Globaler Konjunkturmotor kommt nicht auf Touren

Die Entwicklung im Euroraum bleibt unterdurchschnittlich und die US-Wirtschaft dürfte wegen einer zunehmenden Abkühlung des Arbeitsmarkts an Dynamik verlieren. Auch aus China ist derzeit keine starke Konjunkturbelebung zu erwarten.

Nach leicht positiven Impulsen zu Jahresbeginn entwickelte sich die globale Konjunkturdynamik im zweiten Quartal 2024 nur schwach und blieb unter den Erwartungen. Während die US-Wirtschaft erneut mit einem überraschend kräftigen Zuwachs des Bruttoinlandprodukts (BIP) aufwartete, getragen von robusten Konsumausgaben und starken Ausrüstungsinvestitionen, blieben sowohl die konjunkturelle Entwicklung als auch die konjunkturelle Stimmung (siehe Grafik G 2) im Euroraum unterdurchschnittlich.

Vergrösserte Ansicht: G2: Economic Sentiment Index für den Euroraum (Index, langfristiger Durchschnitt = 100)
G2: Economic Sentiment Index für den Euroraum (Index, langfristiger Durchschnitt = 100)

Dies war vor allem auf das rückläufige BIP in Deutschland zurückzuführen, das trotz positiver Reallohnentwicklung unter der Konsumzurückhaltung der privaten Haushalte litt und durch eine schwache Investitionstätigkeit, auch aufgrund erschwerter Finanzierungsbedingungen, gebremst wurde.

Wichtige Frühindikatoren stellen keine deutliche Belebung der globalen Konjunktur in Aussicht

Während die US-Wirtschaft aufgrund einer zunehmenden Abkühlung des Arbeitsmarkts und eines rückläufigen privaten Konsums an Dynamik verlieren dürfte, ist im Euroraum mit einer moderaten Erholung zu rechnen. Vor allem der private Konsum dürfte aufgrund steigender Reallöhne und günstigerer Finanzierungsbedingungen zum Jahresende und insbesondere im Verlauf des kommenden Jahres zur weiteren wirtschaftlichen Erholung beitragen.

Starke Konjunkturimpulse aus China sind aufgrund der Probleme am Immobilienmarkt derzeit nicht zu erwarten. Für das Gesamtjahr 2024 prognostiziert die KOF eine Zunahme des mit Schweizer Exporten gewichteten Welt-BIP um 1.7% (Sommer: 1.8%). Die Prognose für 2025 liegt bei 2%, was einer Abwärtsrevision um 0.2 Prozentpunkte gegenüber der Prognose im Sommer entspricht und überwiegend der etwas niedrigeren Prognose für Deutschland geschuldet ist.

Inflationsrückgang schreitet nur zögerlich voran

Die Konsumentenpreisinflation im Euroraum und in den USA hat sich erwartungsgemäss weiter abgeschwächt, wobei der Rückgang im laufenden Jahr nur langsam voranschreitet. Dies lag mitunter daran, dass die Energiepreise zu Jahresbeginn im Vorjahresvergleich wieder leicht stiegen und positiv zur Gesamtinflation beitrugen.

Darüber hinaus lasten höhere Transportkosten, bedingt durch die Umleitung von Handelsschiffen aufgrund von Sicherheitsbedenken entlang der Suezkanalroute, auf die Produzentenpreise. Ein Teil dieser Kosten dürfte an die Konsumenten weitergegeben werden, was den Inflationsrückgang weiter dämpft. Die Kerninflation stagniert in beiden Wirtschaftsräumen seit mehreren Monaten. Sie lag im August bei 2.8% im Euroraum sowie bei 3.2% in den USA, immer noch deutlich über den Zielwerten der Notenbanken.

Die KOF prognostiziert, dass die Inflation insbesondere aufgrund anhaltend hoher Preissteigerungen im Dienstleistungssektor im Euroraum bis zum Sommer 2025 und in den USA im gesamten Prognosezeitraum über der Zielinflation der Zentralbanken verharren wird. In Japan dürfte die Konsumentenpreisinflation länger als zuletzt erwartet hoch bleiben. Auslaufende Subventionen für private Haushalte zur Senkung der Strom- und Gaspreise fallen weg, was zu einem kurzfristigen Anstieg der Energiepreise führen und den Preisdruck aufrechterhalten dürfte (siehe Grafik G 3).

Vergrösserte Ansicht: G3: Konsumentenpreise für ausgewählte Länder (Vorjahresteuerung, in %)
G3: Konsumentenpreise für ausgewählte Länder (Vorjahresteuerung, in %)

Zinssenkungszyklus wird fortgesetzt

In Anbetracht der schwachen konjunkturellen Dynamik und der rückläufigen Entwicklung der Konsumentenpreise im Euroraum hat die Europäische Zentralbank (EZB) seit Juni 2024 den Leitzins in zwei Schritten um jeweils 25 Basispunkte gesenkt, wodurch der Einlagenzinssatz aktuell bei 3.5% liegt.

Die Bank of England (BoE) folgte im August 2024 mit der ersten Zinssenkung um 25 Basispunkte, setzte den Zinssenkungszyklus in der September-Sitzung aus. Die US-Notenbank (Fed) hatte aufgrund einer nur langsam abklingenden Teuerung und der robusten Entwicklung des Arbeitsmarkts in der ersten Jahreshälfte die erste Zinssenkung aufgeschoben. Im September 2024 nahm sie schliesslich die erste Senkung um 50 Basispunkte vor.

Für das laufende Jahr erwartet die KOF eine weitere Zinssenkung um 25 Basispunkte durch die EZB und vier zusätzliche Schritte 2025. Für die BoE wird ein vergleichbarer Lockerungskurs erwartet. Die KOF erwartet eine eher vorsichtige Fortsetzung der geldpolitischen Lockerung durch die Fed mit zwei weiteren Zinssenkungen um 25 Basispunkte im Jahr 2024, gefolgt von vier Zinssenkungen im Jahr 2025. Aufgrund der höheren Inflationsdynamik in Japan erwartet die KOF im kommenden Jahr eine Zinserhöhung durch die japanische Notenbank (siehe Grafik G 4).

Vergrösserte Ansicht: G4: Tageszinssätze International (in %)
G4: Tageszinssätze International (in %)

Risiken weiterhin mehrheitlich abwärtsgerichtet

Angesichts der bestehenden geopolitischen Unsicherheiten wie dem anhaltenden Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten (siehe Grafik G 5) sind die Risiken der vorliegenden Prognose vielfältig und vorwiegend abwärtsgerichtet.

Vergrösserte Ansicht: G5: Wirtschaftspolitische Unsicherheit (Index, Quelle: Baker, Bloom, Davis: www.PolicyUncertainty.com)
G5: Wirtschaftspolitische Unsicherheit (Index, Quelle: Baker, Bloom, Davis: www.PolicyUncertainty.com)

Die handelspolitischen Konflikte, insbesondere im Technologiesektor, könnten sich weiter verschärfen und den Welthandel schwächen. Dies steht im Zusammenhang mit den jüngst von den USA, der EU und Kanada eingeführten Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge, die Gegenmassnahmen der chinesischen Regierung nach sich ziehen dürften.

Darüber hinaus besteht angesichts der anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA eine erhöhte Unsicherheit über den künftigen handelspolitischen Kurs des Landes. Ein Aufwärtsrisiko besteht darin, dass die positive Reallohnentwicklung der vergangenen Monate zu einer höheren Konsumdynamik führt.

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