Rückblick
Im Jahr 2023 feierten wir das 85-jährige Bestehen der KOF. 85 Jahre im Zeichen von evidenzbasierter volkswirtschaftlicher Forschung am Puls der Wirtschaft.
Forschungsakzente
Umfragen und Prognosen sind Teil unserer DNA
Ein zentraler Pfeiler unserer Tätigkeit sind seit Gründung des Instituts im Jahr 1938 die Unternehmensumfragen. Mit über 11 000 Unternehmen hat die KOF eines der grössten freiwilligen Panels in der Schweiz. Da solche Befragungen auch für die Forschung relevant sind, begann ein Team aus Fachleuten der KOF, der EPFL und der Universität Lausanne mit dem Aufbau eines Firmenpanels für Forschungsumfragen. Dieses Projekt wird finanziert durch die MTEC Foundation und die E4S Foundation.
Es wurde bereits eine erste Umfrage durchgeführt mit der Frage, wie wichtig Energiekosten für Enscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in der Schweiz sind. Die Umfrage zeigt, dass einige Unternehmen stark von den Energiepreisen abhängig sind und die Mehrheit der Unternehmen sich für die damit verbundenen Preise stark interessiert. Da die Energiepreisänderungen von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sind, könnte die Förderung einer Energiepreisversicherung zu fairen Preisen eine Option sein.
Neben der stetigen Panelpflege ist auch die Qualität der Daten der Konjunkturumfragen für uns zentral. Diese wird kontinuierlich ausgebaut, wie auch die Lieferung der Daten an Teilnehmende, Institutionen und Kunden. Seit vergangenem Jahr werden beispielsweise Ergebnisse einiger Fragen im Verarbeitenden Gewerbe monatlich, anstatt wie bisher vierteljährlich, an die Kunden und Kundinnen geliefert. Dies sind beispielsweise die Erwartungen zu den Exporten, Verkaufspreisen oder dem Geschäftsgang auf Gesamtebene. So spiegeln die Konjunkturumfragen ein noch besseres Bild der wirtschaftlichen Lage.
Die KOF führt aber nicht nur Umfragen zur konjunkturellen Lage durch. Auch die Umfragen zu den Investitionsplanungen oder den Innovationsaktivitäten sind wichtige Befragungen. Die halbjährliche Investitionsumfrage wurde um Fragen erweitert, die Aspekte des Klimawandels und Auswirkungen des Wetters betreffen. Vorbild hierfür ist die Europäische Investitionsbank, die diese Aspekte in ihrer jährlichen Investitionsumfrage abfragt. Die Fragen wurden erstmals in die Frühjahrsumfrage 2023 integriert und die Ergebnisse in einen europäischen Kontext gestellt.
Im Jahr 2023 begann eine neue Befragungswelle zur Innovationsumfrage der KOF. Diese wird alle zwei Jahre im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovationen (SBFI) durchgeführt. Da Innovationen Treiber wirtschaftlicher Entwicklung sind und entsprechende Rahmenbedingungen brauchen, bildet diese Umfrage seit den 1990er Jahren eine Basis für politische Entscheidungsfindungen. Die Ergebnisse der aktuellen Umfragen werden im Herbst 2024 veröffentlicht.
Neue Modelle zur Schätzung der Schweizer Konjunkturentwicklung
Neben den Umfragen sind Prognosen der zweite zentrale Pfeiler der KOF. Schätzungen und Prognosen von guter Qualität sind zentral, damit Entscheidungstragende aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft rationale und fundierte Entscheidungen treffen können. Für die Prognose der Schweizer und internationalen Konjunktur wurde ein neues Makromodell, das «KOMA», entwickelt. Häufig verwenden Zentralbanken und Prognoseinstitute immer noch grosse Modelle dieser Art. Die im Vergleich zu anderen Modellen «einfache» Struktur eines Makromodells ermöglicht eine unkomplizierte Interpretation der Ergebnisse. Für das KOMA wurden bayesianische Schätzverfahren entwickelt, die auf diese Modelle zugeschnitten sind. Dadurch hat man eine intuitivere und einfachere Prognose der Unsicherheit. Zudem erlaubt es eine formalere und schrittweise Einbeziehung von Vorwissen. Das Prognoseteam programmierte zudem ein Paket in der Programmiersprache R, das bald öffentlich zugänglich sein wird. Im Zuge der Umstellung wurde die Berichterstattung ebenfalls aktualisiert und um dynamische Grafiken und Tabellen erweitert (zur Webseite).
