Drei Jahre Corona: Was haben wir aus der Pandemie gelernt?

Vor drei Jahren wurde in der Schweiz der Corona-Notstand ausgerufen. Aus diesem Anlass ziehen Forschende der KOF Bilanz und analysieren, welche Schlüsse sich aus den Pandemie-Jahren ziehen lassen.

Vergrösserte Ansicht: Corona
Die Corona-Pandemie hat vor drei Jahren für einen abrupten Absturz der Wirtschaft gesorgt. Mittlerweile haben fast alle Länder die gesundheitliche Lage wieder im Griff und die Wirtschaft hat sich erholt. Der Ukraine-Krieg hat die Corona-Krise als grösster Sorgenfaktor abgelöst.

Vor drei Jahren, am 11. März 2020, erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO die Verbreitung des Coronavirus offiziell zu einer Pandemie. Fünf Tage später wurde in der Schweiz der Notstand ausgerufen. Es folgten Lockdowns, Grenzschliessungen, die Einführung einer Maskenpflicht und – als ein Impfstoff gegen Corona gefunden wurde – die Einführung von COVID-Zertifikaten.

Heute ist das Thema Corona wieder in den Hintergrund gerückt. Dank der Impfungen und einer Abschwächung des Virus durch Mutationen erkranken nur noch wenige Menschen an Sars CoV-2. Eine Überlastung des Gesundheitssystems droht zum Glück nicht mehr. Durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Sorgen, beispielsweise die gestiegene Preise für Energie und Lebensmittel oder die Angst vor einer Eskalation des Krieges, haben mittlerweile in der Bevölkerung die Furcht vor einer Ausbreitung des Coronavirus abgelöst.

Was bleibt also drei Jahre nach der Pandemie? Und was haben die Wirtschaftswissenschaften aus der Corona-Krise gelernt? Die KOF zieht Bilanz:

Der Schweizer Arbeitsmarkt zeigte sich robust – auch dank der Kurzarbeit

Eine der guten Nachrichten ist, dass die Corona-Krise kaum Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen hat. «Aus konjunkturpolitischer Sicht zeigte sich, wie resilient der Schweizer Arbeitsmarkt in Krisenzeiten ist. Die Arbeitslosigkeit stieg trotz eines massiven Rückgangs der Arbeitsstunden nur geringfügig an und ging dann auch sehr schnell – viel schneller als erwartet – zurück», sagt Michael Siegenthaler, Leiter des Bereichs Schweizer Arbeitsmarkt. Einen wichtigen Anteil an dieser Entwicklung habe die Kurzarbeit gespielt, erklärt Siegenthaler. Dieses Instrument sei wie geschaffen, die Auswirkungen einer Pandemie auf den Arbeitsmarkt abzufedern. Als strukturell wichtigste Auswirkung der Pandemie sieht Siegenthaler die Verbreitung der Arbeit aus dem Homeoffice.

Der Umstieg aufs Homeoffice gelang in vielen Branchen gut

Der Fortschritt bei der Digitalisierung in den Jahren vor der Corona-Pandemie hat den Umstieg auf das Arbeiten von Zuhause während der Pandemie dabei erst möglich gemacht und erleichtert. Zwei Jahrzehnte zuvor, in einer Welt ohne Smartphones, Zoom und schnelle Internetverbindungen wäre der kurzfristige Umzug vom Büro ins Homeoffice wohl für die meisten Arbeitnehmer unmöglich gewesen. «Vor allem bei den kleinen und mittleren Unternehmen haben sich Remote-Technologien in der Zeit vor Corona stark verbreitet. Sie haben diesbezüglich gegenüber den grossen Unternehmen aufholen können», erklären Martin Wörter und Mathias Beck vom Bereich Innovationsökonomik. Vorreiter seien hier die Unternehmen der modernen Dienstleistungs- und High-Tech-Branchen gewesen. Aber auch Unternehmen der Low-Tech-Branchen und des Baugewerbes haben gemäss den Unternehmensbefragungen der KOF Remote-Work deutlich ausgebaut.

