Wie gestaltet sich die Erwerbssituation von weiblichen Absolventen aus den MINT-Studiengängen?

Im Vergleich zu Absolventinnen aus Studiengängen wie Recht oder Psychologie verfügen Studentinnen aus einem MINT-Studium ein Jahr nach Abschluss über höhere Gehälter, sind eher unbefristet beschäftigt und üben eher eine Führungsfunktion aus. Auch fünf Jahre nach Abschluss üben vier von fünf MINT-Absolventinnen eine Tätigkeit aus, für welche ein Abschluss aus ihrem Fach­bereich erforderlich ist. Insgesamt scheinen MINT-Absolventinnen zufrieden mit ihrer Erwerbs­situation zu sein.


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2021 waren nur 26% der Masterabschlüsse von Studentinnen im MINT-​​Bereich

In einer digitalisierten Wissensökonomie kommt Arbeitskräften mit Ausbildungen in den Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) eine zentrale Rolle zu und Stellen in diesem Bereich gelten als besonders attraktiv. Trotzdem schliessen heute weit weniger Frauen als Männer ein Masterstudium in einem der MINT-Fachbereiche ab. Die meisten Masterabschlüsse von Studentinnen werden in den Fachrichtungen Recht, Psychologie und Humanmedizin erworben. Nur 26% der Masterabschlüsse von Studentinnen im Jahr 2021 erfolgten im MINT-Bereich. Bei den männlichen Absolventen lag dieser Wert bei 47% (BFS SHIS 2022).

Ein früherer Bulletin-Artikel zu den Geschlechtsunterschieden im MINT-Bereich (Ausgabe 2020/10) analysierte verschiedene Erklärungsfaktoren im Bildungswesen, um den tieferen Frauenanteil im MINT-Bereich zu erklären. Dieser Beitrag fokussiert nun auf mögliche Ursachen auf dem Arbeitsmarkt. Dabei stehen folgende Fragen im Zentrum: Wie gestaltet sich die Erwerbssituation von Absolventinnen aus dem MINT-Bereich? Könnte es sein, dass es weniger MINT-Absolventinnen gibt, weil ihre Erwerbssituation im Vergleich zu den männlichen MINT-Absolventen oder den Absolventinnen aus anderen Studiengängen schlechter ist?

Die Analysen stützen sich auf die externe Seite Erhebung bei den Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen (EHA) des Bundesamts für Statistik (BFS), welche alle Absolventinnen und Absolventen ein und fünf Jahre nach ihrem Abschluss zu ihrer Erwerbssituation befragt. Die Auswertungen basieren auf den Erstbefragungen aus den Jahren 2015, 2017 und 2019 und der Zweitbefragung aus dem Jahr 2021 (erste Welle 2017). Die Rücklaufquote für die erste Welle liegt im Schnitt bei 60%, bei der zweiten Welle bei 65% der erhaltenen Antworten der ersten Welle. Alle Auswertungen fokussieren auf die Erwerbssituation von Absolventinnen und Absolventen mit einem Masterabschluss einer universitären Hochschule und basieren auf den Antworten von circa 3000 MINT-Absolventinnen bzw. total 23 000 Absolventinnen und Absolventen. Alle Antworten werden gewichtet, um repräsentative Ergebnisse zu erzielen.

T 1: Welche Berufe üben die Absolventinnen im MINT-Bereich ein Jahr nach Abschluss aus? Was sind die häufigsten Anstellungsbedingungen?

Ein Jahr nach Studienabschluss sind 96% der MINT-Absolventinnen erwerbstätig. Zwischen den Fachrichtungen gibt es hier kaum Unterschiede. Die fünf am häufigsten ausgeübten Berufe sind: intellektuelle und wissenschaftliche Berufe; Architektinnen und Innenarchitektinnen; Apothekerinnen; Biologinnen; Ingenieurwissenschafterinnen.

Die MINT-Absolventinnen verdienen im Schnitt 60 000 Fr., was über den Einkommen von Absolventinnen aus den Studiengängen Recht oder Psychologie liegt, jedoch unter dem durchschnittlichen Bruttoeinkommen der männlichen MINT-Absolventen. 71% der MINT-Absolventinnen arbeiten Vollzeit, doch auch Teilzeitpensen sind verbreitet: Fast jede vierte Absolventin aus einem MINT-Studiengang hat ein Pensum zwischen 50% und 89%.

Nach Masterabschluss beginnen knapp 30% der MINT-Absolventinnen und Absolventen zuerst ein Doktorat. Gleichzeitig üben 14% der MINT-Absolventinnen ein Jahr nach Studienabschluss bereits eine Position mit Führungsfunktion aus, weit mehr als bei den anderen Studiengängen.

T 2: Wie verläuft der Bewerbungsprozess?

Absolventinnen und Absolventen aus einem MINT-Studium finden relativ leicht eine Anstellung: Im Schnitt müssen sie sich nur knapp 15 Mal bewerben, um eine Stelle zu finden, weniger häufig als die Absolventinnen aus den anderen Studiengängen.

Gleichzeitig geben 60% der Absolventinnen an, Schwierigkeiten gehabt zu haben, eine Stelle zu finden, die auch den eigenen Erwartungen entspricht. Dies ist vergleichbar mit den Erfahrungen von Absolventinnen aus den anderen Studienrichtungen und sogar weniger als bei den männlichen MINT-Absolventen. Hervorzuheben ist jedoch, dass circa 10% der Absolventinnen – über alle Studienrichtungen hinweg – angeben, dass diese Schwierigkeiten in Zusammenhang mit ihrem Geschlecht stehen. Nur 2% der MINT-Absolventen erwähnen ähnliche Schwierigkeiten.

69% der MINT-Absolventinnen würden im Rückblick den gleichen Studiengang wiederwählen, 7 Prozentpunkte weniger als die männlichen MINT-Absolventen.

T 3: Wie zufrieden sind MINT-Absolventinnen mit ihrer beruflichen Situation?

Die MINT-Absolventinnen scheinen ein Jahr nach Masterabschluss zufrieden mit ihrer Erwerbssituation zu sein. Im Vergleich zu Absolventinnen aus anderen Studiengängen ist besonders die Zufriedenheit mit dem Einkommen, aber auch mit den Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten höher. Auch der Raum für Privat-/Familienleben und das Arbeitsklima werden vergleichsweise positiv bewertet. 81% der MINT-Absolventinnen sind zufrieden oder sehr zufrieden in Bezug auf das Arbeitsklima. Trotzdem gibt es Unterschiede zu den Absolventen: Konsistent mit den Antworten zum Bewerbungsprozess scheinen die MINT-Absolventinnen insgesamt leicht unzufriedener mit ihrer beruflichen Situation zu sein als die männlichen MINT-Absolventen.

T 4: Wie gestaltet sich die Erwerbssituation 5 Jahre nach Abschluss?

MINT-​Absolventinnen scheinen positive Erwerbssituation zu haben

96% der MINT-Absolventinnen sind fünf Jahre nach Abschluss erwerbstätig, wovon 67% mit einem Vollzeitpensum beschäftigt sind. Obwohl im MINT-Bereich weit weniger Absolventinnen als Absolventen eine Vollzeitstelle ausüben, ist der Anteil im Vergleich zu Absolventinnen aus dem Studiengang Psychologie oder den anderen Studiengängen eher hoch.

Im Gegensatz zum Einkommen ein Jahr nach Abschluss liegt das Einkommen von MINT-Absolventinnen unter dem Einkommen von Absolventinnen aus dem Studiengang Recht. Etwas überraschend liegt auch das auf ein Vollzeitäquivalent standardisierte Einkommen der MINT-Absolventinnen unter dem Einkommen der Absolventinnen aus den anderen Fachrichtungen.

79% der MINT-Absolventinnen geben an, dass für ihre Tätigkeit ein Abschluss im eigenen Fachbereich notwendig ist, was leicht höher ist als der Anteil der meisten anderen Studiengänge.

Basierend auf dieser einfachen deskriptiven Analyse scheint es, dass die MINT-Absolventinnen insgesamt über eine vergleichsweise positive Erwerbssituation nach Masterabschluss verfügen, wobei sich leichte Unterschiede zu den männlichen MINT-Absolventen und andere Absolventinnen feststellen lassen.

MINT-Fächer und die Digitalisierung

Arbeitskräfte mit Ausbildungen in den Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) sind auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt: Der jährlich erscheinende externe Seite Fachkräftemangel-Index der Universität Zürich und der Adecco Group zeigt, dass Unternehmen intensiv nach MINT-Fachkräften suchen, insbesondere im Zuge der Digitalisierung, die durch die COVID-Pandemie noch einmal einen Schub erhalten hat. Im aktuellen Ranking vom Sommer 2021 weisen die Berufsgruppen Ingenieurberufe, Berufe der Informatik und Techniker/innen den grössten Fachkräftemangel auf.
 

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