Die 13. AHV-Rente und ihre Finanzierung – eine ökonomische Einordnung

Mit dem Ja zur Einführung einer 13. AHV-Rente muss diese ab 2026 ausgezahlt werden. Nun hat der Bundesrat einen Vorschlag zur Finanzierung vorgelegt. Die KOF beantwortet die wichtigsten Fragen zur Finanzierung und möglichen Umverteilungswirkungen der 13. AHV-Rente.

  • Die zusätzlichen Ausgaben durch die 13. AHV-Rente werden bis zum Jahr 2030 um knapp fünf Mrd. Franken jährlich steigen. Kann das Rentensystem das stemmen?

Ohne Gegenfinanzierung wird das sogenannte Umlageergebnis der AHV ab dem Jahr 2026 negativ sein. Das heisst, es werden mehr Renten ausbezahlt als Beiträge eingezahlt werden. Das Umlagedefizit wird im Jahr 2033 schätzungsweise fünf Mrd. Franken betragen. Die jährlichen Ausgaben werden schätzungsweise zwischen 70 bis 72 Mrd. Franken liegen. Die AHV hat zwar auch Reserven, den sogenannten AHV-Ausgleichsfonds. Das heisst: die Renten können in jedem Fall ausbezahlt werden. Um diese Garantie langfristig zu gewährleisten, verlangt das Gesetz eine Mindestreserve von 100%. Per Gesetz soll im Fonds also immer mindestens so viel Geld liegen, wie in einem ganzen Jahr an Renten ausgezahlt wird.

Fällt der Deckungsgrad unter diese Schwelle, muss der Bund Massnahmen ergreifen, um die finanzielle Stabilität der AHV zu gewährleisten. Deshalb ist eine Gegenfinanzierung der 13. AHV nur schon aufgrund der Gesetzeslage notwendig. Das Gesetz garantiert damit auch zukünftigen Generationen eine AHV-Rente.

  • Der Bundesrat schlägt eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Finanzierung der 13. AHV vor. Wer profitiert davon?

Hier können zwei Wirkungsachsen unterschieden werden. Erstens, die Konsumausgaben im Verhältnis zum Einkommen und Vermögen. Vermögende Personen haben zumeist eine geringe Konsumquote, aber eine hohe Sparquote. Ärmere Haushalte wenden dagegen oft einen Grossteil ihres Einkommens für Konsum auf. Aber auch Familien haben naturgemäss höhere Konsumausgaben, da sie (im Verhältnis zu ihrem Einkommen) mehr für Essen, Kleidung, Strom, Wasser und Güter des täglichen Bedarfs wie beispielsweise Windeln ausgeben. Wichtig zu wissen ist, dass gemäss Vorschlag des Bundesrats die verschiedenen Mehrwertsteuersätze proportional angehoben werden sollen (reduzierter Satz für Güter des täglichen Bedarfs: von 2.6 auf 2.8%; Gastronomie: von 3.8 auf 4.2%; übliche Güter: von 8.1 auf 8.8%). Die tieferen Mehrwertsteuersätze wären somit weniger stark betroffen, damit die Kaufkraft der tiefen bis mittleren Einkommen weniger beeinträchtigt wird.

Im Rentenalter sinken die Konsumausgaben zwar etwas, aber Rentnerinnen und Rentner mit tiefen Einkommen und geringen Vermögen wären wiederum proportional stärker betroffen, da auch sie einen grösseren Teil ihres Einkommens für Konsum ausgeben als jene mit hohen Einkommen und Vermögen. Die Ergänzungsleistungen werden durch den Zustupf der 13. AHV-Rente nicht gekürzt, für diese Gruppe von Rentnern verbessert sich die finanzielle Situation auf jeden Fall.

Jene Gruppe, die nur knapp über der Schwelle zur Berechtigung auf Ergänzungsleistungen liegt, würde die Preisanstiege dagegen stärker spüren. Die finanzielle Entlastung durch die 13. AHV fällt für diese Gruppe also geringer aus. Für die rund 42% der Rentnerhaushalte mit Einkommen über dem Medianäquivalenzeinkommen dürfte die Erhöhung der Mehrwertsteuer kaum ins Gewicht fallen. Dennoch würden auch diese gut situierten Haushalte über die Mehrwertsteuer zur Finanzierung beitragen.

  • Welche Faktoren spielen neben der Konsumquote noch eine Rolle?

Die zweite Wirkungsachse ist der Ort des Konsums. Bei einer Mehrwertsteuererhöhung profitieren jene, die sehr wenig in der Schweiz für Konsum ausgeben. Dazu gehören neben Personen mit hoher Sparquote, vielen Ausgaben für Reisen (Flugreisen sind von der Mehrwertsteuer ausgenommen) und Ausgaben im Ausland auch die fast 400’000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die in der Schweiz arbeiten aber im benachbarten Ausland wohnen. Auch wer innerhalb der Schweiz nahe an der Grenze lebt, hat häufiger Gelegenheit, als Einkaufstourist über die Grenze zu fahren, als Innerschweizerinnen oder Berner. Mit der Halbierung der Freigrenze von 300 auf 150 Franken pro Person und Einreise ab Januar 2025 wird der Einkaufstourismus jedoch in Zukunft eingedämmt.

  • Gemäss Vorschlag des Bundesrats soll die Mehrwertsteuer um 0.7 Prozentpunkte steigen. Werden die Steuererhöhungen über Preissteigerungen der Unternehmen an die Verbraucher weitergereicht? Könnte das zu einer höheren Inflation führen?

Bei einer Mehrwertsteuererhöhung ist davon auszugehen, dass die meisten Unternehmen sie zu einem grossen Teil an die Konsumenten weitergeben werden. Die KOF geht davon aus, dass die Inflation gemessen am Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) etwa halb so stark steigt wie die Mehrwertsteuererhöhung. Sprich: 0.7 Prozentpunkte Mehrwertsteuererhöhung führen im Jahr 2026 zu 0.35 Prozentpunkten mehr Inflation. Dass sie nicht so stark steigt wie die Mehrwertsteuer, liegt auch daran, dass nicht alle Preise der Mehrwertsteuer unterliegen, zum Beispiel die Mieten.

  • Was wären die Vorteile einer Mischfinanzierung, also einer Erhöhung der Lohnbeiträge und einer gleichzeitigen Erhöhung der Mehrwertsteuer?

Aus einer Verteilungsperspektive hat die Kombination aus Mehrwertsteuer und Lohnbeiträgen den Vorteil, dass die Finanzierung stärker dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit folgt. Dies, weil die Lohnbeiträge an die AHV auf jedem Franken Arbeitseinkommen anfällt. Absolut gesehen zahlen also Berufstätige mit sehr hohen Einkommen sehr viel mehr als Haushalte mit geringen Einkommen.

Das ist bei der Mehrwertsteuer nur sehr begrenzt der Fall. Dafür verteilt die Mehrwertsteuerfinanzierung die Last auf alle Haushalte, sodass nicht nur die jüngeren Personen im erwerbsfähigen Alter die Last tragen. Auch hier gibt es eine gewisse Verteilungskomponente, denn Rentnerhaushalte haben zwar nicht mehr so hohe Einkommen, aber sie sind im Durchschnitt vermögender – und zwar unabhängig davon, wo sie in der Einkommensverteilung sind. Bestreiten sie einen Teil ihres Konsums aus diesem Vermögen, tragen auch sie entsprechend ihrer höheren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung der 13. AHV bei.

Kontakt

Dr. Isabel Martinez
Dozentin am Departement Management, Technologie und Ökonomie
  • LEE G 114
  • +41 44 633 88 37

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

KOF Konjunkturforschungsstelle
Corporate Communications
  • +41 44 633 99 48
  • vCard Download

ETH Zürich
KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert