Nach der Trump-Wahl: Warum die Schweiz jetzt gefordert ist
Beim KOF Wirtschaftsforum diskutierten Stefan Brupbacher (Swissmem), Benno Keller (Switzerland Global Enterprise) und Hans Gersbach (KOF) über die Frage «Geopolitische Spannungen und Blockbildungen: Muss sich die Schweiz neu ausrichten?». Moderiert von Sina Freiermuth (SRF) entwickelte sich eine spannende Debatte zu einem hochaktuellen Thema.
Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, die andauernden Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie die Neuwahlen in Deutschland: Die wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten sind derzeit so gross wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Angesichts einer drohenden geopolitischen Blockbildung stellt sich für die neutrale Schweiz die Frage nach ihrer künftigen Ausrichtung.
Trumps Zölle würden allem die USA selbst treffen
In seinem einführenden Vortrag präsentierte Hans Gersbach, Co-Direktor der KOF, die Ergebnisse des von ihm in Zusammenarbeit mit Kieran Walsh und Paul Maunoir entwickelten KOF Handelsmodells. Demnach würden die von Trump im Wahlkampf einmal angedrohten Zölle (60% auf chinesische Importe und 20% auf alle anderen Importe) für einen weltweiten Wohlstandsverlust sorgen. Vor allem die USA selbst, aber auch die Nachbarländer wie Mexiko oder Kanada würden unter den Zöllen leiden.
Die Schweiz als kleine und offene Volkswirtschaft wäre gemäss den Berechnungen härter getroffen als andere europäische Länder. Besonders die Pharmaindustrie, aber auch die Hersteller von Maschinen, Geräten, Präzisionsinstrumenten und Uhren würden unter den Zöllen leiden. Daraus zog Hans Gersbach eine klare Schlussfolgerung «Die Schweiz muss sich schnell aufstellen und mit China über eine Erneuerung des Freihandelsabkommens sowie mit den USA über die möglichen Trump-Zölle verhandeln», so Gersbach.
Aktuell hat Trump Zölle von 25% auf alle Importe aus Kanada und Mexiko ins Spiel gebracht und zusätzliche 10% auf Importe aus China, verknüpft mit Bedingungen, wann diese wieder wegfallen könnten. «Es ist wohl der Auftakt zu einer «Stop-and-go» Handelspolitik, in der Zölle angedroht oder eingeführt werden, um bestimmte Verhandlungsergebnisse oder geopolitische Ziele zu erreichen», vermutet Gersbach. Solange die Schweiz von Zöllen oder anderen Handelsbarrieren nicht betroffen sei, ergeben sich keine Wohlstandsverluste, wenn sich die globale Konjunkturlage nicht verschlechtere.
Eine geopolitische Blockbildung droht
Benno Keller, Head Corporate Development & Foresight bei Switzerland Global Enterprise, stellte in seinem Vortrag verschiedene Szenarien vor, wie sich der internationale Handel nach der Wahl Donald Trumps weiterentwickeln könnte. Möglich sei ein Positivszenario mit einem relativ reibungslosen Handel, sofern Trumps Zolldrohungen nur rhetorische Tricks waren, um sich eine gute Verhandlungsposition für Zollabkommen zu verschaffen. Ebenso denkbar sind Negativszenarien wie das sich die Welt in zwei grosse geopolitische Blöcke aufspaltet (USA + Kanada + Europa + Japan + Australien vs. China + Russland), die keinen Handel mehr miteinander betreiben.
Das Worst-Case-Szenario wäre nach Darstellung von Benno Keller eine militärische Konfrontation zwischen den beiden Blöcken, die beispielsweise durch einen Angriff Chinas auf Taiwan ausgelöst werden könnte. Möglich wäre aber auch ein Szenario, in dem die Handelsbarrieren auf bestimmte Produktgruppen beschränkt bleiben, die diplomatischen Beziehungen zwischen den Blöcken aber aufrecht gehalten werden.
Schweizer Tech-Industrie leidet unter der Wirtschaftskrise in Deutschland
Abschliessend blickte Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher aus der Perspektive der Schweizer Tech-Industrie auf die geopolitische Lage. Seiner Analyse nach leidet die Branche derzeit unter der Wirtschaftskrise in Deutschland, dem mit einem Anteil von über 23% mit Abstand wichtigsten Exportland für die MEM-Industrie. Die Krise in unserem Nachbarland treffe vor allem Schweizer Automobilzulieferer, welche die Schwäche der deutschen Autobauer wie Volkswagen, Daimler oder BMW zu spüren bekommen. Auch Bürokratie und Überregulierung in der EU, welche auch Schweizer Zulieferer treffe, bremse die Branche aus, berichtete Stefan Brupbacher.
Vorbild Singapur
Der FDP-Politiker stellte eine Reihe von wirtschaftspolitischen Forderungen auf: Die Schweizer Exportindustrie müsse fast global exportieren können. Die Wahl zwischen einem der Blöcke müsse möglichst verhindert werden, analog zur Strategie z.B. von Singapur. Die Schweizer Industrie müsse wie bisher unverzichtbare Güter herstellen, die Diplomatie müsse die Schweiz für die grossen Mächte unverzichtbar machen und mit aussenpolitischen Forderungen an Schwellenländer müssen die Schweiz sich zurückhalten, denn «am Schweizer Wesen kann die Welt nicht genesen», so Brupbacher.
So schaffe es die Schweiz unter dem Radar der Grossmächte zu bleiben und könne möglichst viele Freihandelsabkommen sowie die Bilateralen 3 abschliessen. Bezüglich eines Zollkonflikts müsse mit den USA eine Einigung gesucht werden; nach der Abschaffung der Industriezölle 2024 und als grosser Investor in den USA habe die Schweiz gute Karten, und bei der EU müsse die Schweiz in Bezug auf Schutzzölle erreichen, wie ein EWR-Staat behandelt zu werden.
Mit diesem Programm gebe es Grund zu Optimismus. Gemäss einer Umfrage wollen fast 75% aller Tech-Firmen in nächsten drei Jahren in Schweiz investieren, beispielsweise in den Ausbau der Produktionskapazitäten und die Digitalisierung. «Damit die Wirtschaft florieren kann, muss sich die Schweiz wieder auf ihr bewährtes Wirtschafsmodell zurückbesinnen», sagte er. Der Staat sollte nur den Wirtschaftsrahmen vorgeben und sich ansonsten mit Interventionen wie der Vergabe von Subventionen an einzelne Unternehmen zurückhalten, forderte Brupbacher.
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Die nächste öffentliche Veranstaltung der KOF ist das KOF Beyond the Borders am 11. Dezember zum Thema «Quo vadis Deutschland? – Wirtschaftliche Aussichten und ihre Auswirkungen auf die Schweiz» (per Zoom). Anmeldung und weitere Informationen gibt es hier.
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