Wie sich die deutsche Wirtschaftsschwäche auf die Schweiz auswirkt

Beim Online-Event «KOF Beyond the Borders» präsentierten Christian Ochsner (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung) und KOF Direktor Jan-Egbert Sturm ihren Ausblick für die Konjunktur in Deutschland und der Schweiz.

KOF Beyond the Borders
Christian Ochsner (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, links oben) und KOF Direktor Jan-Egbert Sturm (rechts oben) diskutierten beim Online-Event «KOF Beyond the Borders» mit Moderator Thomas Domjahn (KOF Corporate Communications) über das Thema «Quo vadis Deutschland? – Wirtschaftliche Aussichten und ihre Auswirkungen auf die Schweiz».

«Quo vadis Deutschland? – Wirtschaftliche Aussichten und ihre Auswirkungen auf die Schweiz»: So lautete das Thema von «KOF Beyond the Borders». Der Zeitpunkt für die Debatte hätte spannender kaum sein können. Schliesslich stehen in Deutschland gerade Neuwahlen an und im Wahlkampf wird viel über Wirtschaftspolitik gestritten. Gleichzeitig spürt die Schweiz den konjunkturellen Gegenwind aus der Richtung unseres nördlichen Nachbarns, der nach wie vor einer der wichtigsten Handelspartner der Schweiz ist.

Die deutsche Wirtschaft stagniert seit 2019

Alle Experten sind sich einig: Deutschland steckt in einer Wirtschaftskrise. In diesem Jahr geht der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, in den Medien oft als «Rat der Wirtschaftsweisen» bezeichnet, davon aus, dass das real reale Bruttoinlandprodukt (BIP) um 0.1% schrumpfen wird. Doch diese Wirtschaftsschwäche ist nicht allein der gescheiterten Ampel-Regierung zuzuschreiben. «Die deutsche Wirtschaftsleitung hat seit 2019 kaum zugelegt und seit 2017 ist die deutsche Industrieproduktion rückläufig», erklärte Christian Ochsner.

Der private Konsum in Deutschland sei schwach, obwohl die Reallöhne wieder steigen. Zudem bestehe ein Investitionstau, sowohl bei den Unternehmen als auch in den öffentlichen Haushalten, so Ochsner. Nach Einschätzung des Sachverständigenrats könne eine Reform der Schuldenbremse Flexibilität der Fiskalpolitik erhöhen. Aber auch Priorisierungen bei konsumtiven Ausgaben im Staatshaushalt seien möglich und nötig, meint Ochsner.

Konjunkturelle und strukturelle Probleme

Das Brandenburger Tor in Berlin.
Das Brandenburger Tor in Berlin.

Ein guter Teil der wirtschaftlichen Probleme Deutschland sei zyklisch, aber der grössere Teil strukturell, sagte Ochsner, der beim Sachverständigenrat das Team «Makroökonomie» leitet. Die wahrscheinlich grösste Herausforderung sei der demographisch bedingte Arbeitskräfterückgang, der – anders als in der Schweiz – nicht vollständig durch Migration kompensiert werden könne. Zudem haben niedrige zukunftsorientierte öffentliche Ausgaben zu Mängeln in den Bereichen Verkehrsinfrastruktur, Verteidigung und Bildung geführt. So beträgt das langfristige Potentialwachstum von Deutschland derzeit nur 0.3 Prozent. Zum Vergleich: In der Schweiz liegt es bei 1.6 Prozent.

Die Schweizer Binnenwirtschaft ist intakt

Die Schweiz leidet derzeit unter der schwachen Nachfrage aus Deutschland. Vor allem die Ostschweiz sei eng mit Süddeutschland verflochten, sagte Jan-Egbert Sturm in seinem Vortrag. Auch zwischen den deutschen Automobilherstellern wie Volkswagen, BMW oder Mercedes und den Schweizer Autozulieferern bestehen enge Wirtschaftsbeziehungen. Anders als in Deutschland läuft allerdings die Schweizer Binnenwirtschaft relativ gut. «Das Geschäftsklima in der Schweiz ist im neutralen Bereich und damit deutlich besser als in Deutschland», erklärte Sturm. Der private Konsum stütze die Wirtschaft, und auch das Schweizer Baugewerbe und das Dienstleistungsgewerbe laufen relativ gut.

Pharmaindustrie sticht in der Schweiz heraus

Zudem entwickelt sich die Schweizer Pharma- und Chemieindustrie sehr dynamisch, während die restliche Industrie stagniert. «Die Wertschöpfung der chemisch-pharmazeutischen Industrie in der Schweiz ist heute 60% höher als vor der Pandemie. », sagte Sturm. Allerding bereiten die niedrigen Investitionen auch in der Schweiz Sorgen. «Nicht nur Deutschland hat ein Investitionsproblem, sondern ganz Europa und teilweise auch die Schweiz», so Sturm.

In Bezug auf die langfristigen Wachstumschancen sei die Schweiz derzeit besser aufgestellt als Deutschland. «Die Schweiz ist dank qualifizierter Zuwanderung nicht so stark vom demographischen Wandel betroffen wie Deutschland», erklärte Sturm. Zudem sei die Schuldenbremse weniger umstritten als im Nachbarland. Der Schweizer Staatshaushalt stehe solide dar.

Was bringt das Jahr 2025?

Mit Blick auf 2025 zeigten sich beide Experten Sturm und Ochsner in der von Thomas Domjahn (KOF Corporate Communications) moderierten Fragerunde einig: Grosse konjunkturelle Impulse sind nicht zu erwarten, die Leitzinsen werden weiter sinken und die geopolitischen Konflikte werden ein Risiko für die Weltwirtschaft bleiben.

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