Trüber Ausblick für die Weltwirtschaft

Die internationale Wirtschaft hat an Dynamik verloren. Vor allem die Auswirkungen der Konjunkturschwäche Chinas sowie die restriktive Geldpolitik belasten die Weltkonjunktur.

Während die Belastungen durch die hohe Inflation nachlassen, spürt die Weltwirtschaft aktuell die Auswirkungen der Konjunkturschwäche Chinas sowie der restriktiven Geldpolitik. Die Inflationsraten haben sich von ihren zweistelligen Höchstwerten zurückentwickelt und auch die geldpolitische Straffung dürfte ihren Höhepunkt erreicht haben. Die KOF erwartet, dass die Bremswirkung die Volkswirtschaften mit einer zeitlichen Verzögerung treffen und den weiteren Konjunkturausblick belasten wird. Der internationale Handel dürfte weiter schwächeln und spiegelt sowohl die schwache Weltnachfrage, die Verlagerung von Gütern auf Dienstleistungen, die Aufwertung des US-Dollars sowie den weiteren Aufbau von Handelsbeschränkungen wider.

Die Weltwirtschaft hat zu Beginn der zweiten Jahreshälfte 2023 weiter an Dynamik verloren, was auf nachlassende Zuwachsraten im Dienstleistungssektor und einen sich verschärfenden Abschwung im verarbeitenden Gewerbe zurückzuführen ist. Entsprechend wird gemäss der Prognose der KOF die globale Konjunkturdynamik im restlichen Jahresverlauf eher gering ausfallen (siehe Grafik G 1). Die zwar rückläufigen, aber immer noch hohen Inflationsraten und die erschwerten finanziellen Rahmenbedingungen dürften zu einer Dämpfung des privaten Konsums, des internationalen Handels und der Investitionstätigkeit führen.

Teuerung lässt weiter nach, bleibt allerdings erhöht

Die Produzentenpreisentwicklung hat sich in den vergangenen Monaten weiter normalisiert und sich für die meisten Länder weitestgehend an Wachstumsraten wie vor der Pandemie angenähert oder ist sogar rückläufig (siehe Grafik G 2). Neben dem Auslaufen von Basiseffekten ist die Normalisierung der Preissteigerungen weitestgehend auf einen Rückgang der Energiepreise sowie auf sinkende Preise für Rohstoff- und Vorleistungsgüter, infolge einer weiteren Auflösung der Lieferkettenprobleme und Materialengpässe, zurückzuführen.

Zwar bleibt die Teuerung bei den Konsumentenpreisen weltweit weiterhin erhöht, sie konnte sich dank fallender Benzin-, Gas- und Strompreise, dem Aufbau von Gasreserven, der Strompreisdeckelung in Europa, der Normalisierung der Lieferketten, der Nachfrageschwäche in China sowie dem Auslaufen von Basiseffekten weiter reduzieren (siehe Grafik G 3). Die Preissteigerung bei Nahrungsmitteln bleibt jedoch erhöht. Weiterhin führt ein angespannter Arbeitsmarkt mit starkem Lohnwachstum und hohen Unternehmensgewinnen zu Zweitrundeneffekten, die sich in die Kerninflation hineinfressen.  

Dies lässt sich vor allem für Dienstleistungen beobachten, bei denen die Inflationsraten weiter zunehmen. Die Inflation verharrte im August im Euroraum bei 5.3%, wobei die Kernrate von 5.5% auf 5.3% abnahm. In den USA nahm die Inflation in den letzten beiden Monaten sogar wieder zu und stieg im August von 3.3% auf 3.7% mit einer Kerninflation von 4.3%. Im Vereinigten Königreich nahm die Inflation von 7.9% auf 6.8% im Juli ab, während die Kerninflation bei 6.9% verharrte. Währenddessen findet in China seit August eine Deflation bei den Konsumentenpreisen statt.