Modellvielfalt wird stetig erweitert
In den kommenden Jahren soll die Modellvielfalt um ein quantitatives dynamisches stochastisches allgemeines Gleichgewichtsmodell (DSGE) erweitert werden. Das Projekt verfolgt zwei Ziele: Einerseits soll die bereits vorhandene Prognoseinfrastruktur weiter verbessert und ergänzt werden. Andererseits ermöglicht es das Modell, mittel- und langfristige wirtschaftliche Szenarien zu analysieren. Die vergangenen Jahre waren geprägt durch Schocks wie die Pandemie, wirtschaftliche und geopolitische Unruhen oder Kriege.
Für eine Volkswirtschaft ist ihre Resilienz, also ihre Widerstandsfähigkeit, gegenüber solchen Ereignissen zentral. Um dies für die Schweiz beantworten zu können, startete ein Forschungsteam mit der Entwicklung eines hochmodernen Handelsmodells. Das Modell soll dazu beitragen, die Schweizer Öffentlichkeit und die politischen Entscheidungsträger über die hypothetischen Auswirkungen von noch nie da gewesenen Szenarien wie Klimaschocks und neuen Handelskriegen zu informieren, die mit den vorhandenen Daten allein nur schwer zu bewerten sind.
Die Eidgenössische Finanzverwaltung EFV ist daran interessiert, ihre internen Daten zu analysieren und diese zur Erstellung von zeitnahen und konsistenten Schätzungen und Prognosen zu verwenden. Dafür benötigt sie auch eigene Tools und Modelle, welche sukzessive eingeführt werden. In Zusammenarbeit mit der EFV entwickelt die KOF diese Modelle. Dabei wurden verschiedene Mixed-Frequency-Modelle, ein Large-BVAR (Bayesian Vector Autoregression)- und ein Strukturgleichungsmodell entwickelt und bei der EFV implementiert. Diese Methoden werden für die bedingten Prognosen der EFV verwendet, um unter anderem die Staatsdefizite vorherzusagen.
Neue Partnerschaften für das Nowcasting Lab
Nicht nur langfristige Prognosen, die strukturelle Änderungen der Wirtschaft und Gesellschaft erfassen, auch zeitnahe, kurzfristige Schätzungen und Prognosen, die eine konjunkturelle Wende frühzeitig identifizieren und quantifizieren können, sind wichtig. Eines dieser Projekte ist das KOF Nowcasting Lab. Es ist eine Echtzeit-Testplattform für die Prognose des Bruttoinlandprodukts (BIP) des laufenden Quartals verschiedener Länder mit Hilfe von früher verfügbaren und höherfrequenten Daten. Die Modelle werden täglich auf Basis grosser Datenmengen aktualisiert und online veröffentlicht. Auf der Plattform wurde ein Multi-Frequency-Echo-State-Network-Prognosemodell integriert. Zudem wird stetig an der Ausweitung der Kooperationen gearbeitet. So konnte 2023 eine Patronatsvereinbarung mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) unterzeichnet und Partnerschaften mit Forschenden der Universität St. Gallen und der University of Manchester eingegangen werden.
Digitalisierung und Innovationen in der Schweizer Wirtschaft
Mit ChatGPT erhielt die Künstliche Intelligenz (KI) nochmals einen Schub und öffnete sich für ein breites Nutzersegment. In der Forschung ist KI bereits längere Zeit im Einsatz, aber auch Gegenstand von Forschungsprojekten. So wird versucht, den Einfluss von regionaler KI-Forschung auf die entsprechende Industrietätigkeit in den USA zu schätzen. Dies unter Berücksichtigung der Rolle von geografischer Nähe und unter Einbeziehung von Daten zu akademischen Publikationen und Industriepatenten.