Die Wirtschaft hat schnell gelernt, mit der Pandemie umzugehen

Auch das Bruttoinlandprodukt der Schweiz ist deutlich weniger in Mitleidenschaft gezogen worden als ursprünglich befürchtet. «Die erste Welle der Pandemie hatte zwar extrem starke Auswirkungen auf die Wertschöpfung, da die Weltproduktion um etwa 10 Prozent einbrach. Aber auf der Gesamtebene war dies fast nur vorübergehend der Fall. Innerhalb von weniger als eineinhalb Jahren erreichten sowohl die Schweizer Wirtschaft als auch die Weltwirtschaft wieder das Produktionsniveau von vor der Krise», analysiert KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm. Die Wirtschaft habe erstaunlich schnell gelernt, mit der Pandemie umzugehen, so Sturm. «Ohne den Krieg in der Ukraine hätte die Wirtschaft nach der Pandemie zu ihrem früheren Wachstumspfad zurückkehren können.»

Lieferkettenprobleme blieben lange Zeit eine grosse Belastung

Doch nicht alle Bereiche der Wirtschaft konnten nach den Lockerungen der Eindämmungsmassnahmen in Europa sofort wieder auf Hochtouren laufen – auch wegen der Lockdowns in China. «Bezeichnend ist, wie lange Sand im Getriebe den Wirtschaftsmotor unrund laufen lassen kann. Bereits 2021 war das Problem des Material- und Vorproduktemangels weit verbreitet. Erst jüngst hat dieses Problem wieder deutlich an Schärfe verloren», sagt Klaus Abberger, Leiter der Sektion Konjunkturumfragen. Und eine weitere Besonderheit unterscheidet die Corona-Krise von anderen Wirtschaftskrisen: Die Pandemie hat einen Keil zwischen die Branchen getrieben. «Es war die erste Rezession, in der vor allem der Dienstleistungssektor sehr stark belastet war, während die produzierenden Bereiche, wie das Verarbeitende Gewerbe oder das Baugewerbe, eher stabilisierend wirkten. In früheren Rezessionen ging in der Regel gerade die Industrieproduktion überdurchschnittlich stark zurück und der Dienstleistungssektor stabilisierte eher», analysiert Abberger.

Die Konsumausgaben für Gastronomie und den Verkehr dürften längerfristig niedriger bleiben

Die Corona-Krise könnte längerfristig zu anhaltenden Änderung im Konsumverhalten führen. «Die Verbreitung der Arbeit im Homeoffice hatte negative Folgen für die Ausgaben für die Gastronomie und den Verkehr, aber positive Folgen für die Ausgaben für Nahrungsmittel. Das könnte auch in Zukunft teilweise bestehen bleiben», sagt Detailhandel- und Konsumexpertin Nina Mühlebach. Zudem haben Ferien in der Schweiz oder im nahen Ausland und zwischenzeitlich das Online-Shopping an Beliebtheit gewonnen, so Mühlebach weiter. Die Ausgaben für den öffentlichen Transport könnten dagegen laut Mühlebach aufgrund der Angst vor einer Ansteckung auch zukünftig unter dem Vorkrisenniveau bleiben.

Pandemie hat Globalisierung gebremst – das führte zu Inflation

Die Pandemie hat sich auch stark auf die Art und Weise ausgewirkt, wie die Länder der Welt miteinander verbunden ist und interagiert. Das zeigt der KOF Globalisierungsindex. «Die Pandemie hat zu einem Rückgang des internationalen Handels und der Dienstleistungen aufgrund von Reisebeschränkungen geführt. Auch der persönliche Austausch wurde beeinträchtigt, da weniger Menschen beruflich oder privat eine Reise ins Ausland antraten», erklärt KOF Aussenhandelsexperte Tim Reinicke. Eine wichtige Lehre aus der Pandemie sei es «eine diversifizierte Wirtschaft zu haben, die sich nicht zu sehr auf einen bestimmten Bereich stützt», so Reinicke.

Ähnlich argumentiert KOF-Ökonom Alexander Rathke, der in der Deglobalisierung auch einen Grund für die hohen Preissteigerungen sieht. «Die Pandemie hat gezeigt, was passiert, wenn sich die preisdämpfende Wirkung der Globalisierung der Wertschöpfungsketten, von der wir in den letzten Jahrzehnten profitiert haben, umkehrt», sagt er. Ein hoher Grad an Spezialisierung könne bei Unterbrechungen der Lieferkette zu schwerwiegenden Engpässen und damit verbundenen Preissteigerungen führen – erst recht wenn Unternehmen als Reaktion auf die Knappheit von Vorprodukten ihre Lagerbestände hochfahren und dadurch die Knappheit weiter befeuern.

