Abschwung der Weltwirtschaft dämpft Schweizer Konjunktur

Die Signale aus der Schweizer Wirtschaft haben sich in der letzten Zeit verschlechtert. Auch das internationale Umfeld hat sich verändert. Die Aussichten für die Weltwirtschaft sind ungünstiger geworden. Die KOF senkt daher ihre Prognose für das BIP-Wachstum in diesem und im nächsten Jahr.

In der Schweizer Industrie ist die Auslastung aktuell nicht mehr ganz so hoch wie Ende 2018. Die Beschäftigung nimmt insgesamt zwar derzeit zu und die Arbeitslosigkeit ist weiter leicht gesunken. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) wird sich dennoch etwas schwächer entwickeln, als es die Daten im Frühjahr noch angedeutet haben. Die nachlassende internationale Konjunktur und die im ersten Halbjahr 2019 veröffentlichten Wirtschaftszahlen bewegen die KOF dazu, ihre Prognosen für das BIP-Wachstum zu revidieren. Für das Jahr 2019 senkt sie die Wachstumsprognose von 1.6% auf 0.9% (ohne Sportanlässe: 1.4%). Auch die Prognose für 2020 wird revidiert, von 2.3% auf 1.9% (ohne Sportanlässe: 1.5%). 2021 erwartet die KOF einen Zuwachs von 1.5% (ohne Sportanlässe: 1.8%).

Das internationale Umfeld für die Schweizer Wirtschaft hat sich in den vergangenen Monaten weiter verschlechtert. Die Konjunktur im Euroraum schwächte sich im 2. Quartal 2019 ab und der Welthandel schrumpfte deutlich – nach zuvor bereits zwei negativen Quartalen. Der Handelsdisput zwischen den USA und China eskaliert zusehends. Zusätzliche protektionistische Massnahmen gegen die Europäische Union (EU) von Seiten der USA könnten bald Wirklichkeit werden. Insbesondere die Gefahr von Zöllen auf Automobile ist weiterhin akut. 

Die Schweiz wäre davon zwar nur indirekt betroffen, doch vor allem die Zulieferer von Bestandteilen der Automobilproduktion könnten deutlich in Mitleidenschaft gezogen werden. Weitergehende wirtschaftliche Einbrüche bei Schweizer Handelspartnern würden die meisten Akteure der hiesigen Exportwirtschaft treffen.

Teile der Industrie müssen mit Rückgängen rechnen

Die weiterhin hohe Unsicherheit, die harzige internationale Wirtschaftsentwicklung und die aktuelle Aufwertung des Frankens werden grosse Teile der schweizerischen Wirtschaft negativ beeinflussen. So wird sich etwa die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie auf weitere Rückgänge gefasst machen müssen. Ihr Bestellungseingang fällt schon länger schwach aus. Auch im Tourismussektor – ein Wirtschaftszweig, der traditionell auf Wechselkursänderungen reagiert – wird die Aufwertung eine Belastung sein.

Die pharmazeutische Industrie, die den grössten Anteil zu den schweizerischen Exporten beiträgt, ist gegen Konjunkturschwankungen traditionell weitgehend immun. Sie wird aber vorübergehend eine Margeneinbusse erleiden, da die Verkaufspreise von Medikamenten in vielen Ländern staatlich festgelegt werden. Kurzfristige Preisanpassungen als Reaktion auf die Aufwertung des Frankens sind deshalb nicht möglich.

Arbeitslosenquote dürfte langsam ansteigen

Durch die schwächere Wirtschaftsentwicklung wird die Beschäftigung langsamer zunehmen, mit entsprechenden Folgen für die Arbeitslosigkeit. Statt eines weiteren Rückgangs rechnet die KOF mit einem verhaltenen Anstieg der Arbeitslosenquote. Die jahresdurchschnittliche Quote der registrierten Arbeitslosen wird sich gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) von 2.3% in diesem Jahr auf 2.5% und 2.6% in den nächsten beiden Jahren erhöhen. Für die entsprechende Quote nach der Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) erwartet die KOF in diesem Jahr einen Wert von 4.4%, gefolgt von 4.3% und 4.5% in den Jahren 2020 und 2021.

