Die wichtigsten Fragen zum Brexit und zu den Handelsbeziehungen

Mitte März stehen wichtige Entscheidungen zum Brexit an. Nach wie vor ist unklar, ob es zu einem geregelten oder ungeregelten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU kommt – oder ob erneut abgestimmt wird. Die Schweiz und das Königreich unterzeichneten im Februar ein bilaterales Handelsabkommen, das die Beziehungen nach dem Brexit regeln würde. Welche Bedeutung die Länder füreinander haben und wie sie mit der restlichen EU verbunden sind, zeigt dieser Beitrag. 

Quelle: Shutterstock
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Welche Bedeutung haben die beiden Länder als Handelspartner?

Der Anteil der Schweizer Exporte von Waren und Dienstleistungen in das Vereinigte Königreich beträgt 5.7% beziehungsweise 7.7% gemessen an den Schweizer Gesamtwaren- und Gesamtdienstleistungsexporten (siehe T 1). Das Vereinigte Königreich ist für die Schweiz der sechstwichtigste Absatzmarkt für Waren. Umgekehrt beträgt der Anteil der britischen Exporte von Waren und Dienstleistungen in die Schweiz 2.2% beziehungsweise 4.5% gemessen an den gesamten britischen Waren- und Dienstleistungsexporten.

Schweizer Exporte in das Vereinigte Königreich sowie britische Exporte in die Schweiz im Jahr 2017

Welche Waren werden zwischen dem Vereinigten Königreich und der Schweiz gehandelt?

Der Edelmetallhandel (Gold, Silber u. ä.) zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich ist sehr rege. Entsprechend fallen 41% aller Schweizer Exporte in das Vereinigte Königreich in die Kategorie Edelmetalle (siehe G 1). Mit 31% sind Chemie- und Pharmaprodukte die zweitgrösste Exportkategorie, gefolgt von Uhren und Präzisionsinstrumenten (10%) sowie Maschinen (7%). Die Schweiz verzeichnete gegenüber dem Vereinigten Königreich in den vergangenen Jahren mehrheitlich ein Warenhandelsbilanzdefizit, was im Kontrast zum anhaltenden Warenhandelsüberschuss mit der gesamten Welt steht. Bereinigt um den Edelmetallhandel, ergibt sich allerdings ein Bilanzüberschuss der Schweiz im Warenhandel mit dem Vereinigten Königreich.  

Schweizer Warenexporte in das Vereinigte Königreich nach Warenarten im Jahr 2017

Welche Bedeutung hat das neue Handelsabkommen für das Vereinigte Königreich und die Schweiz?

Laut offiziellen Angaben umfasst das kürzlich geschlossene Handelsabkommen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich circa drei Viertel desjenigen schweizerisch-britischen Warenhandelsvolumens, das bis dato im Rahmen der Schweizer Verträge mit der EU abgedeckt wurde. Immerhin beinhaltet das neue Abkommen die für die Schweiz wichtigen Pharmagüter. Das Vereinigte Königreich kann nur bedingt vom Handelsabkommen mit der Schweiz profitieren, da der Dienstleistungshandel – der grösstenteils im Abkommen nicht enthalten ist – für das Land im internationalen Vergleich verhältnismässig wichtig ist. So sind lediglich 56% aller Exporte Warenexporte und 44% Dienstleistungsexporte (siehe T 2). Für die Schweiz macht hingegen der Güterhandel unter Berücksichtigung von nicht monetärem Gold 72% aller Exporte aus. Ohne nicht monetäres Gold beträgt der Anteil 67%, derjenige für Dienstleistungen 33%. Wenn man zusätzlich die volatilen Komponenten wie die übrigen Wertsachen und den Transithandel ausschliesst, beträgt der Anteil des Warenhandels für die Schweiz lediglich 63%, Dienstleistungen machen 37% aus.

Bedeutung von Waren- und Dienstleistungshandel

Wie wichtig ist die EU-27 für das Vereinigte Königreich und umgekehrt?

Die EU-27 (die EU ohne das Vereinigte Königreich) ist mit Abstand der wichtigste Absatzmarkt für britische Güter. Insgesamt exportierte das Vereinigte Königreich im Jahr 2017 Waren im Wert von rund 189 Mrd. Franken in die restlichen EU-Länder. Dies entspricht gut 48% aller Warenexporte. Weitere wichtige Handelspartner sind die Vereinigten Staaten mit 11% und China mit 5.6% aller Warenexporte. Damit ist China in etwa so wichtig für das Vereinigte Königreich wie Irland. In absoluten Zahlen ist das Vereinigte Königreich wichtiger für die EU als andersherum. Die restlichen EU-Länder exportierten 2017 Waren im Wert von 330 Mrd. Franken in das Vereinigte Königreich. Dies entspricht jedoch nur knapp 7% aller Warenexporte der restlichen 27 EU-Länder.

Wie wichtig ist die EU-27 für die Schweiz und umgekehrt?