Negativzinsen haben sich in der Pandemie bewährt

Geldpolitisch hat die Schweiz in der Corona-Krise vieles richtig gemacht, findet KOF-Ökonom Pascal Seiler. «Die Krise hat gezeigt, wie stark eine kleine offene Volkswirtschaft wie die Schweiz den internationalen Entwicklungen ausgesetzt ist.» Er lobt die Flexibilität der geldpolitischen Massnahmen, wie Negativzinsen und Devisenmarktinterventionen. «Deren ständige Anpassung im Rahmen des gesetzlichen Mandats erwiesen sich als unerlässlich, um die Spillover-Effekte aus dem Ausland teilweise aufzufangen», sagt Seiler.

Baugewerbe: Corona-Krise lässt Preise in die Höhe schnellen

Der Bausektor war zunächst nicht so stark von der Corona-Krise betroffen wie andere Branchen. «Trotz anfänglichem Zittern ist der Schweizer Bausektor gesamthaft solide durch die Corona-Krise gekommen. Grossflächige Baustellenschliessungen gab es nur wenige im Frühjahr 2020, so dass die Arbeit auf dem Bau nicht gewichtig ins Stocken geriet», erklärt KOF-Bauexpertin Stefanie Siegrist. In punkto Baupreise sei aber mit der Pandemie und der dadurch verursachten massiven Umwälzung auf dem globalen Rohstoff- und Vorproduktemarkt eine neue Ära angebrochen. «Nach einer langjährigen Phase enormen Preisdrucks im Baugewerbe, haben die Unternehmen nun wieder etwas mehr Spielraum, die Preise anzuheben», so Siegrist.

Pandemie bremste die Gesundheitsausgaben – allerdings nur kurzfristig

Auch auf die Gesundheitskosten hat sich die Corona-Pandemie ausgewirkt. «Der Ausbruch von COVID-19 und die damit verbundenen Eindämmungsmassnahmen haben den Gesundheitssektor kurzfristig stark beeinflusst. Viele Leistungserbringer, zum Beispiel Physiotherapeuten oder Ärzte konnten keine, respektive nur absolut notwendige Behandlungen durchführen. Trotz starker Mehrausgaben zum Beispiel des Bundes führte dies zu einem kurzfristigen Stopp des Kostenwachstums, welcher allerdings nicht nachhaltig ist», sagt Marc Anderes, der bei der KOF für die Gesundheitsausgabenprognose zuständig ist. Laut Anderes brauche es strukturelle Reformen, um die Kostenentwicklung im Gesundheitssektor zu stoppen.

Strukturbrüche und Nicht-Linearitäten: Wie sich die makroökonomischen Methoden wandelten

Nicht zuletzt hat die Corona-Krise auch die Wirtschaftswissenschaften gezwungen, ihre Methoden zu überarbeiten. «Im Bereich der makroökonomischen Methoden hat es während der Corona-Krise eine starke Entwicklung hin zu Methoden gegeben, die mit Strukturbrüchen, Nicht-Linearitäten und statistischen Ausreissern gut umgehen können. Zudem lag ein besonderer Fokus auf Modellen, die verlässliche Szenarien in kurzer Zeit liefern können. Damit konnten die politischen Entscheidungsträger zeitnah beraten werden», erklärt Samad Sarferaz, Leiter des Bereichs Makroökonomische Methoden und Data Science. Des Weiteren sei auf der Datenseite die Nachfrage nach hochfrequenten Daten stark angestiegen. «Vor der Corona-Krise wurden vierteljährliche und monatliche Daten für die Analyse genutzt. Das wandelte sich während der Corona-Krise. Es entstanden vermehrt makroökonomische Indizes, die in wöchentlicher Frequenz verfügbar sind», so Sarferaz. Dabei wurden auch unkonventionelle Datenquellen wie Kreditkartentransaktionen, Stromverbrauch, Bahnverkehr oder Zeitungsartikel verwendet.

Weitere Analysen der KOF zur Corona-Krise finden Sie hier.

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