Die Lohnentwicklung bleibt verhalten. Es sind aber leicht höhere Lohnabschlüsse als in den letzten Jahren zu erwarten. Da die Inflationsrate weiterhin sehr tief ausfallen wird, resultieren bescheidene, aber positive Reallohnzuwächse.

Produktion im Wohnbau nimmt langsam ab

Die Bauwirtschaft war in den vergangenen Jahren ein wichtiger Stabilisator. Diese Rolle wird sie weiterhin ausüben, jedoch in geringerem Ausmass. Der Tiefbau und der Wirtschaftsbau entwickeln sich nach wie vor gut, in Bezug auf den Wohnbau ist die KOF in ihrer Prognose jedoch eher skeptisch. Die Zahl neu erstellter Wohnungen ist seit einigen Jahren höher als die Zunahme der Zahl der Haushalte. Trotz rekordtiefer Hypothekarzinsen rechnet die KOF mit einem langsamen Rückgang der Produktion in diesem Segment.

Im Handel sieht die Lage etwas besser aus. Der stärkere Franken könnte zwar den Einkaufstourismus befördern, ein deutlicher Anstieg ist jedoch nicht zu erwarten. Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Erdölproduktion im Nahen Osten sowie die internationalen Handelskonflikte führen zu grösseren Schwankungen bei den Rohstoffpreisen. Darunter leidet das Verarbeitende Gewerbe. Für den Transithandel jedoch, der mittlerweile rund 5% der schweizerischen Wertschöpfung generiert, sind das gute Nachrichten. Er profitiert sowohl von der Erhöhung der Anzahl Transaktionen als auch der Marge.

Weitere Zinssenkungen stehen bevor

Um weitere Abschwächungen der Wirtschaftstätigkeit zu dämpfen, haben sowohl die Europäische als auch die amerikanische Zentralbank die Geldpolitik gelockert. Solche Entwicklungen erhöhen im Allgemeinen die Nachfrage nach sicheren Anlagen, wozu traditionell auch der Schweizer Franken gehört. Vor diesem Hintergrund überrascht das jüngste Erstarken des Frankens nicht.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat im Sommer ihre Devisenreserven erhöht. Ausserdem hat sie kürzlich die Freibeträge für die bei ihr gehaltenen Giroguthaben erheblich erhöht. Letztere Massnahme würde ihr eine weitere Senkung des Negativzinses ermöglichen, ohne dass die Belastung der Finanzinstitute mit Einlagen bei der SNB gegenüber den letzten Jahren steigt. Die KOF erwartet, dass der Aufwärtsdruck auf den Franken anhalten wird – auch, weil ein weiterer, kleiner Zinsschritt der Europäischen Zentralbank zu erwarten ist. Die SNB wird daher gegen Ende Jahr ihre Zinsen senken.

Prognoserisiken

Die grössten wirtschaftlichen Risiken für die Schweiz liegen nach wie vor im Ausland. Durch eine mögliche Verschärfung der Handelskonflikte oder andere Verwerfungen könnte es zu einer weiteren, für die Exportwirtschaft unerwünschten Aufwertung des Frankens kommen. Beim Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU geht die KOF von einer Verschiebung bis mindestens Ende Januar 2020 aus. Sollte entgegen dieser Annahme ein ungeregelter Brexit bis zum 31. Oktober 2019 herbeigeführt werden, dürften die damit verbundenen Verwerfungen der europäischen und Schweizer Wirtschaft mehr Schaden zufügen, als in dieser Prognose angenommen.

Tabellen und Grafiken zur Konjunkturprognose finden Sie Downloadhier (PDF, 193 KB).

Eine ausführliche Version der Prognose finden Sie Downloadhier (PDF, 2.2 MB).

Kontakt

Yngve Abrahamsen
  • LEE G 116

KOF FB Konjunktur
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

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