Untersuchung zur Bedeutung der Kosten von Forschung & Entwicklung
Zwischen 2000 und 2016 war in der Schweiz ein starker Rückgang des Anteils der in Forschung und Entwicklung (F&E) aktiven Unternehmen zu beobachten. In den Niederlanden hingegen ist dieser Anteil gestiegen. Darüber hinaus zeigen die beiden Länder ein ähnliches Produktivitätswachstum. In einem internationalen Kooperationsprojekt zwischen der KOF und der Universität Amsterdam wurden mögliche Gründe für diese unterschiedlichen Trends und deren Auswirkungen auf das Produktivitätswachstum analysiert. Im Vergleich zwischen der Schweiz und den Niederlanden zeigt sich, dass in der Schweiz die F&E-Kosten zunehmend die Entscheidung, F&E in einem Unternehmen zu betreiben, beeinflusst haben. In den Niederlanden hingegen spielten F&E-Kosten aufgrund der dort bestehenden F&E-Fördermassnahmen nur eine untergeordnete Rolle. Eine vertiefte Analyse auf Basis eines strukturellen Gleichgewichtsmodells zeigt jedoch, dass die Senkung der F&E-Kosten für das Produktivitätswachstum weit weniger wichtig ist als die Stärkung der Innovationsfähigkeit eines Unternehmens sowie der Fähigkeit, externes Wissen (z.B. durch F&E-Kollaborationen) zu absorbieren. F&E-Fördermassnahmen sollten sich daher auf diese Faktoren konzentrieren.
Arbeitsmarktbeobachtungen und Arbeitskräftemangel in der Schweizer Wirtschaft
Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Digitale Transformation» (NFP 77) des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) führt die KOF das Projekt «What Workers Want: Determinants and Implications of Job Search Strategies on an Online Job Platform» durch. In einem Teilprojekt wird untersucht, unter welchen Bedingungen Jobsuchende einen Berufswechsel in Betracht ziehen und unter welchen Bedingungen Arbeitgebende bereit sind, Berufswechselnde anzustellen. Dafür werden neuartige Online-Klickdaten von Stellensuchenden und Rekrutierenden von einer öffentlichen Stellenvermittlungsplattform verwendet. Im Zuge der Analysen entwickelten die Forschenden ein neuartiges Mass für die «Nähe» zweier Berufe. Mit Hilfe von Textanalysetools wird anhand dieses Masses ermittelt, wie stark die in den Stelleninseraten geforderten Fähigkeiten und die erwähnten Tätigkeiten übereinstimmen.
Im Rahmen eines Experiments auf mehreren Schweizer Jobplattformen wird in einem weiteren internationalen Kooperationsprojekt des NFP der Frage nachgegangen, wie Stellensuchende auf Informationen zu Löhnen und Lohnnebenleistungen in Unternehmen reagieren. Das zentrale Interesse ist ein besseres Verständnis darüber, wie wichtig Lohnnebenleistungen wie beispielsweise Homeoffice, eine Kantine, eine Kinderkrippe oder ein Dienstfahrzeug für Stellensuchende im Vergleich zur Lohnhöhe sind.
Untersuchungen zur Förderung von Geflüchteten und jungen Frauen in den Arbeitsmarkt und MINT-Studiengängen
Das Thema des Arbeitskräftemangels ist weiterhin zentral. Um diesem begegnen zu können, sind neue Modelle und die Überprüfung vorhandener Hürden relevant. Eine dieser Hürden besteht bei der Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt. Eine Studie von Forschenden der KOF und des Immigration Policy Labs der ETH Zürich zeigt, dass die Einschränkung von Beschäftigungsmöglichkeiten für Geflüchtete ihre Erwerbswahrscheinlichkeit reduziert und die Löhne sogar langfristig. Dadurch entstehen hohe Kosten sowohl für Geflüchtete als auch für die Aufnahmegesellschaften.
Ein anderes Projekt, das sich mit dem Thema Förderung von Fähigkeiten in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik (MINT) beschäftigt, setzt an einem frühen Stadium des Arbeitskräftemangels an. Das Projekt «Edumap: MINT-Förderung im Gymnasium» untersucht, ob Veranstaltungen zur Förderung von MINT-Studiengängen, wie kurze Präsentationen von Referierenden mit MINT-Hintergrund, ein wirksames Instrument sein könnten, um die Zahl der MINT-Studienanfängerinnen zu erhöhen.
