Die europäische Bauwirtschaft boomt

Im laufenden Jahr wird das Bauvolumen im Euroconstruct-Gebiet1 voraussichtlich um 3,5% zunehmen. Diese Entwicklung ist aus zweierlei Gründen bemerkenswert. Erstens konnten die Baumassnahmen in Europa letztmals 2006 stärker ausgeweitet werden. Zweitens nimmt die Baunachfrage 2017 in allen 19 Mitgliedsländern zu. Dieses länderübergreifende Wachstum stellt eine Premiere im wiedervereinten Europa dar. Auch für das Jahr 2018 sind die Aussichten positiv.

Die europäische Bauwirtschaft befindet sich nunmehr seit 2014 auf Wachstumskurs (siehe Abbildung). So haben die Bauleistungen in den vier Jahren 2014 bis 2017 um insgesamt 9% zugenommen. Bis 2020 ist für die 19 Mitgliedsländer mit einem weiteren Anstieg von 6% zu rechnen. Im Wohnungsbau sowie im übrigen Hochbau werden sich die Zuwachsraten zukünftig deutlich abschwächen, während der Tiefbau mittelfristig die Rolle des Markttreibers übernehmen dürfte. Letzterer wird in den Jahren 2018 und 2019 um jeweils mehr als 4% zulegen – auch das gab es noch nie. Gleichzeitig wird der Neubausektor in den kommenden Jahren spürbar an Bedeutung einbüßen. Im Jahr 2020 dürfte der Umbau und Renovationsarbeiten dann erstmals seit 2014 wieder stärker zunehmen als der Neubau.

Die positive Entwicklung der Baunachfrage ist zum einen auf das robuste Wirtschaftswachstum und den damit zusammenhängenden positiven Folgen für Haushaltseinkommen, Unternehmensgewinne und öffentlicher Finanzlage zurückzuführen. Zum anderen sind das niedrige Zinsniveau, die Zu- und Binnenwanderung sowie der seit der Finanzkrise aufgelaufene Investitionsrückstand, etwa im Infrastrukturbereich, als Gründe zu nennen. Nach wie vor sind die Spielräume der öffentlichen Hand allerdings sichtlich eingeschränkt. Darauf weist auch die zurückhaltenden Steuer- und Förderpolitik etlicher Länder hin. In einigen Mitgliedsländern verhindern zudem ausgeprägte Leerstände bzw. außerordentlich hohe Immobilienpreise eine stärkere Zunahme der Bautätigkeit.

Bauvolumen

Schweizer Bauwirtschaft auf Erholungskurs

Die Schweizer Bauwirtschaft hat ein schwaches Jahr 2016 erlebt, sie erholt sich jedoch dieses Jahr und dürfte in den Jahren 2018-2019 an Schwung gewinnen (siehe Abbildung). Investitionen in die Infrastruktur und der industriell-gewerbliche Bau treiben die Bauwirtschaft an. Insbesondere die Implementierung des Bahninfrastruktur- sowie des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds verleihen dem Tiefbau Schwung. Eine Normalisierung der Geldpolitik ab dem Jahr 2019 und eine schwächelnde Nachfrage nach Wohnraum dämpfen allerdings die Entwicklung des Wohnbaus. Die Wachstumsrate der gesamten Bauinvestitionen wird voraussichtlich 1.6% in diesem sowie 2.5% im Jahr 2018 betragen. Der langfristige Ausblick für das Jahr 2020 ist aufgrund steigender Zinsen mit einem Anstieg um 0.7% verhalten.

In Ungarn – dem zweitkleinsten Markt im Euroconstruct-Gebiet – wird die Baunachfrage 2017 mit einem Anstieg von über 25% am stärksten wachsen. Danach folgen Irland (15%), Schweden (10%), und Polen (9%). Ungarn wird auch in den nächsten drei Jahren bis 2020 den größten Zuwachs aufweisen (33%). Neben der staatlichen Wohnungsbauförderung spielt hierbei auch die konsequentere Nutzung der EU-Fördergelder im Nichtwohnbau eine wichtige Rolle. Auf dem zweiten Platz findet sich wiederum Irland (28%), gefolgt von Polen (25%), Tschechien und Portugal (jeweils 15%).

Im grössten Euroconstruct-Land Deutschland wird die Bautätigkeit im Jahr 2017 – angetrieben vom großen Wohnungsbedarf, der gestiegenen Investitionsneigung der Unternehmen und der Tiefbauoffensive des Bundes – sogar noch etwas kräftiger zunehmen als 2016. Mittelfristig wird das Wachstum zwar deutlich an Schwung verlieren. Dennoch dürften im Wohnungs- sowie im Infrastruktursektor auch langfristig umfangreiche Investitionen erfolgen.

 

1 Das Euroconstruct-Gebiet umfasst 19 europäische Staaten: Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien, Schweden, Schweiz, Grossbritannien, Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei.

Tabelle

Euroconstruct

Euroconstruct ist eine Vereinigung 19 Europäischer Forschungsinstitutionen, die Prognosen für den Bausektor erstellen. Die KOF ist die Schweizer Vertreterin in dem internationalen Gremium. Länderspezifische Bauprognosen werden von den jeweiligen lokalen Prognoseinstituten beigesteuert.

Der aktuelle Euroconstruct-Bericht kann auf der KOF Webseite bestellt werden.

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert