«Unser Ziel ist eine Symbiose von Konjunkturforschung und Data Science»

KOF Ökonom Samad Sarferaz

KOF Ökonom Samad Sarferaz spricht über die methodische Weiterentwicklung der KOF Konjunkturprognosen und der zugrunde liegenden Modelle. Ausserdem gibt er eine aktuelle Einschätzung zur Schweizer Konjunktur, der Inflation und der Geldpolitik.

Du hast diesen Monat die alleinige Leitung des für die KOF sehr wichtigen Forschungsbereichs «Konjunktur und Data Science» übernommen. Mit welchem «Spirit» gehst du diese neue Aufgabe an?
Ich freue mich sehr auf die neue Aufgabe. Faktisch wird sich allerdings gar nicht so viel ändern, weil ich schon zuvor ein Jahr Co-Leiter des Bereichs war und in dieser Funktion schon einige Ideen umgesetzt habe. Es ist kein harter Bruch, sondern ein fliessender Übergang.

«Wir wollen bei Prognosen noch stärker als in der Vergangenheit mehrere Modelle gleichzeitig einsetzen, um aus den Stärken der jeweiligen Modelle Erkenntnisse zu ziehen.»
Samad Sarferaz

Welche Ideen habt ihr im vergangenen Jahr umgesetzt?
Wir haben unseren vierteljährlichen Konjunkturbericht, der zuvor Teil der KOF Analysen war, als alleinstehende Publikation etabliert. Er ist nun schlanker, visueller und pointierter. Zudem haben wir ein interaktives Online-Tool zur Prognosevisualisierung entwickelt. Ausserdem haben wir ein neues Strukturgleichungsmodell mit einem innovativen Schätzverfahren entwickelt. Dieses Modell soll die Prognosequalität verbessern und Unsicherheiten präziser sowie intuitiver abbilden. Zudem werden die Output-Lücke und Konjunkturzyklen im neuen Modell eine prominentere Rolle spielen. Das Modell berechnet einen Trend als langfristigen Anker und dann eine Abweichung davon.

Wie sollen die Konjunkturprognosen methodisch weiterentwickelt werden?
Ein wichtiger Schwerpunkt liegt im Ausbau des Modellparks. Wir wollen bei Prognosen noch stärker als in der Vergangenheit mehrere Modelle gleichzeitig einsetzen, um aus den Stärken der jeweiligen Modelle Erkenntnisse zu ziehen. Damit haben wir bereits begonnen und wollen dies weiter forcieren. Unser Ziel ist es, unsere Erkenntnisse aus dem Bereich Data Science auf die Prognose der Konjunktur anzuwenden und so zu einer Symbiose der beiden Bereiche zu kommen.

«Die Positionierung der KOF zwischen akademischer Forschung und realer Wirtschaft ist für mich ein Erfolgsmodell.  »
Samad Sarferaz

Wo liegen jenseits von Konjunkturprognosen deine Forschungsschwerpunkte?
Mein Forschungsschwerpunkt ist in der empirischen Makroökonomie verortet. Mich interessiert vor allem die Wechselwirkung zwischen Geldpolitik, Fiskalpolitik und Konjunktur. Methodisch arbeite ich mit zwei Ansätzen. Zum einen mit Zeitreihenanalysen und zum anderen mit Umfrageexperimenten. Mit Zeitreihenanalysen lassen sich Kausalitäten nur mit einiger Mühe abbilden. Das ist bei Umfrageexperimenten mit Hilfe von Kontrollgruppen leichter. Dafür haben Zeitreihenanalysen den Vorteil, wirtschaftliche Zusammenhänge über längere Zeiträume besser zu erfassen und für Prognosen und Analysen nutzbar zu machen.

Ist der Spagat zwischen Konjunkturprognosen und Forschung ein Hindernis für das wissenschaftliche Arbeiten?
Nein, ganz im Gegenteil. Für meine Forschung lasse ich mich gerne von der wirtschaftlichen Realität inspirieren. Die Positionierung der KOF zwischen akademischer Forschung und realer Wirtschaft ist für mich ein Erfolgsmodell und war für mich der Grund, 2009 an die KOF zu gehen und hier so lange zu bleiben.

Die Ökonomie hat viele interessante Nachbardisziplinen wie Psychologie, Philosophie, Soziologie Politikwissenschaften oder Geschichte. Welcher dieser Bereiche interessiert dich am meisten?
Ich komme aus der Wirtschaftsgeschichte und habe auch meine Doktorarbeit in diesem Bereich geschrieben. Aus der Geschichte lässt sich viel lernen. Zum Beispiel habe ich in einem Aufsatz mit meinem Co-Autor Albrecht Ritschl gezeigt, externe Seite dass die Grosse Depression in den 30er Jahren nicht nur von den USA ausging, sondern auch in Deutschland ihre Wurzeln hatte.

Wie schätzt du und dein Team gerade die konjunkturelle Lage in der Schweiz ein?
Ab der zweiten Jahreshälfte 2024 gehen wir von einer wirtschaftlichen Erholung aus, die von der globalen Nachfrage und einer dynamischen Industrie getragen wird. Diese positive Entwicklung wird von einem Anstieg der Investitionsnachfrage begleitet. Trotz eines schwachen BIP-Wachstums rechnen wir mit solidem Beschäftigungswachstum und niedriger Arbeitslosigkeit. Zudem dürften im Prognosezeitraum auch wieder Reallohngewinne möglich sein.

Ist die Inflation besiegt?
Die Inflation ist kürzlich erneut gesunken und liegt klar im Zielbereich der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Auch in unserer Prognose gehen wir nicht von einem erneuten Ansteigen der Inflation aus. Daher können wir derzeit sagen, dass die Inflation unter Kontrolle ist und keine unmittelbare Gefahr darstellt.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinswende eingeleitet und die Zinsen um 0.25 Prozentpunkte gesenkt. Wie beurteilst du diese Entscheidung?
Die Entscheidung der EZB, die Zinsen um 0.25 Prozentpunkte zu senken, ist angesichts der aktuellen Inflationsentwicklung im Euroraum nachvollziehbar. Der EZB-Rat hat aufgrund nachlassenden Preisdrucks entschieden, den Grad der geldpolitischen Restriktion zu mässigen. Die Zinssenkung erscheint daher als sinnvoller Schritt zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung.

Welche Signalwirkung geht von der Zinswende im Euroraum auf die amerikanische Notenbank (Fed) und die SNB aus?
Die Auswirkungen der Zinswende im Euroraum auf die Fed sind begrenzt, da sich die Inflation in diesen beiden Volkswirtschaften unterschiedlich entwickelt. Während im Euroraum der Preisdruck langsam nachlässt, kämpft die Fed noch mit einer hartnäckigen, zu hohen Inflation. Dagegen kämpft die europäische Wirtschaft noch mit einer anhaltend schwachen Konjunktur. Daher haben die Zentralbanken derzeit unterschiedliche Prioritäten und Herausforderungen. Für die SNB resultiert aus der Zinswende mehr Spielraum für eine weitere Senkung des Leitzinses.  

Ansprechpersonen

Dr. Samad Sarferaz
Dozent am Departement Management, Technologie und Ökonomie
  • LEE G 302
  • +41 44 632 54 32

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

Dr. Thomas Domjahn
  • LEE G 311
  • +41 44 632 53 44

KOF Bereich Zentrale Dienste
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

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