Es wurden zwei gross angelegte Veranstaltungsreihen zur Förderung von MINT an Schweizer Gymnasien evaluiert. Einerseits die Reihe «ETH unterwegs» der ETH Zürich sowie die «Tecdays» der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW). Insgesamt werden die Auswirkungen von 173 Veranstaltungen an 82 Schulen mit über 80 000 Schülerinnen und Schülern und über 1500 Referierenden betrachtet. Die Auswertungen anhand umfangreicher, administrativer Daten zu Studienentscheidungen zeigen, dass beide Veranstaltungen dazu beigetragen haben, die Zahl der MINT-Studierenden an den Schweizer Hochschulen und der ETH zu erhöhen, und dies insbesondere bei den weiblichen Studierenden. Es wird nun weiter untersucht, welche Charakteristika Referierende aufweisen, die besonders erfolgreiche Promotoren der MINT-Fächer sind.
Veröffentlichungen
Die Veröffentlichung von Publikationen, insbesondere in referierten Fachzeitschriften, ist in der Wissenschaft ein Indikator für die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit. Die Forschenden an der KOF konnten ihre empirische Forschung erfolgreich in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, Reihen der KOF oder anderen renommierten Working Papers-Reihen veröffentlichen.
Im Jahr 2023 wurden insgesamt 37 Beiträge in referierten Fachzeitschriften, und damit 12 mehr als noch 2022, von Mitarbeitenden der KOF veröffentlicht. So erschien beispielsweise der Beitrag externe Seite «Price setting on the two sides of the Atlantic – Evidence from supermarket scanner data» von Pascal Seiler und Co-Autoren im «Journal of Monetary Economics», in der Review of Finance erschien ein Beitrag von Hans Gersbach und Co-Autoren mit dem Titel externe Seite «Financial Intermediation, Capital Accumulation, and Crisis Recovery». Einen weiteren Artikel externe Seite «Electoral Competition with Costly Policy Changes: A Dynamic Perspective» veröffentlichten Gersbach et al. im «Journal of Economic Theory». In die gleiche Journalkategorie fällt der Beitrag externe Seite «Closing the gender gap in academia? Evidence from an affirmative action program» von Jan-Egbert Sturm mit seinen Co-Autoren in «Research Policy».
In der «European Economic Review» erschienen gleich zwei Beiträge, an denen KOF Forschende beteiligt waren. Einerseits der Beitrag externe Seite «Measuring macroeconomic uncertainty: A cross-country analysis» von Samad Sarferaz und seinem Co-Autor, andererseits der Beitrag von Michael König et al. mit dem Titel externe Seite «Endogenous technology cycles in dynamic R&D networks». Zudem veröffentlichte Martin Wörter mit seinen Co-Autoren den Beitrag externe Seite «In search of markets and technology: the role of cross-border knowledge for domestic productivity» in «Industrial and Corporate Change» und Michael Siegenthaler publizierte mit seiner Co-Autorin in der Zeitschrift «Labour Economics» zu externe Seite «Train drain? Access to foreign workers and firms’ provision of training». Zudem wurden einige Beiträge in renommierten Fachzeitschriften wie der «American Economic Review» akzeptiert und werden in den kommenden Jahren erscheinen.
Ein weiterer Ausweis für die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit ist die Akzeptanz bei akademischen Konferenzen. Insgesamt hielten die Wissenschafter und Wissenschafterinnen der KOF 37 Präsentationen an akademischen Konferenzen im Jahr 2023. Dies sind wieder deutlich mehr Präsentationen als 2022. Viele Konferenzen finden nach der Coronapause somit wieder in regelmässigen Abständen statt.
Preise und Ehrungen
Im Rahmen der DRUID-Konferenz, eine der wichtigsten akademischen Konferenzen im Bereich Innovationen, erhielt Mathias Beck den «Best Reviewer Award 2023» von der Zeitschrift «Industry and Innovation». Diese akademische Fachzeitschrift ist eine der führenden in den Bereichen Innovationen und Industrie. An der KOF arbeitet Mathias Beck im Bereich Industrieökonomik.
Ebenfalls aus diesem Bereich erhielt ein weiterer Forschender eine Auszeichnung: Johannes Dahlke wurde für seine Forschung (externe Seite zum Paper) über die Frage, wie sich KI-Technologie auf die Wissensarbeit von professionellen Schachgrossmeistern ausgewirkt hat, mit dem «DeSanctis Award» ausgezeichnet. Als einer der ersten Berufe in der Wissensarbeit veranschaulichen professionelle Schachspieler, was die jüngste Forschung als einen Wechsel weg vom Paradigma der Substitution hin zu einer interaktiveren Art der Integration von KI-Technologie in wissensintensive Arbeitsumgebungen prognostiziert hat. Der «DeSanctis Award» wurde Johannes Dahlke an der Jahreskonferenz 2023 der Academy of Management (AOM) in Boston übergeben. Diese ist mit über 10 000 Teilnehmenden die weltweit grösste und wichtigste Konferenz im Bereich der Managementforschung.
