COVID-19-Fiskalmassnahmen: Allein die Ankündigung zeigt Wirkung

Die COVID-19-Politik der Schweiz war föderal geprägt, wobei die Kantone individuelle Unterstützungsmassnahmen ergriffen, um den wirtschaftlichen Einbruch infolge der vielfältigen Heraus­forderungen zu begrenzen. Eine aktuelle, noch unveröffentlichte Analyse dieser Massnahmen lässt vermuten, dass sie bereits zum Zeitpunkt ihrer Ankündigung die Unternehmenserwartungen in Bezug auf Nachfrage, Produktion, Beschäftigung und die allgemeinen Aussichten stabilisierten.

Die COVID-19-Pandemie führte dazu, dass zahlreiche Branchen kurzfristig stillstanden. Unternehmen sahen sich einer hohen Unsicherheit gegenüber und mussten erhebliche Schwankungen im Bereich der Nachfrage, der eigenen Produktion und der Lieferketten bewältigen. Diese Einbrüche wurden massgeblich durch weitreichende wirtschaftliche Einschränkungen im In- und Ausland verursacht, die zum Schutz der Bevölkerung erlassen wurden. Die Auswirkungen dieser Einschränkungen waren in verschiedenen Branchen spürbar, wobei einige stärker betroffen waren als andere.

Angesichts dieser Herausforderungen reagierte die Schweizer Regierung mit einem breiten Spektrum an Massnahmen. Insgesamt wurden in der Schweiz über 1300 Massnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft umgesetzt. Diese umfassten Notfallkredite, nicht rückzahlbare Zuschüsse und andere Formen der finanziellen Unterstützung. Nach den ersten Massnahmen auf Bundesebene folgten individuelle Initiativen der Kantone. Die kantonalen Massnahmen zur Unterstützung der lokalen Wirtschaft variierten sowohl hinsichtlich ihres Zeitpunkts der Implementierung als auch ihrer Art und Anzahl.

Was lernen wir aus Unternehmenserwartungen?

Erwartungen spielen eine entscheidende Rolle für wirtschaftliche Ergebnisse. In Krisen müssen Firmen trotz schnelllebigen Umständen Erwartungen bilden, um planen zu können. Welche Informationen Firmen dazu konkret verwenden, wird in der Forschung umfangreich diskutiert. In aktuellen Studien wurde empirisch gezeigt, dass Unternehmenserwartungen auch gute Indikatoren zur Bestimmung von zukünftigen Unternehmenskennzahlen wie z.B. Produktion und Preise darstellen (Enders et al. 2022; Bachmann and Elstner, 2015). Im Mittelpunkt der vorliegenden Analyse steht die Rolle staatlicher Fördermassnahmen am Beispiel von COVID-19 für die Erwartungsbildung von Unternehmen. Der Fokus liegt dabei auf Nachfrage-, Produktions-, Beschäftigungs- und Preiserwartungen.

Es ist schwer vorherzusagen, ob Unternehmen ihre Erwartungen anpassen, wenn die Regierung potenzielle finanzielle Unterstützung wie Notfallkredite oder den Aufschub von Forderungen anbietet. Zwar könnte man intuitiv annehmen, dass die Aussicht auf günstige Finanzmittel positive Erwartungen fördert, jedoch kann die anhaltende Unsicherheit infolge der Krise diese Informationen überlagern. Die Massnahmen könnten als zu unbedeutend oder zu riskant betrachtet werden. Alternativ könnten die Unternehmen die Massnahmen nicht registrieren oder ignorieren, wodurch sie potenziell keinen Erwartungseffekt zeigen.

Ankündigungen zu Unterstützungsmassnahmen stabilisieren Unternehmenserwartungen

Um die Auswirkungen von Unterstützungsmassnahmen auf die Erwartungen von Unternehmen zu untersuchen, nutzt die Analyse der KOF Ökonomen und Ökonominnen Jan-Egbert Sturm, Vera Eichenauer, Andreas Dibiasi und Remo Gurtner die Tatsache, dass die Kantone diese Massnahmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingeführt haben. Die Unternehmenserwartungen werden aus den monatlich durchgeführten KOF Konjunkturumfragen entnommen, die unter anderem qualitative Angaben zu Unternehmenserwartungen sammeln. Für die genauen Einführungszeitpunkte der Unterstützungsmassnahmen durch die Kantone wird der Datensatz von Eichenauer et al. (2024) verwendet.