Auch für die Schweiz stellt die EU den wichtigsten Handelspartner dar. 2018 wurden Waren im Wert von 112 Mrd. Franken in die 27 EU-Länder exportiert, was gut 48% aller Warenexporte entspricht. Weitere wichtige Schweizer Handelspartner waren im vergangenen Jahr die Vereinigten Staaten mit 16.2% und China mit 5.2% aller Warenexporte. Die Bedeutung der Schweiz für die restlichen 27 EU-Länder ist deutlich geringer. Mit 135 Mrd. Franken gingen lediglich 3% aller Warenexporte der EU-27 in die Schweiz.

Wie hat sich das Vereinigte Königreich seit seinem EU-Beitritt 1973 wirtschaftlich entwickelt? Und wie die Schweiz im selben Zeitraum?

Das kaufkraftbereinigte Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs im Vereinigten Königreich seit 1973 deutlich stärker als das Pro-Kopf-BIP der Schweiz (siehe G 2). Vor allem in den 1990er Jahren entwickelte sich die Schweiz wirtschaftlich deutlich weniger dynamisch. Allerdings legte die Schweiz seit Mitte der 2000er Jahre wieder stärker zu als das Vereinigte Königreich. Zudem ist das absolute, kaufkraftbereinigte Pro-Kopf-BIP der Schweiz auch heute noch fast eineinhalb Mal so hoch wie dasjenige des Vereinigten Königreichs.

Reales Bruttoinlandprodukt pro Kopf zu Kaufkraftparitäten

Mit welchen Ländern konnte das Vereinigte Königreich seit dem Brexit-Beschluss Handelsabkommen abschliessen? Mit wie vielen Ländern unterhält die Schweiz derzeit Handelsabkommen?

Das Vereinigte Königreich profitiert als EU-Mitgliedsland von den durch die EU abgeschlossenen Handelsabkommen mit 70 Ländern weltweit (siehe G 3). Bis zum Brexit muss es diese Abkommen replizieren, um weiterhin Zugang zu diesen Märkten zu haben. Bis dato konnte das Vereinigte Königreich bei diesem Versuch lediglich mit zwölf Ländern ein Abkommen schliessen. Die Schweiz hat die Möglichkeit, eigene Handelsabkommen weltweit zu schliessen. Aktuell hat die Schweiz mit 45 Ländern ein solches Abkommen.  

Handelsabkommen mit Ländern ausserhalb der EU

Schafft es das Vereinigte Königreich, die restlichen Handelsverträge noch abzuschliessen?

Es ist unwahrscheinlich, dass das Vereinigte Königreich bis zu einem allfälligen Austritt aus der EU am 29. März alle noch fehlenden Abkommen replizieren kann. Mit gut 30 Ländern werden Verhandlungen geführt, darunter mit wichtigen Handelspartnern wie Südafrika, Südkorea und Norwegen (siehe G 4). Mit 20 Ländern ist der Abschluss bis zum Brexit-Termin sehr unwahrscheinlich. Unter diesen Ländern befinden sich Mexiko, Ägypten und die Ukraine. Mit wichtigen Handelspartnern wie Japan und der Türkei, die jeweils knapp 2% aller Güterabsätze ausmachen, ist eine Einigung bis zum Brexit nicht möglich. Insgesamt dürfte das Vereinigte Königreich nach dem Austritt aus der EU weltweit deutlich geringeren Marktzugang haben.  

Stand der britischen Verhandlungen zu neuen Handelsabkommen (Anzahl Länder)

Wie könnten die zukünftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU aussehen?

Die derzeitigen Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich drehen sich um die Modalitäten des Austritts und der zukünftigen Beziehungen. Das National Institute of Economic and Social Research (NIESR), ein britisches Partnerinstitut der KOF, hat die Optionen des Vereinigten Königreichs für die künftige Beziehung zur EU in einem Schema zusammengefasst, dem sogenannten Brexit-Dreieck (siehe G 5). Und es hat die Optionen mit den Lösungen verglichen, die die Schweiz und andere Länder gewählt haben. In ihren im Sommer 2018 publizierten Verhandlungszielen («White Paper») strebt die britische Regierung einen relativ weitgehenden Zugang zum EU-Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen an, bei gleichzeitig relativ geringem Integrationsgrad im Arbeitsmarktbereich (Personenfreizügigkeit) und geringen Nettobeiträgen zum EU-Budget. Der angestrebte Integrationsgrad am Güter- und Dienstleistungsmarkt übertrifft den derzeitigen Integrationsgrad der Schweiz in diesem Bereich, dagegen wird im Arbeitsmarktbereich eine deutlich geringere Integration angestrebt. Die EU pocht dagegen auf die Unteilbarkeit ihrer vier Grundfreiheiten (freier Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr) und benutzt den Zugang zu ihrem Binnenmarkt in den Verhandlungen als Faustpfand, um eine möglichst hohe Personenmobilität durchzusetzen.  

Das Brexit-Dreieck

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