Corona-Krise: Erste harte Zahlen aus den Vereinigten Staaten

Die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie führt zu heftigen Verwerfungen auf Güter-, Arbeits- und Kapitalmärkten. Bis die Realität in den offiziellen Statistiken und ökonometrischen Modellen ankommt, dauert es jedoch mehrere Wochen bis Monate. In den USA werden wichtige Basisstatistiken früher und detaillierter als in vielen anderen Ländern veröffentlicht. Die ersten verfügbaren Indikatoren für den März bestätigen Szenariorechnungen, die eine scharfe Rezession vorausgesagt haben.

USA

Die Auswirkungen der Eindämmungsmassnahmen hat man in den USA besonders schnell auf dem Arbeitsmarkt gesehen. Die Anträge auf Arbeitslosenhilfe sind seit Beginn des Lockdowns sprunghaft angestiegen; so machten Ende April fast 20 Mio. Amerikaner den wöchentlichen (virtuellen) Gang aufs Arbeitsamt. Dies entspricht etwa 12% der Erwerbsbevölkerung (siehe Grafik G 5). Die offizielle Erwerbslosenquote basiert auf Umfragen und beinhaltet deshalb unter anderem auch Arbeitslose, die sich nicht für Unterstützungszahlungen registriert haben. Dementsprechend liegt sie üblicherweise einige Prozentpunkte über der registrierten Arbeitslosigkeit und dürfte derzeit mehr als 15% betragen. Im Rahmen eines beispiellosen fiskalischen Stimulus wurde die maximale Bezugsdauer von Arbeitslosengeld auf 39 Wochen verlängert und gleichzeitig die Anspruchsvoraussetzungen gelockert. Dazu wird die je nach Bundesstaat unterschiedliche Arbeitslosenhilfe von 200 bis 700 US-Dollar pro Woche um 600 US-Dollar aus bundesstaatlichen Geldern aufgestockt.

Arbeitslosigkeit USA

Heftiger Einbruch bei der Autoproduktion

Geschäftsschliessungen und «Social Distancing» haben auch das Konsumverhalten der US-Amerikaner auf den Kopf gestellt. Die Detailhandelsumsätze in den Vereinigten Staaten sind bereits im März um fast 9% gegenüber dem Vormonat eingebrochen (siehe Grafik G 6). Besonders stark betroffen waren elektronische Geräte (-15%), Automobilverkäufe (-27%) und Bekleidung (-50%). Einzig die Verkäufe von Lebensmitteln legten deutlich zu (+27%). Die Konsumentenstimmung, erhoben von der University of Michigan, hat sich deutlich eingetrübt, was unter anderem eine schlechtere Beurteilung der zukünftigen finanziellen Lage der befragten Haushalte widerspiegelt.

Detailhandelsumsätze USA

Die Massnahmen zur Verlangsamung der Pandemie zielen vor allem auf soziale Interaktionen ab und machten sich dementsprechend zuerst bei konsumnahen Dienstleistungen bemerkbar. Mittlerweile ist die Krise jedoch in allen Wirtschaftssektoren angekommen. Die Industrieproduktion ist im März um 5.4% gefallen, die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe sogar um 6.4% (siehe Grafik G 7). Dies ist der heftigste monatliche Einbruch seit 1946. Mit -27% wurde der stärkste Rückgang bei der Produktion von Motorfahrzeugen verzeichnet. Dementsprechend fiel auch die Kapazitätsauslastung in der gesamten Industrie um fast 5 Prozentpunkte auf 73%. Die grossen Automobilhersteller, deren Montagebänder seit mehreren Wochen stillstehen, planen eine Wiederaufnahme der Produktion erst Anfang Mai. Für den April ist folglich eine weitere Verschlechterung zu erwarten.

Industrieproduktion

Erste Schnellschätzung zeigt BIP-Einbruch

Die erste Schnellschätzung des «Bureau of Economic Analysis» für die gesamtwirtschaftliche Produktion im ersten Quartal 2020 zeichnet ebenfalls ein düsteres Bild (siehe Grafik G 8). Das Bruttoinlandprodukt (BIP) ist mit einer annualisierten Rate von -4.8% deutlich eingebrochen. Wie erwartet lasteten vor allem die privaten Konsumausgaben auf der wirtschaftlichen Entwicklung. Exporte und Importe sind ebenfalls kräftig zurückgegangen, unter dem Strich ergab sich jedoch ein positiver Aussenbeitrag. Stützend wirkten auch die Ausgaben der öffentlichen Hand.

BIP-Wachstum

Diese BIP-Schnellschätzung dürfte angesichts der volatilen Basisstatistiken in den kommenden Monaten noch deutlich revidiert werden. Die zeitliche Verzögerung, mit der wichtige Daten verfügbar sind, birgt auch grosse Unsicherheit für Vorhersagen über die weitere wirtschaftliche Entwicklung.

Die schwierige Datenlage ist jedoch nicht der einzige Grund, warum wirtschaftliche Prognosen zurzeit sehr komplex sind. Ökonometrische Modelle vereinfachen realwirtschaftliche Zusammenhänge, die in der Vergangenheit Bestand hatten, und extrapolieren sie in die Zukunft. Ein noch nie da gewesener Schock wie die globale COVID-19-Pandemie ist dementsprechend eine grosse Herausforderung. Sie zwingt ÖkonomInnen, starke Annahmen zu treffen und in Szenarien zu rechnen.

Hinzu kommt, dass ökonomische Prognosen auch abhängig von exogenen Faktoren sind; als Beispiel ist die Dauer des Lockdowns für verschiedene Wirtschaftssektoren zu nennen. Ausserdem werden wirtschaftliche Prognosen, anders als beispielsweise Wettervorhersagen, auch von endogenen Faktoren beeinflusst. Diese kommen etwa zum Tragen, wenn Wirtschaftssubjekte ihr Verhalten und ihre Erwartungen aufgrund der Vorhersagen ändern.

Kontakt

Dr. Florian Eckert
  • LEE G 209
  • +41 44 632 29 80

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert