Rückblick auf ein schwieriges Jahr für die wichtigsten Schweizer Handelspartner

Die globale Konjunkturdynamik war auch im vergangenen Jahr vergleichsweise schwach. Wirtschaftspolitische Unsicherheiten, der rückläufige Welthandel und eine schwache Nachfrage nach Investitionsgütern haben insbesondere in Europa und Ostasien deutliche Spuren hinterlassen. Dieser Beitrag schaut zurück auf das Jahr 2019 und beleuchtet das konjunkturelle Umfeld der Schweiz.

Besonders ausgeprägt war die konjunkturelle Schwäche in Westeuropa und damit bei den wichtigsten Handelspartnern der Schweiz (siehe Grafik G 8). In Deutschland und Italien legte die gesamtwirtschaftliche Produktion über das gesamte Jahr 2019 unterdurchschnittlich zu und in Frankreich setzten die Streiks im Dezember der bis dahin robusten Konjunktur ein jähes Ende. Selbst in Spanien, Portugal und den Niederlanden, bis anhin zuverlässige Konjunkturstützen, setzte eine Abkühlung ein. Eine gute Konjunktur wurde hingegen in Nordamerika und insbesondere in den Vereinigten Staaten verzeichnet, wo die gesamtwirtschaftliche Produktion nach dem fiskalischen Feuerwerk im Jahr 2018 auch im Folgejahr noch überdurchschnittlich zulegte. Mitverantwortlich hierfür waren auch eine positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und deutliche Reallohnzuwächse, was für gute Stimmung bei den Konsumenten sorgte.

BIP-Ausweitung 2019

Anders sieht die Situation in Lateinamerika aus, wo die Konjunktur nun schon seit einigen Jahren nicht in die Gänge kommt. In Brasilien liess eine deutliche Erholung von der langwierigen Rezession in den Jahren 2015 und 2016 weiterhin auf sich warten und in Mexiko drückte die Furcht vor weiteren handelspolitischen Auseinandersetzungen auf die Investitionstätigkeit. Die argentinische Volkswirtschaft befand sich sogar in einer tiefen Rezession, verursacht durch einen Vertrauensverlust in die fiskalische Disziplin und die strukturellen Reformfortschritte der Regierung. Selbst in Südost- und Ostasien, dem Wachstumsmotor der Welt, stellte sich im vergangenen Jahr eine Abkühlung ein. Insbesondere in China haben der Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten sowie hausgemachte Probleme deutliche Bremsspuren hinterlassen, die nur bedingt durch fiskalische und monetäre Impulse ausgeglichen werden konnten.

Turbulente Zeiten für das Verarbeitende Gewerbe

Ein Grund für die konjunkturelle Abschwächung ist zum einen die zyklische Verlangsamung nach der Hochkonjunktur im Jahr 2017. Wichtiger waren jedoch die wirtschaftspolitische Unsicherheit um den Brexit, die von den Vereinigten Staaten ausgehenden Handelskonflikte sowie ein struktureller Wandel in der Automobilindustrie in Richtung Elektromobilität. Damit einher gingen eine Umstellung von globalen Wertschöpfungsketten, ein spürbarer Rückgang des Welthandels und die Zurückhaltung bei der Investitionstätigkeit. Dementsprechend betraf die konjunkturelle Abflachung hauptsächlich das Verarbeitende Gewerbe und darin vor allem die Hersteller von Investitionsgütern. Diese sind exportorientierter und stärker in die globalen Wertschöpfungsketten eingebunden als Dienstleister und die Hersteller von Konsumgütern. Länder wie Deutschland, wo die Herstellung von Investitionsgütern einen grösseren Anteil an der Wertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe ausmacht, waren dementsprechend auch stärker von der konjunkturellen Eintrübung betroffen (siehe Grafik G 9; ein positiver Wert deutet auf eine optimistischere Stimmung hin im Vergleich zum langjährigen Mittelwert).

Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe

Zentralbanken wieder auf dem Gaspedal

Als Reaktion auf den realwirtschaftlichen Abschwung wurde die Geldpolitik in den grossen Währungsräumen expansiver ausgerichtet. Die Federal Reserve senkte im Jahr 2019 das Zielband für den Leitzins in drei Zinsschritten auf 1.5 bis 1.75% und begann wieder mit Anleihekäufen, um Liquiditätsengpässe am Geldmarkt zu beheben. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Zinssatz auf die Einlagefazilität auf -0.5% gesenkt und ihr Anleihekaufprogramm wiederaufgenommen. Die Zentralbanken im Vereinigten Königreich und in Japan signalisierten zumindest Bereitschaft zu einer Erhöhung des Expansionsgrads.
Stützend auf die Konjunktur dürfte sich auch die nach wie vor expansive Finanzpolitik in vielen Ländern ausgewirkt haben. In den Vereinigten Staaten wurde 2018 das grösste Budgetdefizit (in % vom BIP) in der gesamten Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verzeichnet, das Defizit im Jahr 2019 dürfte ähnlich ausgefallen sein. Im Euroraum war die Finanzpolitik im vergangenen Jahr noch expansiver als 2018. Viel Spielraum für weitere expansive Massnahmen besteht allerdings nicht (siehe Verläufe über die letzten 20 Jahre in Grafik G 10; die Schuldenstände sind hoch und das strukturelle Defizit ist in einigen Ländern grösser als der im Europäischen Fiskalpakt definierte Richtwert von 0.5%).

Grössen Europäischer Fiskalpakt

Unsicherheitsfaktoren geben sich zum Jahreswechsel die Klinke in die Hand

Die Konjunktur im vergangenen Jahr wurde durch hartnäckige wirtschaftspolitische Unsicherheitsfaktoren geprägt, diese haben jedoch zuletzt nachgelassen. So wurde der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU vollzogen und China und die USA haben ein «Phase 1»-Handelsabkommen unterschrieben, womit zumindest einige Streitpunkte beigelegt wurden. Strukturelle Fragen zu Chinas Industriepolitik oder der Subventionierung von Staatsunternehmen bleiben jedoch nach wie vor unbeantwortet.

Für einen schwierigen Start in das Jahr 2020 haben ein Aufflackern der Konflikte im Nahen Osten und der Ausbruch des neuartigen Coronavirus in der zentralchinesischen Provinz Hubei gesorgt. Weitere Unwägbarkeiten entstehen durch die Handelsgespräche zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sowie den anstehenden Wahlkampf in den Vereinigten Staaten, der von Parteilichkeit und Polemik geprägt sein dürfte. Derweil deuten einige vorlaufende Indikatoren auf eine Stabilisierung der konjunkturellen Lage hin. Eine spürbare Erholung der Weltwirtschaft dürfte jedoch noch mehrere Quartale auf sich warten lassen (siehe Grafik G 11).

Regionale Beiträge BIP-Zuwachs

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