Warum Olympia und die Fussball-EM das Schweizer BIP erhöhen

In diesem Jahr legt die Schweizer Wirtschaft gemäss der KOF Prognose um 1.6% zu. Dabei geht ein Viertel des Anstiegs auf das Konto der Fussball-EM in Deutschland und der Olympischen Spiele in Paris. KOF Ökonom Alexander Rathke erklärt die Hintergründe dieses Effekts.

In wenigen Tagen beginnt die Fussball-Europameisterschaft in Deutschland. Und nur knapp zwei Wochen nach dem EM-Finale in Berlin werden schon die Olympischen Spiele in Paris eröffnet. Diese beiden Grossereignisse sind nicht nur für Sportfans relevant, sondern auch für die Konjunkturforschung – zumindest aus Schweizer Perspektive. Denn durch EM und Olympia steigt das Schweizer Bruttoinlandprodukt (BIP) um 0.4 Prozentpunkte. Ohne die beiden Wettkämpfe würde das BIP gemäss der KOF Konjunkturprognose nur um 1.2% steigen, mit den beiden Events beträgt die Steigerungsrate 1.6%.

Wie kommt dieser Effekt zustande? «In der Schweiz sitzt neben dem Europäischen Fussballverband (UEFA) und dem Weltfussballverband (FIFA) auch das Internationale Olympische Komitee (IOC)», erklärt Alexander Rathke, Leiter der Sektion Schweizer Konjunktur, «und diese Organisationen verbuchen alle zwei Jahre durch den Verkauf von Übertragungs- und Markenrechten für EM, WM und Olympia hohe Einnahmen», so Rathke weiter. Für ein kleines Land wie die Schweiz sorgen die Einnahmen für Schwankungen des BIP, die nichts mit dem eigentlichen Konjunkturverlauf zu tun haben. Auch auf die Beschäftigung haben diese Schwankungen nur marginale Effekte. So wird das Schweizer BIP im kommenden Jahr, wenn keine sportlichen Grossereignisse stattfinden, wieder genau um die oben genannten 0.4 Prozentpunkte geschmälert (auf 1.4% statt sportbereinigt 1,8%).  

Vergrösserte Ansicht: G 1: Einnahmen IOC / UEFA EURO
G 1: Einnahmen IOC / UEFA EURO

«Das nicht bereinigte BIP gibt falsche Signale»

Aus diesem Grund berechnet die KOF grundsätzlich neben dem klassischen BIP auch das sport-bereinigte BIP. Letzteres ist für die Konjunkturbeobachtung sogar relevanter. «Das nicht bereinigte BIP gibt falsche Signale», erklärt Rathke. So sinkt die Wachstumsrate des nicht bereinigten BIP im nächsten Jahr (von 1.6% auf 1.4%), obwohl konjunkturell die Tendenz aufgrund der erwarteten weltwirtschaftlichen Erholung genau umgekehrt ist (die KOF prognostiziert sporteventbereinigt einen Anstieg der Wachstumsrate von 1.2% auf 1.8%).

Ein Land mit einem grossen BIP wie Grossbritannien kennt solche Effekte übrigens kaum, obwohl das Land zum Beispiel den Internationalen Tennisweltverband (ITF) beheimatet. Die zusätzliche Wertschöpfung fällt dort einfach kaum ins Gewicht.

Ob ein Land von der Ausrichtung eines Turniers ökonomisch profitiert, ist unklar

Vom BIP-Effekt in der Schweiz durch TV- und Lizenzeinnahmen zu unterscheiden ist der Konjunktureffekt für den Veranstalter von Sportgrossereignissen – doch der ist nicht immer positiv. «Die Ausrichtung der Fussball-Weltmeisterschaft in Südafrika und Brasilien war wirtschaftspolitisch wahrscheinlich keine gute Idee. Das Geld hätte man lieber in Schulen und Infrastrukturprojekte statt in Stadien stecken sollen, die später teils nicht mehr verwendet werden», sagt Alexander Rathke. Zwar könne theoretisch die Ausrichtung eines Turniers dem Veranstalter einen Imagegewinn bringen und den Tourismus ankurbeln. Dementgegen stehen aber hohe Opportunitätskosten und Risiken bezüglich der späteren Nutzung der Infrastruktur.

Auch von der Ausrichtung der Frauenfussball-EM 2025 in der Schweiz erwartet Rathke keinen grossen Konjunktureffekt. «Im Vergleich zu Olympischen Spielen oder einer EM oder WM im Männerfussball, sind die Einnahmen eher gering.»

Gerüchte eines Umzugs des seit 1932 in Zürich ansässigen Weltfussballverbands nach Saudi-Arabien oder in die USA machen Rathke derweil keine grossen Sorgen. «Dass viele grosse Sportorganisationen ihren Sitz in der Schweiz haben, ist eine schöne Sache, aber nicht zentral für den Wohlstand der Schweiz», so Rathke.

Ansprechpersonen

Dr. Alexander Rathke
Dozent am Departement Management, Technologie und Ökonomie
  • LEE G 303
  • +41 44 632 86 23

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

Dr. Thomas Domjahn
  • LEE F 114
  • +41 44 632 53 44

KOF Bereich Zentrale Dienste
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

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