Durch die Verwendung der genauen Zeitpunkte der Unternehmensfeedbacks zu ihren Erwartungen kann der Einfluss von Unterstützungsmassnahmen auf Unternehmenserwartungen mit Hilfe einer quasi-experimentellen Strategie (Difference in Differences) analysiert werden. Dabei werden Unternehmen nach Feedbackzeitpunkt und nach Betroffenheit durch spezifische Massnahmen unterteilt. Schlussendlich werden die Unterschiede in den Erwartungen der von der Ankündigung betroffenen Unternehmen mit den Erwartungen von Unternehmen desselben Sektors, die aber nicht von der Massnahme betroffen sind, verglichen. Da Vertreter beider Gruppen vor und nach der Ankündigung beobachtet werden, wird der Unterschied in Erwartungen zwischen den Gruppen als Effekt der Ankündigung interpretiert. Um die Vergleichbarkeit der Gruppen weiter zu erhöhen, wird auch die Anzahl der COVID-19-Infektionen innerhalb der Kantone sowie die Stringenz der Gesundheitsmassnahmen zum gegebenen Zeitpunkt statistisch kontrolliert (Pleninger et al., 2021).

Vergrösserte Ansicht: G 2: Ankündigungseffekte von COVID-19-Unterstützungsmassnahmen (6-Tage-Effektfenster)
G 2: Ankündigungseffekte von COVID-19-Unterstützungsmassnahmen (6-Tage-Effektfenster)

Die Ergebnisse zeigen (Grafik G 2), dass Unternehmen, die potenziell von kantonalen Unterstützungsmassnahmen profitieren, in den Tagen nach Ankündigung optimistischer sind, was ihre Produktions-, Nachfrage- und Beschäftigungserwartungen betrifft. Bei der Betrachtung der Effekte auf Tagesbasis wird ersichtlich, dass dieser Anstieg der Erwartungen besonders unmittelbar nach der Ankündigung beobachtbar ist (Grafik G 3). Das kann damit erklärt werden, dass schnelllebige Entwicklungen, die mit der Pandemie zusammenhängen, die Erwartungen der Unternehmen schon innert Tagen beeinflussen können.

Vergrösserte Ansicht: G 3: Effekt der Ankündigung einer COVID-Massnahme auf die Nachfrageerwartungen in den Tagen vor und nach der Ankündigung
G 3: Effekt der Ankündigung einer COVID-Massnahme auf die Nachfrageerwartungen in den Tagen vor und nach der Ankündigung

Versprechen als Instrument der Fiskalpolitik

Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass bereits Versprechungen der Regierung zu Erwartungsimpulsen in der Wirtschaft führen können. Die Unternehmen scheinen Informationen über kantonale Massnahmen wahr und ernst zu nehmen. Diese Erkenntnis sollte von politischen Entscheidungsträgern berücksichtigt werden, wenn es um den strategischen Zeitpunkt der Einführung von Unterstützungsmassnahmen in Krisenzeiten geht. Die Reaktion der Unternehmen auf staatliche Ankündigungen kann als Indikator für die Wirksamkeit der Massnahmen genutzt werden. Frühere Forschung hat gezeigt, dass der Anstieg von Erwartungen und die damit verbundene Zuversicht einen positiven Einfluss auf die Wirkung von staatlichen Ausgaben haben kann (Bachmann and Sims, 2012). Die beobachteten Effekte sprechen zudem für ein hohes Vertrauen in die Versprechungen der kantonalen Regierungen, da es sich um Ankündigungen und nicht um Mittelzuweisungen handelt. Eine Vertiefung der vorliegenden Analyse strebt eine umfassendere Erklärung der Erwartungsbildungsprozesse von Unternehmen an.

Literatur

Bachmann, R., & Elstner, S. (2015). Firm optimism and pessimism. European Economic Review, 79, 297–325. externe Seitehttps://doi.org/10.1016/j.euroecorev.2015.07.017

Bachmann, R., & Sims, E. R. (2012). Confidence and the transmission of government spending shocks. Journal of Monetary Economics, 59(3), 235–249. externe Seitehttps://doi.org/10.1016/j.jmoneco.2012.02.005

Eichenauer, Z. V., Gurtner, R. & Oguz, F. (2024) Swiss Fiscal COVID-19 Policy Dataset for Federal and National Level: Timing, Spending and Political Responsibility. Mimeo.

Enders, Z., Hünnekes, F., & Müller, G. (2022). Firm Expectations and Economic Activity. Journal of the European Economic Association, 20(6), 2396–2439. externe Seitehttps://doi.org/10.1093/jeea/jvac030

Pleninger, R., Streicher, S., & Sturm, J.-E. (2022). Do COVID-19 containment measures work? Evidence from Switzerland. Swiss Journal of Economics and Statistics, 158(1), 5. externe Seitehttps://doi.org/10.1186/s41937-022-00083-7

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Professur f. Wirtschaftsforschung
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