldenquote des nicht finanziellen Privatsektors im Euroraum hat sich seit dem Höhepunkt im Jahr 2009 stabilisiert und ist zuletzt sogar wieder etwas gefallen. Im Gegensatz zur guten Konjunktur vor den Krisenjahren ist der Aufschwung deshalb zurzeit nicht schuldengetrieben. Das Niveau der Verschuldung liegt jedoch im historischen Vergleich nach wie vor auf einem hohen Niveau und die Entwicklung in den einzelnen Ländern verläuft unterschiedlich.

Grafik Euro Geld

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass eine hohe Verschuldung des nicht finanziellen Privatsektors negative Effekte auf das zukünftige Wirtschaftswachstum haben kann. Eine moderate Verschuldung hilft, den privaten Konsum über mehrere Perioden hinweg zu glätten, und führt so zu einem stabileren Wachstumspfad. Bei einem hohen Verschuldungsgrad hingegen müssen Haushalte ihre Sparquote erhöhen, um ihre Schuldenverpflichtungen zu decken, und können dadurch weniger konsumieren. Unternehmen können bei hoher Verschuldung weniger investieren. Zeitgleich leidet die Kreditvergabe der Banken unter einer hohen privaten Verschuldung, da diese oft mit einem grösseren Anteil an ausfallgefährdeten Krediten einhergeht (siehe dazu auch Teil 2 unserer Serie).1

Die Schuldenquote des nicht finanziellen Privatsektors im Euroraum hatte bis zur Finanzkrise stetig zugenommen und auf dem Höhepunkt im Jahr 2009 etwa 145% des Bruttoinlandprodukts (BIP) betragen; sie ist aber seither wieder auf 139% gesunken. In Deutschland hat die private Verschuldung seit Jahren stetig abgenommen und liegt zurzeit noch bei etwa bei 100% des BIP (siehe Grafik G 3). Auch Italien, Malta, Griechenland und die osteuropäischen Mitglieder der Gemeinschaftswährung liegen unter dem Durchschnitt. Die niedrigste Verschuldungsquote findet sich mit knapp 60% in Litauen. Hohe Werte finden sich hingegen in Zypern, Irland und den Benelux-Staaten. Während die private Verschuldung in Spanien und Frankreich ungefähr auf dem Durchschnitt des Euroraums zu liegen kommt, weist sie äusserst verschiedene Dynamiken auf. In Spanien haben die private Entschuldung und die rapide wirtschaftliche Expansion zu einer kräftigen Senkung der Verschuldungsquote geführt. In Frankreich hingegen nimmt sie seit Jahren kontinuierlich zu. Auch in Griechenland kam es zu einer kräftigen Entschuldung im Privatsektor, aufgrund des starken Rückgangs der gesamtwirtschaftlichen Produktion sanken die Schulden in Relation zum BIP nur geringfügig.

private Verschuldung im Euroraum

Etwas mehr als die Hälfte der Verschuldung im nicht finanziellen Privatsektor im Euroraum entfällt auf Unternehmen, der Rest auf die Haushalte. Eine Ausnahme ist hier Deutschland, wo die Verschuldung der privaten Haushalte höher ist als jene der nicht finanziellen Unternehmen. Besonders hoch ist die Verschuldung der Unternehmen in Irland, Zypern und Luxemburg, was jedoch auf spezifische unternehmensinterne Kredite zurückzuführen ist. Der Rückgang der Schuldenquote im Euroraum ist vor allem auf den Schuldenabbau im nicht finanziellen Unternehmenssektor zurückzuführen, jedoch gibt es zwischen den einzelnen Ländern Unterschiede (siehe Grafik G 4). Während in Deutschland die Entschuldung der Haushalte weiter vorangetrieben wurde, stiegen in Frankreich sowohl der Schuldenstand der Haushalte als auch der Unternehmen weiter an. In Spanien und Portugal nahm die Schuldenquote des gesamten nicht finanziellen Privatsektors merklich ab, was eine Gegenbewegung zu den Jahren vor der Krise darstellt und dort zum kräftigen Rückgang des BIP beigetragen hatte («Deleveraging»).

Veränderung der Verschuldung 2007-2017

Aufgrund des äusserst günstigen Finanzierungsumfelds ist die Zinsbelastung des privaten Sektors in den vergangenen Jahren deutlich gesunken (siehe Grafik G 5).2 Für Unternehmen reduzierten sich die Aufwendungen für Zinsen gemessen am Einkommen seit dem Beginn der Grossen Rezession um etwa die Hälfte. Zuletzt lagen sie in den grössten Volkswirtschaften des Währungsgebietes bei etwa 5% des Bruttobetriebsüberschusses. Gleiches gilt auch für die privaten Haushalte. Diese wendeten zuletzt nur etwa 1% ihres verfügbaren Einkommens für Zinszahlungen auf. Eine geldpolitische Straffung würde zu einer höheren Zinsbelastung des privaten Sektors führen.

Verschuldungskosten für Unternehmen

Wie hoch die Belastung wäre, hängt davon ab, welcher Anteil der ausstehenden Kredite mit einem variablen Zinssatz ausgestattet ist. Der Anteil dieser Kredite an den bestehenden Krediten ist unklar, jedoch zeigen die Zahlen für das Kreditneugeschäft, dass der Anteil seit dem Ausbruch der Grossen Rezession in vielen Ländern deutlich gesunken ist. In Portugal und Spanien, wo vor der Grossen Rezession etwa 90% der neu vergebenen Hypothekenkredite variabel verzinst waren, sank der Anteil auf gut 60 bzw. 40%. Die Bedeutung variabel verzinster Hypothekarkredite reduzierte sich auch im gesamten Euroraum. Insgesamt lässt die Entwicklung darauf schliessen, dass ein verändertes Zinsumfeld zu einer höheren Belastung des Privatsektors führen wird. Die Verringerung des Anteils der variabel verzinsten Kredite im Vergleich zu den Jahren vor dem Ausbruch der Grossen Rezession legt allerdings nahe, dass diese Belastung weniger schmerzhaft sein dürfte als während der letzten Zinsanhebungsphase.

1 Siehe hierzu: Myers, S. C., “Determinants of Corporate Borrowing”, Journal of Financial Economics, Vol. 5, Issue 2, 1977, pp. 145-75 oder Mian, A.R., A. Sufi and E. Verner, “Household debt and business cycles worldwide”, National Bureau of Economic Research Working Papers No 21581, issued September 2015.

2 Gleichzeitig sind natürlich auch die Zinseinnahmen gefallen.

Verschuldung im Euroraum

Die ersten beiden Artikel zur Verschuldung im Euroraum finden Sie hier:

Verschuldung im Euroraum (1/3): Die öffentlichen Haushalte

Verschuldung im Euroraum (2/3): Der Finanzsektor

Kontakt

Keine Datenbankinformationen vorhanden

Kontakt

Dr. Florian Eckert
  • LEE G 209
  • +41 44 632 29 80
  • vCard Download

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert