Investitionskontrollen: Ein globaler Trend mit Auswirkungen auf die Schweiz
Zahlreiche europäische Länder haben in den vergangenen Jahren Kontrollen von ausländischen Investitionen eingeführt. Bis zu 60% der ausländischen Investitionen unterliegen inzwischen Investitionskontrollen. Die Schweizer Bundesverwaltung arbeitet an der Vernehmlassungsvorlage für diese neuen Investitionseinschränkungen.
Weltweit sind ausländische Direktinvestitionen über die vergangenen Jahrzehnte weitestgehend kontinuierlich und stark gewachsen (siehe Grafik G 8). In den vergangenen Jahrzehnten wurde im Zusammenhang mit Investitionen insbesondere über attraktive Bedingungen für Investoren diskutiert. Ausländische Investitionen bringen Kapital und Wissen ins Land, was die Wertschöpfung erhöht und zum Erhalt sowie der Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt. Seit einigen Jahren werden Investitionen jedoch vermehrt auch aus dem Blickwinkel der öffentlichen Ordnung und nationalen Sicherheit betrachtet, denn Investitionen führen zu einer Veränderung der Besitzverhältnisse von inländischen Unternehmen. Damit erhalten die Investoren Zugang zu Informationen und Technologien, die sensibel oder sicherheitsrelevant sein können. Risiken wie Spionage und Sabotage, die mit ausländischen Investitionen einhergehen können, sind natürlich schon lange bekannt. Besonders sensible Bereiche wie militärische Aktivitäten und Ausrüstung sowie zentrale Infrastrukturen sind daher in vielen Ländern entweder in Staatsbesitz, werden vom Staat engmaschig kontrolliert, bedürfen spezieller Lizenzen oder der Zugang wird ausländischen Investoren gänzlich untersagt. Dies trifft auch auf die Schweiz zu.
Allerdings haben sich die Risiken von ausländischen Investitionen in der Wahrnehmung zahlreicher Staaten verändert. Dies liegt einerseits an der Privatisierung und Liberalisierung gewisser Sektoren von sensiblen Investitionen, die vorher in Staatshand waren, sowie an der Digitalisierung, welche den Zugriff und Transfer von sensiblen Informationen und Technologie vereinfacht. Zudem gab es von 2010 bis 2017 ein starkes Wachstum von chinesischen Investitionen in europäische Firmen, ausgehend allerdings von einem sehr tiefen Niveau (siehe Grafik G 9). Eigene Berechnung beruhend auf Daten des Bureau van Dijk zeigen, dass chinesische Investoren nur an 1.6% aller internationalen Firmenzusammenschlüsse und -übernahmen (M&A) beteiligt waren, die in Europa zwischen 2007 und 2021 abgeschlossen wurden. Einige dieser Übernahmen haben in der Politik und der öffentlichen Debatte zu Diskussionen über die einseitigen Investitionsmöglichkeiten und dem non-reziproken Wissenstransfer zwischen China und Europa geführt. Diese Diskussion dürfte neben den tatsächlichen Sicherheitsbedenken die Popularität von Investitionskontrollen als politische Massnahme erhöht haben.
Die Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen soll Gefährdungen oder Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit abwenden. Investitionskontrollen können dazu führen, dass Investitionen verboten werden, viel häufiger jedoch werden Investitionen nur unter Bedingungen wie beispielsweise Lieferversprechen erlaubt. Investitionskontrollen dürften zudem gewisse Investoren auch abschrecken. Die USA führten bereits 1975 eine Investitionskontrolle ein, um Sorgen über Investitionen aus Ländern der Organisation der Erdöl exportierenden Ländern (OPEC) zu begegnen. Auch andere Länder wie Australien oder Japan kennen seit vielen Jahren eine Form der Investitionskontrolle. Im vergangenen Jahrzehnt wurden in zahlreichen weiteren Ländern Investitionskontrollen eingeführt, insbesondere in Europa (siehe Grafik G 10). Auch die Europäische Union ist aktiv geworden. Die Verordnung (2019/452) der Europäischen Union schreibt zwar nicht die Einführung von nationalen Investitionsprüfungen vor, aber legt einen Rahmen für Investitionskontrollen fest und koordiniert Investitionsprüfungen mit Bedeutung für andere EU-Staaten. Neben den Industrieländern interessieren sich zunehmend auch Transitionsländer für Investitionskontrollen (OECD, 2022).
Länder mit Investitionskontrollen haben in den vergangenen zehn Jahren häufig mehrfach ihre Gesetze geändert, um Schwellenwerte zu senken, kritische Sektoren zu ergänzen sowie klare Prozesse und Kriterien für die Investitionskontrollen festzulegen. Gerichtlicher Einspruch gegen Entscheidungen der Investitionskontrolle kann in den meisten Ländern nicht erhoben werden. Zudem bestehen (noch) keine international einheitliche Berichtspflichten über die Anzahl der geprüften oder verbotenen Übernahmen. Aus einigen Ländern ist allerdings bekannt, dass die Anzahl der geprüften Investitionen stark ansteigt (OECD, 2020). In Deutschland wurden 2020 beispielsweise 160 Übernahmen inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren geprüft, wobei relevante Sicherheitsrisiken in nahezu allen Fällen durch vertragliche Vereinbarungen reduziert werden konnten. Nur ein Projekt wurde verboten. Wie das aktuelle Beispiel des deutschen Chip-Herstellers Siltronic durch den taiwanischen Chip-Zulieferer GlobalWafers zeigt, können Milliarden-Deals an den langwierigen Prüfverfahren mit internationalen Dimensionen scheitern. Aktuell erhebt die KOF Konjunkturforschungsstelle Daten zur Entwicklung von Investitionskontrollen über die Länder und über die Zeit hinweg. Dies erlaubt zu analysieren, wie sich Investitionskontrollen auf die Anzahl der Unternehmenszusammenschlüsse und -übernahmen (mergers and acquisitions, M&A) und weitere Variablen ausgewirkt haben.
Die Investitionskontrollen verschiedener Länder unterscheiden sich in verschiedenen Dimensionen. Dies zeigt sich beispielsweise bei den Schwellenwerten, die für eine Prüfung angesetzt werden. In den meisten Ländern mit Investitionskontrollen wird die Übernahme ab Stimmanteilen von 10-25% geprüft, in Japan seit 2019 bereits ab 1%. Der Trend geht ganz klar in Richtung niedriger Schwellenwerte.
Zudem werden Investitionskontrollen auf eine zunehmende Anzahl von Sektoren wie künstliche Intelligenz oder Mikroprozessor-Technologien ausgedehnt (siehe Grafik G 11). Die sektoralen Definitionen sind häufig breit gefasst und umfassen zunehmend Aktivitäten mit Hochtechnologien, auch weil diese sicherheitsrelevante Anwendungen ermöglichen (können). Zahlreiche Länder haben während der ersten Monate der COVID-19-Pandemie im Frühling 2020 zudem die Sektoren Biotechnologie und Gesundheitsinfrastruktur als sicherheitsrelevant definiert oder die Prüfkriterien verschärft. Allerdings sollen diese Verschärfungen in vielen Ländern nur temporär gelten. Investitionskontrollen in ausgewählten Sektoren werden primär mit dem Schutz der öffentlichen Ordnung begründet. Allerdings darf man vermuten, dass Investitionskontrollen auch verwendet werden, um grosse oder zukunftsrelevante Unternehmen und Technologien mit strategisch wichtigem Wissen in inländischer Hand zu bewahren (Eichenauer et al. 2021). In gewissen Ländern wird neben den Sicherheitsaspekten sogar explizit geprüft, ob die ausländischen Investitionen einen Nettonutzen für das Land des Unternehmenssitzes generieren.
Die Auswirkungen von Investitionskontrollen auf Firmenzusammenschlüsse und -übernahmen sind noch unbekannt
Die OECD (2022) schätzt, dass bis zu 60% der weltweiten Direktinvestitionen einer Investitionskontrolle unterliegen. Die Investitionskontrollen sollen zwar Zusammenschlüsse und Übernahmen von Firmen möglichst nicht behindern. Nur sehr wenige Firmenzusammenschlüsse oder -übernahmen werden von den Behörden tatsächlich verboten. Laut den aktuell verfügbaren Zahlen (2018, 2019 oder 2020) wurde in diesen Jahren in Australien, Deutschland und den Vereinigten Staaten jeweils ein Projekt verboten, in Kanada zwei und in Neuseeland gar kein Investitionsvorhaben untersagt (UNCTAD, 2021b: 133). Dennoch lässt die ökonomische Theorie erwarten, dass die Kosten für die Bereitstellung aller geforderten Unterlagen für die Behörden, die Zeitverzögerung aufgrund des Prüfprozesses sowie die Unsicherheit über das Resultat des Prozesses, die insbesondere in den ersten Jahren der Umsetzung und nach Reformen hoch sein dürfte, einige ausländische Investoren abschreckt. Diese Verzerrungseffekte sind stärker bei Investitionskontrollen, welche schon absolut oder prozentual kleine Veränderungen der Besitzverhältnisse prüfen. Die Effekte der neuen Investitionskontrollen auf die Anzahl der Firmenübernahmen oder die Übernahmepreise in Europa wurden noch nicht systematisch untersucht. Ältere Studien aus den USA zeigen, dass Investitionskontrollen Unternehmenswerte reduzieren können, da weniger Wettbewerb um deren Übernahme besteht.
Die Schweizer Pläne für eine Investitionskontrolle
Die Schweiz folgt dem internationalen Trend und wird bald eine Investitionskontrolle einführen. Die Ausarbeitung einer Investitionskontrolle basiert auf der Annahme der Motion Rieder «externe Seite Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen» (18.3021). Der Bundesrat (2021) hat im August 2021 die Eckwerte einer Kontrolle von ausländischen Investitionen in inländische Unternehmen dargelegt, allerdings werden zentrale Elemente und Definitionen erst mit der Vernehmlassungsvorlage Ende März dieses Jahres vorliegen. Die Regierung ist der Ansicht, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer Investitionskontrolle ungünstig ist und das bestehende Regelwerk ausreicht (Bundesrat 2019). Dennoch nennt der Bundesrat (2021) sechs Gefährdungen oder Bedrohungen, darunter der Ausfall eines systemrelevanten Unternehmens ohne kurzfristige Alternativen, schützenswerte Personendaten, wesentliche Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche oder staatsnahe Investoren sowie kritische Abhängigkeiten des Schweizer Staates von Rüstungskomponenten und zentralen sicherheitsrelevanten IT-Systemen. Da laut Einschätzung des Bundesrats Gefährdungen primär von staatsnahen Investoren ausgehen dürften, sollen solche Übernahmen in allen Branchen gemeldet und genehmigt werden müssen. Noch ist unbekannt, in welchen Sektoren der Bund auch private Investitionen prüfen wird. International gesehen wird voraussichtlich kein strenger Schwellenwert für eine Prüfung angelegt: Eine Investitionskontrolle soll nur bei einer Kontrollübernahme des inländischen Unternehmens durchgeführt werden. In diesen Fällen erfolgt eine zweistufige Prüfung durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), wobei die zweite Stufe nur für vertiefte Genehmigungen notwendig ist. Bei Empfehlung eines Übernahmeverbots durch die Bundesämter wird der Bundesrat über das schlussendliche Verbot entscheiden, da diese Entscheidung eine politische Dimension hat und im Land des Investors kaum positiv wahrgenommen würde.
Zudem soll bei der Schweizer Investitionskontrolle die Möglichkeit zur Kooperation mit anderen Staaten sowie zu gegenseitigen Ausnahmen von der jeweiligen Investitionskontrolle bestehen. Dieser letzte Punkt deutet an, dass in den kommenden Jahren bi- und multilaterale Abkommen ausgehandelt werden könnten, in denen Staaten mit vergleichbaren Werte- und Wirtschaftssystemen gegenseitig auf die Kontrolle von privaten Investitionen (in gewissen Sektoren) verzichten würden. Dank solchen noch spekulativen Abkommen wären die Investitionsmöglichkeiten in wichtigen Partnerländern der Schweiz wieder unbürokratischer durchführbar, als sie es in den vergangenen Jahren waren.
Literaturhinweise
Bauerle-Danzman, S. und S. Meunier (2021): The big screen: Mapping the diffusion of foreign investment screening mechanisms. Unpublished Research Note.
Bundesrat (2019): externe Seite Grenzüberschreitende Investitionen und Investitionskontrollen. Bericht des Bundesrates in Erfüllung der Postulate 18.3376 Bischof vom 16. März 2018 und 18.3233 Stöckli vom 15. März 2018. Bern, Switzerland. 13.02.2019. externe Seite https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/55636.pdf
Bundesrat (2021): Bundesrat legt die Eckwerte einer Schweizer Investitionskontrolle fest. Medienmitteilung. Bern, Switzerland. 25.08.2021. externe Seite https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-84838.html
Eichenauer, V. Z., M. Dorsch, und F. Wang (2021): Investment Screening Mechanisms: The Trend to Control Inward Foreign Investment. EconPol Policy Report 34. München, Germany: Ifo Institute, University of Munich. URL: externe Seite https://www.econpol.eu/sites/default/files/2021-12/EconPol_PolicyReport34.pdf
Pohl, Joachim and Nicolas Rosselot (2020): Acquisition- and ownership-related policies to safe-guard essential security interests – Current and emerging trends, observed designs, and policy practice in 62 Economies. Paris, France: Organization for Economic Co-Operation and Development
OECD (2022): Investment policy developments in 62 economies between 16 October 2020 and 15 October 2021. Freedom of Investment Process. URL: externe Seite https://www.oecd.org/investment/investment-policy/Investment-policy-monitoring-October-2021-ENG.pdf
UNCTAD, 2021a. “Foreign direct investment: Inward and outward flows and stock.”. Geneva, Switzerland: United Nations Conference on Trade and Development. URL: externe Seite https://unctadstat.unctad.org/wds/TableViewer/tableView.aspx?ReportId=96740
UNCTAD, 2021b. “World Investment Report.” World Investment Report. Geneva, Switzerland: United Nations Conference on Trade and Development.
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