Die Exportwirtschaft zeigt sich robust

Der Schweizer Aussenhandel behauptet sich trotz globaler Turbulenzen und der Schwächephase von wichtigen Handelspartnern wie China oder Deutschland.

Obwohl sich der Schweizer Aussenhandel im zweiten Quartal abschwächte, bleibt er im globalen Vergleich robust. Der starke Fokus auf Branchen wie die Pharma- und Uhrenindustrie, insbesondere im Handel mit den USA, sorgt für Stabilität. Angesichts des bestehenden Inflationsdrucks und der sich verschlechternden Weltwirtschaftslage sinken jedoch die Aussichten für die Schweizer Industrie. Nach einem Handelsboom im ersten Quartal 2023, der auf die Beseitigung der Lieferengpässe zurückzuführen ist, dürfte sich die jährliche Wachstumsrate für den Rest des Jahres verlangsamen. Die Jahreswachstumsrate für die Exporte von Waren und Dienstleistungen (ohne Wertsachen) liegt damit bei 2.5%. Die Wachstumsprognose für die Importe wird auf 4.6% angepasst.

Welthandel im Abschwung

Die Dynamik der Weltwirtschaft hat dazu geführt, dass der anfängliche pandemiebedingte Nachfrageschub nach Gütern gegenüber Dienstleistungen nachgelassen hat, was insbesondere den chinesischen Exportsektor betrifft. Diese Verschiebung hat Auswirkungen auf den internationalen Handel und bildet die Grundlage für die Herausforderungen, denen sich der Schweizer Industriehandel gegenübersieht.

Im ersten Quartal 2023 haben sich die Lieferketten-Engpässe normalisiert und die Frachtpreise sind gesunken (siehe Grafik G 5), was zu einem kurzzeitigen Export- und Produktionsanstieg geführt hat. Die rapide Lockerung der Handelsbarrieren hat ebenfalls zu einem Aufbau von Lagerbeständen und einer anschliessenden Abflachung der Handelszahlen im zweiten Quartal 2023 geführt – ein Muster, das auch im Schweizer Industriesektor zu beobachten ist.

China steckt seit der Pandemie wirtschaftlich in Schwierigkeiten. Die Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft ist kein isoliertes Ereignis, sondern ein internationales Problem, das den Welthandel beeinträchtigt. Die chinesische Konjunkturabschwächung hat zu einem Rückgang der weltweiten Nachfrage geführt, der die wichtigsten Handelspartner der Schweiz erheblich beeinträchtigt hat. Deutschland, ein Eckpfeiler der Schweizer Industrieexporte, ist besonders anfällig für diese globalen Nachfrageschwankungen. Zudem steht die europäische Automobilindustrie vor einer weiteren Herausforderung: dem Aufstieg chinesischer Elektrofahrzeuge. Diese aufstrebende Industrie stellt eine neue Wettbewerbsbedrohung für den europäischen Automobilsektor dar, der ein wichtiger Abnehmer für Schweizer Maschinen ist.

Warenhandel: Industrie leidet, Pharma hält sich stabil

Vor dem Hintergrund des weltweiten wirtschaftlichen Gegenwinds muss sich der Schweizer Warenhandel auf gedämpfte Aussichten einstellen, die vor allem durch die wirtschaftliche Verlangsamung bei wichtigen Handelspartnern wie China und Deutschland beeinflusst werden. Nach einem ermutigenden ersten Quartal verzeichnete der Warenhandel im zweiten Quartal 2023 einen Rückgang auf breiter Front.

Der Maschinensektor, der in hohem Masse von Deutschland und China abhängig ist, verzeichnete im zweiten Quartal 2023 einen Rückgang der Exporte um 6.2% und der Importe um 7.8%. Unter Berücksichtigung des erheblichen Anteils Deutschlands an der Nachfrage nach Schweizer Maschinen von 24% droht dem Sektor ein mittelfristiger Abschwung, der durch die schwächelnde deutsche Wirtschaft noch verschärft wird (siehe Grafik G 6).

Der Pharmasektor verzeichnete nach einem starken Wachstum im ersten Quartal (+5.2%) im zweiten Quartal einen leichten Rückgang der Exporte um 1.8%. Die Widerstandsfähigkeit des Sektors hat zwei Gründe: Erstens sind Pharmazeutika konjunkturresistenter; zweitens entfällt ein grosser Teil der Schweizer Pharmaexporte auf die USA, die sich derzeit besser als erwartet entwickeln, was den Sektor zusätzlich stützt. Auch der Uhrensektor scheint sich dank der anhaltenden Nachfrage nach hochwertigen Produkten gut zu halten.

Für das kommende Jahr geht die KOF von einem gedämpften Wachstum aus. Ohne Wertsachen und Transithandel dürften die Warenexporte um moderate 1.6% zunehmen. 2025 dürfte das Wachstum bei einer stabileren internationalen Wirtschaftslage wieder an Schwung gewinnen und 3.9% erreichen. Dieser Aufschwung wird insbesondere dem Maschinensektor zugutekommen. Bei den Importen wird für 2024 ein etwas kräftigeres Wachstum von 2.3% erwartet, danach bleibt das Wachstumstempo relativ konstant. Die erwartete höhere Wachstumsrate der Warenexporte im Vergleich zu den Importen deutet auf eine Ausweitung der Handelsbilanz hin. Eine solche Entwicklung unterstreicht die strukturelle Robustheit der exportorientierten Schweizer Wirtschaft und zeigt ihre Widerstandsfähigkeit inmitten kurzfristiger Herausforderungen (siehe Grafik G 7).

Dienstleistungen: Der Puffer gegen weltwirtschaftliche Volatilität

Während der Warenhandel aufgrund der ungünstigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gedämpfte Aussichten hat, zeigt der Schweizer Dienstleistungssektor eine differenziertere Entwicklung. Gemäss der KOF-Prognose wird für das laufende Jahr ein Wachstum der Dienstleistungsexporte von 2.4% und ein deutliches Wachstum der Dienstleistungsimporte von 10.1% erwartet.

Der Tourismus bleibt eine wichtige Triebfeder des Dienstleistungssektors. Die Lockerung der internationalen Reisebeschränkungen hat dazu geführt, dass der Zustrom von Touristen, insbesondere aus den USA, die früheren Prognosen der KOF übertroffen hat und die Dienstleistungsexporte erheblich gestärkt hat. Die Zahlen des europäischen Tourismus sind stabil geblieben und der Inlandtourismus hat die ursprünglichen Erwartungen übertroffen. Allerdings ist für 2023 ein deutlicher Anstieg der Importe im Zusammenhang mit dem Tourismus zu verzeichnen. Dies wird darauf zurückgeführt, dass sich die Schweizerinnen und Schweizer vermehrt für Ferien im Ausland entscheiden und der Nachholbedarf aus den durch die Pandemie angesammelten Urlaubstagen entfesselt wird.

Bei den Finanzdienstleistungen ist ein Rückgang zu verzeichnen, während der Beratungssektor sowohl bei den Einfuhren als auch bei den Ausfuhren ein bescheidenes Wachstum verzeichnet. Mittelfristig wird der Tourismus das Importwachstum mit einer Rate ankurbeln, die die ursprünglichen Prognosen übertrifft. Im Jahr 2024 werden die Dienstleistungsexporte mit einem erwarteten Zuwachs von 6.6% voraussichtlich deutlich ansteigen, was vor allem auf die Fussball-Europameisterschaft zurückzuführen ist. Es wird jedoch erwartet, dass dieser Aufschwung im Jahr 2025 nachlässt und sich bei etwa 1.8% einpendelt. Auf der anderen Seite wird für die Dienstleistungsimporte sowohl für 2024 (+4.1%) als auch für 2025 (+3.8%) ein stetiges und robustes Wachstum prognostiziert, zu dem der Tourismus einen wesentlichen Beitrag leistet.

Leistungsbilanz: Stabilität in einer Welt der Volatilität

Der Leistungsbilanzüberschuss für das Jahr 2022 beläuft sich auf 56 Mrd. Fr., was einen moderaten Anstieg von 7.1% gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Dieser Anstieg ist hauptsächlich auf den Warenverkehr zurückzuführen. Nach einem Krisenjahr mit einem negativen Saldo hat der Überschuss wieder zu seiner alten Stärke zurückgefunden und sich auf dem Niveau von 2021 stabilisiert.

Im Bereich des Primäreinkommens hat sich die Stagnation der Reallöhne bei steigender Inflation negativ auf die Handelsbilanz ausgewirkt. Verschärft wird dies noch durch eine Zunahme der Grenzgehenden – die stärkste seit über einem Jahrzehnt –, die wahrscheinlich durch die verbesserten Möglichkeiten der Fernarbeit begünstigt wird. Auf der anderen Seite haben die Kapitaleinkünfte einen moderaten Aufschwung erlebt.

Was den Warenhandel anbelangt, so befindet sich die Leistungsbilanz weiterhin auf einem soliden Niveau, was zum grossen Teil dem Anstieg der Arzneimittelexporte im Anschluss an die Pandemie zu verdanken ist. Die wirtschaftliche Verlangsamung von wichtigen Handelspartnern wie China und Deutschland stellt jedoch eine Herausforderung dar und lässt für 2023 eine eher gedämpfte Handelsbilanz erwarten. Mit Blick auf die Jahre 2024 und 2025 geht die KOF davon aus, dass die Warenbilanz ihren Aufwärtstrend fortsetzen wird. Im Dienstleistungssektor deutet eine anteilige Anpassung des Wachstums bei den Importen jedoch auf eine moderatere Expansion hin. Während die Aussichten insgesamt stabil bleiben, wird der Leistungsbilanzüberschuss daher voraussichtlich ein gedämpftes Wachstum erfahren.

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