Internationale digitale Technologiezyklen und lokale Wirtschaftsleistung

Die Entwicklung neuer digitaler Technologien hängt zunehmend von internationalem Wissen ab. Dieser Trend hat in der jüngsten Vergangenheit zu politischen Bedenken bezüglich der Abhängigkeit von ausländischen Wissenslieferanten geführt. Eine Studie der KOF, die einen globalen Patentdatensatz von 1980 bis 2015 nutzt, unterstreicht die Bedeutung internationaler Wissensnetzwerke für den technologischen Fortschritt.

Die erfolgreiche Entwicklung neuer digitaler Technologien wie Künstliche Intelligenz, Blockchain oder das Internet der Dinge erfordert den Zugang zu internationalem Wissen in verschiedenen digitalen Technologiebereichen. Das führt zu einer grossen Abhängigkeit von Wissenslieferanten aus dem Ausland. In der jüngsten Vergangenheit sind diese Abhängigkeiten aus politischen Gründen immer wieder infrage gestellt worden.

Insbesondere im Bereich digitaler Querschnittstechnologien wie Cloud Computing, Big Data und Maschinelles Lernen gibt es in vielen Ländern Anstrengungen, die Wissensproduktion in diesem Bereich zu re-nationalisieren. Ein Beispiel aus der Schweizer Perspektive könnte die Bemühung sein, Datenzentren innerhalb des Landes zu fördern, um sicherzustellen, dass sensible Daten von Schweizer Bürgern und Bürgerinnen sowie Unternehmen innerhalb der Landesgrenzen gespeichert und verarbeitet werden.

In einem KOF Working Paper mit dem Titel «Global Technology Cycles and Local Economic Performance» von Sebastian Heinrich, Samad Sarferaz und Martin Wörter zeigen die Autoren auf Basis von Daten zur weltweiten Entwicklung digitaler Technologien auf, dass die Einbindung einer Volkswirtschaft in die internationalen Wissensnetzwerke eine notwendige Voraussetzung ist, um wirtschaftlich erfolgreich neue digitale Technologien zu entwickeln.

Weltindex für IKT-Technologie und Patentzitationen

Das Forschungsteam hat einen Index für die weltweite Technologieentwicklung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie erstellt, basierend auf einem umfassenden globalen Patentdatensatz von 1980 bis 2015. Dieser Index bietet eine tiefgehende Einsicht in globale und spezifische Entwicklungen innerhalb der Technologiebranche.

Grafik G 1 zeigt den globalen Index für die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im Vergleich zu internationalen Patentzitationen. Patentzitationen sind Verweise auf frühere Patente in neuen Patentanmeldungen und können als Indikator für den Wissensfluss zwischen Ländern dienen.

Dabei wird deutlich, dass vergangene internationale Wissensflüsse durch diese Patentzitationen stark mit der aktuellen globalen Innovationsdynamik in Verbindung stehen. Wenn wir den blauen Weltindex fünf Jahre zurückversetzen, passt er am besten zur grünen Linie, die alle Länder zeigt. Aber wenn wir den gleichen Weltindex mit den USA und Japan (rot) vergleichen, müssen wir sechs Jahre zurückgehen, damit sie am besten zusammenpassen. Das könnte bedeuten, dass die USA und Japan sich schneller neues Wissen aneignen als andere Länder.

Die empirischen Einblicke in den starken Zusammenhang zwischen vergangenen Wissensflüssen und der globalen Innovationsdynamik stellt eine enge Verbindung zur Theorie über Innovation und Wirtschaftswachstum her. Dies bildet die Grundlage für die Interpretation unserer nachfolgenden Analyse der Innovationsdynamik und des Wirtschaftswachstums.

Internationale Exponiertheit und lokale ökonomische Wirtschaftsleistung

Grafik G 2 zeigt den Einfluss des globalen digitalen Technologiezyklus (Weltfaktor) auf lokale ökonomische Performance. Ein Anstieg der weltweiten Aktivitäten im Bereich der digitalen Technologie wirkt sich dabei positiv auf das Wachstum des digitalen Sektors aus. So führt beispielsweise ein Anstieg des globalen Index um 1% gegenüber dem Vorjahr zu einem Anstieg der Wertschöpfung um 0,76%.

Dieser Effekt zeigt sich auch bei den Löhnen und in geringerem Masse bei der Beschäftigung und der Arbeitsproduktivität. Interessanterweise scheinen die landesspezifischen Zyklen der digitalen Technologie (Länderfaktoren) für das Wachstum in der digitalen Technologiebranche weniger wichtig zu sein. Stattdessen sind es die gemeinsamen globalen technologischen Fortschritte, die der digitalen Technologiebranche eines Landes zugutekommen und deren Wachstum fördern.

Weitere Analysen zeigen, dass der Beitrag der globalen Technologiedynamik zum Wachstum abnimmt, wenn die globale technologische Exposition des jeweiligen Landes relativ hoch ist. Dies könnte mit dem Abfluss von Wissen und folglich mit dem zunehmenden globalen Wettbewerb zusammenhängen – der Nettoeffekt bleibt jedoch positiv. Der Beitrag und die Exposition gegenüber dem globalen technologischen Zyklus erhöhen somit die Leistung der heimischen IKT-Industrie.

Der umgekehrte Mechanismus kann für die inländische Dynamik beobachtet werden, wo der Wachstumsbeitrag mit einer vergleichsweise starken internationalen Exposition zunimmt. Dies deutet darauf hin, dass die inländische IKT-Industrie stärker von den inländischen Innovationszyklen profitiert, wenn ihre Exposition zum Welttrend relativ hoch ist. Der Grund für diesen positiven Effekt hängt wahrscheinlich mit Wissenszuflüssen aus der globalen technologischen Entwicklung zusammen, da die Forschenden starke Zusammenhänge zwischen der weltweiten Dynamik und früheren internationalen Wissensflüssen beobachten.

Zusätzlich zu dem obigen Ergebnis stellen die Forschenden fest, dass nicht nur das relative Ausmass des Engagements von Bedeutung ist, sondern auch, ob das globale Engagement ein breiteres Spektrum an Technologien umfasst. Die Ergebnisse hinsichtlich der Breite des Engagements deuten darauf hin, dass die IKT-Industrie eines Landes, das sich in mehreren digitalen Technologien an der weltweiten technologischen Spitze befindet, mehr von technologischen Synergien profitieren kann, als die Industrie durch die potenzielle Verbreitung ihres eigenen Wissens verliert.

Die USA als Positivbeispiel für Synergien im Technologiesektor

Ein prägnantes Beispiel hierfür sind die USA, die in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Cloud Computing, Halbleitertechnik und Quantencomputing führend sind. Durch ihre breit gefächerte technologische Expertise können US-Unternehmen Synergien zwischen diesen Technologiebereichen nutzen, um innovative Lösungen zu entwickeln, die auf dem globalen Markt wettbewerbsfähig sind. Es gibt also Vorteile für First-Mover, wenn die technologische Aktivität breit aufgestellt ist und die IKT-Industrie stark zum weltweiten Technologiezyklus beiträgt.

Eine technologisch vielfältige IKT-Industrie ist notwendig, um den Wissensfluss aus dem Ausland umfassend verarbeiten zu können und in den einzelnen digitalen Bereichen international wettbewerbsfähige Technologien zu entwickeln. Produkte und Dienstleistungen, die auf solchen komplexeren Technologien basieren, wie beispielsweise autonomes Fahren, sind schwerer zu imitieren, da sie eine Integration von Maschinellem Lernen, fortschrittlichen Sensorik-Technologien und umfangreicher Echtzeit-Datenverarbeitung erfordern. Dies führt zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen und der beobachteten positiven Beziehung zwischen einer starken Exposition gegenüber dem internationalen Technologiezyklus und der ökonomischen Leistung der lokalen IKT-Industrie.

Datengrundlage und Methode

Als Datengrundlage wird ein globaler Patentdatensatz verwendet, der die 35 Jahre zwischen 1980 und 2015 umfasst. Durch geokodierte Erfinder- und Anmelderdaten werden den einzelnen Patentfamilien Länderinformationen zugeordnet. Weiter wird eine Klassifizierung technologischer Felder verwendet, um detaillierte IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie)-Bereiche abzugrenzen. Für 29 Länder, welche hauptsächlich der OECD angehören, werden die jährlichen Patentinformationen um vier wirtschaftliche Indikatoren ergänzt: Wertschöpfung, Beschäftigung, Löhne und Arbeitsproduktivität. Diese Daten werden zur Errechnung des globale Technologie-Index und der darauf basierenden Analyse verwendet. Der Technologie-Index wird mittels einer dynamischen Faktorenanalyse ermittelt, einem Verfahren, das die Patentdynamik in IKT-Technologien in globale, länderspezifische und technologiespezifische Einflüsse zerlegt. Diese Analyse basiert auf der Identifikation von gemeinsamen Bewegungen, wodurch ein tieferes Verständnis der zusammenhängenden Schwankungen zwischen verschiedenen Datenreihen ermöglicht wird.

Das KOF Working Paper «Global Technology Cycles and Local Economic Performance» von Sebastian Heinrich, Samad Sarferaz and Martin Wörter finden Sie hier: externe Seite https://doi.org/10.3929/ethz-b-000611531

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KOF FB Innovationsökonomik
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

Dr. Samad Sarferaz
Dozent am Departement Management, Technologie und Ökonomie
  • LEE G 302
  • +41 44 632 54 32

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
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Prof. Dr. Martin Wörter
Dozent am Departement Management, Technologie und Ökonomie
  • LEE F 111
  • +41 44 632 51 51

KOF Konjunkturforschungsstelle
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