
Europäische Wirtschaftsforschungsinstitute fordern Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
Die AIECE Vereinigung der Europäischen Wirtschaftsforschungsinstitute erwartet aufgrund des Handelsstreits und geopolitischer Konflikte eine schwache globale Konjunkturentwicklung. Die Ökonomen und Ökonominnen empfehlen den EU-Mitgliedsländern höhere Investitionen in Nachhaltigkeit, digitale Infrastruktur und strategische Sektoren.
Die AIECE Vereinigung der Europäischen Wirtschaftsforschungsinstitute hat heute ihren halbjährlichen Gesamtbericht veröffentlicht, im Anschluss an die durch das norwegische Statistikamt organisierte Frühjahrstagung 2025 in Oslo.
Im Durchschnitt prognostizieren die AIECE-Mitgliedsinstitute für das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) in der Europäischen Union (EU) 1.2 % im Jahr 2025 und 1.5 % im Jahr 2026. Die Prognose für das BIP-Wachstum im Euroraum liegt bei 1.0 % und 1.3 %. Diese Prognosen sind etwas optimistischer als die im Zwischenbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vom März 2025 und im Weltwirtschaftsausblick des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom Frühjahr 2025 vorgelegten Prognosen.
Der AIECE-Gesamtbericht für das Frühjahr 2025 hebt die schwache globale Konjunktur vor dem Hintergrund erheblicher Unsicherheiten aufgrund geopolitischer Konflikte und der unvorhersehbaren Handelspolitik der USA hervor. Die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit durch Investitionen in Nachhaltigkeit, digitale Infrastruktur und strategische Sektoren wird als unerlässlich angesehen.
Hinsichtlich möglicher Reaktionen auf die US-Handelspolitik unterstützt fast die Hälfte der Befragten die Idee, dass die EU sich Initiativen zur Verringerung der Dominanz des US-Dollars anschliessen sollte (siehe Grafik 1). Darüber hinaus empfehlen 40 % der Befragten, dass die EU die am stärksten betroffenen Branchen gezielt unterstützt. Im Gegensatz dazu lehnt eine Mehrheit der befragten Ökonomen Vorschläge ab, den Marktzugang für amerikanische Produkte zu verbessern und deren Konsum innerhalb der EU zu fördern.
Abbildung 1: Mögliche Reaktionen auf die Handelspolitik der USA
Anmerkungen: Die Abbildung zeigt die Einschätzungen der AIECE-Mitglieder zu ausgewählten Vorschlägen, wie die EU auf die aktuelle Handelspolitik der USA reagieren sollte. Beispiel für die Interpretation der Abbildung: Dem Vorschlag, dass die EU die Einfuhrzölle auf US-amerikanische Autos ausgleichen sollte, stimmten fünf Ökonomen zu, zehn waren neutral, sieben lehnten ihn ab und einer lehnte ihn entschieden ab.
Angesichts der Pläne für eine expansive Fiskalpolitik in Deutschland und anderen EU-Ländern wurden die Mitgliedsinstitute im aktuellen AIECE-Fragebogen gefragt, ob die Fiskalregeln der EU gelockert werden sollten und ob eine Erhöhung der Staatsverschuldung ratsam ist. Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, lehnt eine Mehrheit der Befragten eine Lockerung der Fiskalregeln zum Zweck höherer Ausgaben für den Klimaschutz ab. Die Meinungen sind jedoch geteilt, ob die Regeln gelockert werden sollten, um höhere Verteidigungsausgaben zu ermöglichen.

«Die grösste Belastung für die Konjunktur in Europa geht heute nicht von den Zöllen an sich aus, sondern von der hohen Unsicherheit über die weitere Entwicklung der internationalen Handelspolitik.»Heiner Mikosch, AIECE-Präsident und Forscher an der KOF![]()
Heiner Mikosch, AIECE-Präsident und Forscher an der KOF, kommentiert: «Die grösste Belastung für die Konjunktur in Europa geht heute nicht von den Zöllen an sich aus, sondern von der hohen Unsicherheit über die weitere Entwicklung der internationalen Handelspolitik. Diese Unvorhersehbarkeit veranlasst Unternehmen dazu, Investitionen zu verschieben und eine vorsichtige, abwartende Haltung einzunehmen. Auch wenn die Aussichten derzeit oft pessimistisch sind und man sich auf die Risiken konzentriert, gibt es dennoch erhebliches Potenzial für eine Erholung. Derzeit gibt es Anzeichen, dass die Trump-Administration auf einen kooperativeren Ansatz für die Reform der internationalen Handelsregeln einschwenkt. In diesem Fall würde ein Grossteil der Unsicherheit verschwinden und den Weg für einen Anstieg der globalen Investitionen und eine erneute wirtschaftliche Dynamik ebnen.»
Abbildung 2: Einschätzungen der AIECE-Mitglieder zur Lockerung der EU-Haushaltsregeln
Anmerkungen: Diese Abbildung zeigt, ob AIECE-Mitglieder eine Lockerung der EU-Schuldenregeln für bestimmte politische Zwecke empfehlen. Beispiel: Dem Vorschlag, die Haushaltsregeln zu lockern, um die Ausgaben für den Klimaschutz zu erhöhen, stimmen drei Ökonomen nachdrücklich zu, weitere drei stimmen zu, vier sind neutral und zwölf lehnen den Vorschlag ab.
Der AIECE-Bericht
Der externe Seite AIECE-Gesamtbericht Frühjahr 2025, verfasst von Katalin Nagy und Péter Vakhal vom Kopint-Tárki-Institut (Ungarn), bietet einen umfassenden makroökonomischen Ausblick für die europäische Wirtschaft. Er enthält auch detaillierte Bewertungen der Mitgliedsinstitute zu wichtigen konjunkturellen, wirtschaftspolitischen und strukturellen Fragen.
Über die AIECE

Die AIECE Vereinigung der Europäischen Wirtschaftsforschungsinstitute wurde 1957 gegründet und vereint 40 Mitgliedsinstitute und Beobachter aus 19 Ländern und fünf internationalen Organisationen. Die Vereinigung trifft sich zweimal jährlich, um sich über die wirtschaftlichen Aussichten für die europäischen Volkswirtschaften auszutauschen und wirtschaftspolitische sowie strukturelle ökonomische Entwicklungen zu diskutieren. Die AIECE bietet ein unabhängiges, länderübergreifendes Forum, in dem die wirtschaftlichen Aussichten Europas regelmässig und systematisch bewertet werden. Weitere Informationen finden Sie unter: externe Seite https://www.aiece.org/about-aiece.
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