Geldpolitische Straffung dürfte ihren Höhepunkt erreicht haben

Die Inflation hat in den entwickelten Volkswirtschaften stark abgenommen und dürfte aufgrund der zuletzt zunehmend restriktiven Geldpolitik sowie der abflauenden Nachfrage weiter abnehmen. Der weitere Rückgang der Inflationsraten wird jedoch etwas zäher vonstattengehen, da Basiseffekte bereits grösstenteils ausgelaufen sind und da der Ölpreis zuletzt wieder anstieg. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen seit Mai in drei Schritten um jeweils 25 Basispunkte erhöht, so dass der Hauptrefinanzierungssatz aktuell bei 4.5% liegt. Angesichts der schlechteren Konjunkturaussichten im Euroraum scheint eine weitere Zinserhöhung eher unwahrscheinlich. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die 2%-Zielmarke noch eine längere Zeit nicht erreicht werden dürfte.

Die US-Notenbank Fed hat in ihrer Sitzung im Juli das Zielband der Federal Funds Rate in einem Zinsschritt um 25 Basispunkte auf 5.25 bis 5.5% erhöht und dann zuletzt im September keinen weiteren Zinsschritt mehr vollzogen. Aufgrund der kürzlichen Entwicklung der Preisdaten sowie einer Entspannung am Arbeitsmarkt erwartet die KOF keine weiteren Zinsschritte. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern haben in den USA die zuletzt höheren Lohnkosten, Rohstoff- und Benzinpreise zu einem Anstieg der Produzentenpreise geführt, was wahrscheinlich teilweise an die Konsumenten und Konsumentinnen weitergegeben wird, so dass die Inflation etwas länger bei rund 3% verharren dürfte.

Auch die Bank of England (BoE) musste mit weiteren Zinsschritten nachlegen und erhöhte das Leitzinsniveau seit Juni von 4.5% auf 5.25%. Auch wenn die Inflation im Vereinigten Königreich weiterhin sehr hoch bleibt, entschied sich die BoE gegen einen weiteren Zinsschritt im September vor dem Hintergrund überraschend starker Rückgänge in den Inflationsraten in den letzten Monaten. Auch für die BoE erwartet die KOF aktuell keinen weiteren Zinsschritt.

Die Unsicherheit in Bezug auf die Auswirkungen der geldpolitischen Straffung, die Verzögerung der Wirkung und den angemessenen Pfad zur Normalisierung bleibt nach wie vor hoch. Sowohl für die EZB, die Fed sowie die BoE erwartet die KOF jedoch noch längere Zeit keine Leitzinssenkungen. Aktuelle Stimmungsindikatoren deuten auf eine weiter nachlassende Dynamik der globalen Produktion hin. Einkaufsmanagerindizes zeigen im August zum vierten Mal in Folge für das Verarbeitende Gewerbe sowohl einen Rückgang in der Produktion- als auch in den Auftragseingängen an, während sich im Dienstleistungssektor zunehmend eine Stagnation abzeichnet. Der Rückgang ist besonders ausgeprägt für den Euroraum und das Vereinigte Königreich und deutet auch für die USA eine Verlangsamung an.

Auch beim Arbeitsmarkt lässt sich eine Abkühlung erkennen. Der Beschäftigungsanstieg nahm in den letzten Monaten stark ab und aufgrund eines Kapazitätsüberschusses dürften Arbeitskräfte in den kommenden Monaten abgebaut werden. Im Euroraum sind die Stimmungsindikatoren zuletzt über alle Branchen hinweg gesunken und der Gesamtindex verzeichnet im August bereits den siebten Rückgang in Folge. Dies deutet auf eine geringe Dynamik in den kommenden Monaten hin (siehe Grafik G 4).

Geringe Dynamik der globalen Produktion im weiteren Jahresverlauf

Aufgrund der weiterhin erhöhten Inflation, des restriktiven Zinsumfeldes sowie schwacher Auslandsnachfrage erwartet die KOF für den Euroraum nur eine schwache Konjunktur. Die Auszahlung des NextGenerationEU-Programms sowie Reallohnzuwächse dürften die Aktivität allerdings etwas stützen. Die Entwicklung im Vereinigten Königreich war im letzten Quartal überraschend stark aufgrund von Lohnerhöhungen im öffentlichen Sektor sowie eines robusten privaten Konsums. Das Vereinigte Königreich dürfte dank des starken Bevölkerungswachstums, eines robusten Arbeitsmarkts sowie dank fiskalischer Massnahmen in diesem Jahr wachsen. Der weitere Ausblick bleibt jedoch aufgrund von Belastungen des Brexits, der beharrlich hohen Inflation und der geldpolitischen Straffung schwach.

Die Wirtschaftsaktivität in den USA ist zuletzt überraschend stark angestiegen. Die Investitionsdynamik nimmt wieder zu und eine starke Einkommensentwicklung stützt den Konsum. Jedoch deutet die mittlerweile niedrige Sparquote auf ein Aufbrauchen der Ersparnisse und damit auf eine geringere Konsumdynamik im restlichen Prognosehorizont hin.

In China war das zweite Quartal schwächer als erwartet. Das Land leidet aktuell unter einer konjunkturellen Schwächephase, die von einer Immobilienkrise und einer daraus resultierenden schwachen Konsumnachfrage geprägt ist. Die chinesische Zentralbank hat den Leitzins zwar gesenkt, ist aber weiter zögerlich, um den Yuan nicht zu stark abzuwerten. Zusätzlich zögert die chinesische Regierung mit starken fiskalischen Impulsen, um neue Schulden zu vermeiden. Diese Faktoren dürften die Aktivität der chinesischen Wirtschaft über den gesamten Prognosehorizont schwächen.

Für das Gesamtjahr 2023 prognostiziert die KOF eine Zunahme des mit Schweizer Exporten gewichteten Welt-BIP um 1.4%. Für 2024 und 2025 wird jeweils eine Rate von 1.9% und 2.2% erwartet. Dies ist eine minimale Revision im Vergleich zur Sommer-Prognose (+1.4% für 2023 und +2% für 2024).

Risiken mehrheitlich abwärtsgerichtet

Die vorliegende Prognose wurde unter der technischen Annahme erstellt, dass der Ölpreis und andere Energiepreise bis zum Prognosehorizont nur leicht ansteigen (+1.5% pro Jahr). Aufgrund des weiterhin unsicheren Umfeldes sind die Prognoserisiken mehrheitlich abwärtsgerichtet und betreffen vor allem den geldpolitischen Ausblick, das geopolitische Umfeld sowie den Zustand der chinesischen Wirtschaft.

So besteht das Risiko einer stärkeren Verfestigung der Inflation in der Kernrate aufgrund von Zweitrundeneffekten, was Zentralbanken zu weiteren Zinsschritten zwingt. Das hohe Zinsumfeld könnte zu erneuten Instabilitäten an den Finanzmärkten und zu Bankeninsolvenzen führen. Es besteht die Möglichkeit, dass das hohe Zinsumfeld in Kombination mit den hohen Staatsverschuldungen zu Turbulenzen an den Finanzmärkten führen und Staaten zu Sparmassnahmen zwingen.

Zudem birgt eine weitere Destabilisierung des chinesischen Immobiliensektors ein grosses Risiko. Sie würde die chinesische Wirtschaft noch stärker ins Stocken bringen, mit negativen Auswirkungen auf die globale Nachfrage. Schliesslich könnten geopolitische Spannungen wie eine erneute Eskalation im Krieg in der Ukraine und im China-Taiwan-Konflikt zu erneuten Rohstoffpreisschocks sowie einer Verstärkung der Ost-West-Konfrontation führen und die Globalisierung weiter schwächen.

Aufwärtsrisiken bestehen darin, dass die geldpolitische Straffung schneller und stärker wirkt und Inflationsraten schneller fallen als erwartet, wodurch die Zentralbanken bereits früher ihre Leitzinsen auf neutrale Niveaus senken könnten. Auch besteht die Möglichkeit, dass die Ersparnisse stärker abgebaut werden als bisher erwartet und den privaten Konsum stützen. Eine überraschende Konfliktbeilegung im Ukraine-Krieg sowie im Handelsstreit zwischen den USA und China würde positive Impulse auf den Welthandel haben. Und schliesslich könnte die chinesische Regierung unerwartet fiskalische Stimuli beschliessen, um die heimische Wirtschaft zu stützen, mit positiven Impulsen für die Weltwirtschaft.

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