Daniel Kopp, Forschungsbereich Schweizer Arbeitsmarkt, erhielt für seine Dissertationsschrift «Essays on Recruitment and Layoffs in the Swiss Labor Market» den mit 10 000 Franken dotierten «SIAF Award». Der Preis des Schweizerischen Instituts für Auslandsforschung (SIAF) wird von der Firma Ernst & Young AG gesponsert. Jährlich wird eine herausragende Promotionsarbeit an der Universität Zürich und ETH Zürich ausgezeichnet, die einen wissenschaftlichen Beitrag für das Verständnis der politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Beziehungen in einer globalen Welt leistet.
Daniel Kopp erhielt im Jahr 2023 nicht nur einen Preis, er wurde zudem auch Research Affiliate des Institute for Labor Economics (IZA) in Bonn, Deutschland. Martin Wörter, Leiter des Forschungsbereichs Innovationsökonomik, wurde zum Research Associate des ZEW-Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, Deutschland, ernannt.
Förderung junger Forschender
Jungen Ökonomen und Ökonominnen eine methodisch hochstehende Ausbildung mit einem Fokus auf empirische Anwendung zu bieten, ist ein Kernanliegen der KOF. Im Jahr 2023 waren 14.5 Doktorierende und vier Post-Doktorierende (in Vollzeitäquivalenten [VZÄ]) an der KOF beschäftigt. Das waren in VZÄ 0.9 mehr als 2022. Insgesamt vier Forschende schlossen im vergangenen Jahr ihr Doktorat erfolgreich ab. Alle verblieben im Jahr 2023 an der KOF. Insgesamt gab es bei den jungen Wissenschafter und Wissenschafterinnen 2023 wenig Fluktuation. Einzig Johannes Dahlke, Post-Doc im Bereich Innovationsökonomie, verliess die KOF, um an einer europäischen Universität eine neue Stelle anzutreten.
Die Untersuchung von Schocks war der Kern der Dissertation von Marc Anderes. In dieser analysierte er unterschiedliche Typen von Schocks, wobei abhängig von der Art des betrachteten Schocks verschiedene mikro- und makroökonomische Methoden zur Untersuchung angewendet wurden. Seine Untersuchungen reichen von Schocks bei der Immobiliennachfrage und deren dynamische Auswirkungen auf makroökonomische Komponenten und private Haushalte über das Schätzen einer «wahren» Produktionslücke, Auswirkungen von Kommunikationsschocks der Europäischen Zentralbank (EZB) auf den geldpolitischen Kurs und auf die Erwartungen von Experten hinsichtlich wichtiger makroökonomischer Variablen sowie den Auswirkungen des COVID-19-Pandemieschocks auf die psychische Gesundheit der Schweizer Bevölkerung.
In ihrer Dissertation beschäftigte sich Sina Streicher mit makroökonomischen Dynamiken und Geld- sowie Regierungspolitiken in Europa. So untersuchte sie den Einfluss der Kommunikation der Europäischen Zentralbank (EZB) auf den geldpolitischen Kurs und auf die Erwartungen von Experten hinsichtlich wichtiger makroökonomischer Variablen. Zudem schätzte sie makroökonomische Schocks auf der Ebene der Europäischen Währungsunion (EWU) und bestimmte deren Auswirkungen auf deren Mitgliedsländer und ihre Produktionssektoren. Streicher hat aber auch das R-Paket «RGAP» entwickelt, das die Schätzung des Produktionspotenzials und der Produktionslücke auf Grundlage eines von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Produktionsfunktionsansatzes ermöglicht. Des Weiteren hat sie ein multivariates Bayesianisches Zustandsraummodell entwickelt, um das Produktionspotenzial und die Produktionslücke in Übereinstimmung mit der Dynamik der zugrunde liegenden Produktionssektoren sowie der Inflation und des Arbeitsmarkts zu ermitteln. Des Weiteren untersucht Streicher das Zusammenspiel nichtpharmazeutischer Eindämmungsmassnahmen, menschlichen Verhaltens und der Verbreitung von COVID-19 in der Schweiz.
Philipp Baumann lieferte mit seiner Dissertation innovative Beiträge in den Bereichen Makroökonometrie, Statistik und maschinelles Lernen in Form von fünf Forschungsartikeln. Im ersten Kapitel wurde mit Hilfe der Targeted-Maximum-Likelihood-Schätzung der Effekt von Zentralbankunabhängigkeit auf Inflation untersucht, ohne starke Nachweise für die Hypothese einer Inflationssenkung zu finden. Das zweite Kapitel analysiert mittels additiver, gemischter Modelle und Boosting-Algorithmen die Determinanten der Inflation, wobei Energiepreise und demographische Entwicklungen als wichtige Faktoren identifiziert werden. Das dritte Kapitel führt autoregressive Transformationsmodelle (ATMs) für präzise probabilistische Zeitreihenprognosen ein. Im vierten Kapitel werden bedingte Transformationsmodelle durch Deep Learning geschätzt, was einen semiparametrischen Ansatz zur Modellierung der kumulativen Verteilungsfunktion ermöglicht. Das fünfte Kapitel erweitert die ATMs durch Deep Learning, um die Vorhersageleistung und Interpretierbarkeit probabilistischer Prognosen zu verbessern. Die Dissertation unterstreicht die Bedeutung geeigneter statistischer und maschineller Lernverfahren zur Bewältigung der Herausforderungen komplexer makroökonomischer Daten.
In seiner Dissertation untersuchte Sebastian Heinrich verschiedene Aspekte der Künstlichen Intelligenz (KI) aus ökonomischer Sicht. Mit den jüngsten Fortschritten bei Computeralgorithmen, Datenverfügbarkeit und Rechenleistung haben Techniken des maschinellen Lernens und des Deep Learnings sowohl in der Industrie als auch im akademischen Bereich umfangreiche Anwendungen gefunden. Heinrich untersuchte diese Dualität. Er analysierte einerseits die Verbreitung von KI- und IKT-bezogenem Wissen und ihre breiteren wirtschaftlichen Auswirkungen. Andererseits erforschte er neue Ansätze für die Entwicklung von Indikatoren in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im weiteren Sinne unter Verwendung von Big Data und maschinellen Lerntechniken.
Seminare für den regelmässigen Wissensaustausch
Die regelmässig an der KOF stattfindenden Seminarreihen bieten den Doktorierenden und Post-Doktorierenden die Möglichkeit, ihre Projekte zu präsentieren, darüber zu diskutieren oder die Forschungsarbeiten von externen Wissenschaftern und Wissenschafterinnen kennenzulernen. Sie können sich so methodisch weiterentwickeln und sich mit anderen Forschungsgebieten innerhalb der Volkswirtschaft vertraut machen. Zudem durfte die KOF auch 2023 wieder das Young Swiss Economists Meeting der Schweizerischen Gesellschaft für Volkswirtschaft und Statistik organisieren. Diese Konferenz bietet für junge Ökonomen und Ökonominnen eine gute Möglichkeit, sich mit anderen Forschenden in der Schweiz auszutauschen.
Forschungs- und Gastaufenthalte
Der Austausch mit anderen Forschenden in der ganzen Welt ist essenziell. Ein im internationalen Vergleich kleines Institut wie die KOF kann einen grossen Teil ihrer Forschungsprojekte nur aufgrund der Kooperation mit Forschenden im In- und Ausland durchführen. Gastforschende im Jahr 2023 waren externe Seite Giovanni Ballarin von der Universität Mannheim, externe Seite Andreas Dibiasi von der Universität Bozen, externe Seite Vera Eichenauer vom Deutschen Bundesministerium für Finanzen und KOF Research Fellow, Camilo Gómez Molina von der kolumbianischen Zentralbank, externe Seite Regina Pleninger von der Weltbank und KOF Research Fellow, Johannes Rauch von der School of Business and Economics der Universität Amsterdam sowie externe Seite Dan-Olof Roth vom Swedish Institute for Social Research (SOFI) der Universität Stockholm.
Von der KOF konnte Pascal Seiler, Doktorand des Forschungsbereichs Konjunkturumfragen, seine Forschung bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt vertiefen, Michael König, Post-Doc im Forschungsbereich Innovationsökonomik, seine am Institute for New Economic Thinking an der Universität von Oxford und KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm war für einen Forschungsaufenthalt an der Universität von Groningen.