KOF Globalisierungsindex: COVID-Pandemie dämpft Globalisierung

Die COVID-19-Pandemie versetzte der Globalisierung einen merklichen Dämpfer. Das bestätigt sich im aktuellen KOF Globalisierungsindex. Die Corona-Krise und die Eindämmungsmassnahmen verursachten den grössten und schnellsten Rückgang internationaler Ströme in der modernen Geschichte. In den Top Ten der am stärksten globalisierten Länder bewegte sich wenig. Ausser, dass die Schweiz und die Niederlande die Plätze tauschten. Somit ist die Schweiz wieder das globalisierteste Land der Welt.

Historisch betrachtet wird der Verlauf der Globalisierung von einschneidenden Ereignissen geprägt. So nahm die Globalisierung nach dem Ende der Sowjetunion ab 1990 bis zum Jahr 2007 rasant zu. Die Finanzkrise und die darauffolgende Grosse Rezession im Jahr 2009 haben diese Entwicklung jedoch jäh gebremst. Für das Jahr 2020, dem aktuellen vom KOF Globalisierungsindex erfassten Jahr, sinkt der Grad weltweiten Globalisierung spürbar.

Ökonomische Globalisierung durch Pandemie besonders negativ beeinflusst…

Bereits seit der Finanzkrise von 2007 stagnierte die Entwicklung der ökonomischen Globalisierung und wurde durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China in den vergangenen Jahren zusätzlich verschärft. Dabei ist zwischen der finanziellen Globalisierung und der Handelsintegration zu unterscheiden: Während die internationalen Finanzflüsse (de facto finanzielle Globalisierung) bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen (de jure finanzielle Globalisierung) auch 2020 nicht sanken, schwächelte der Handel. Besonders negativ war die Entwicklung der internationalen Handelsintegration (de facto Handelsglobalisierung). Insbesondere der Handel mit Dienstleistungen, wie beispielsweise Tourismus und Verkehr, wurde massiv eingeschränkt und führte zu einer rückläufigen Entwicklung.

… aber auch die soziale Globalisierung litt

Die soziale Globalisierung wurde ebenfalls stark beeinträchtigt, da die Intensität der persönlichen Kontakte (gemessen z. B. an den Tourismusströmen oder der Migration) erheblich eingeschränkt wurde. Aufgrund der Reisebeschränkungen kam es zu einem Rückgang des Reiseverkehrs, zudem erreichte die Migration in die OECD-Länder im Jahr 2020 einen historischen Tiefstand. Gleichzeitig ist ein leichter Abwärtstrend bei der kulturellen Globalisierung festzustellen. Unterdessen nimmt der Grad der politischen Globalisierung, gemessen am aktuellen Index weiter leicht zu.

Länderbetrachtung

Die Schweiz, die Niederlande und Belgien bleiben die am stärksten globalisierten Länder weltweit. Die Schweiz nahm im Jahr 2020 wieder den ersten Platz ein. Sie ist in allen Kategorien (ökonomisch, sozial und politisch) stark globalisiert. Dabei war im Krisenjahr 2020 besonders die wirtschaftliche Struktur der Schweiz von Vorteil. Sie hat eine hohe internationale Handelsverflechtung und exportiert besonders viele chemische und pharmazeutische Produkte. Der Sektor wurden von der Corona-Krise weniger stark erfasst als zum Beispiel die Produktion von Flug- und Fahrzeugen. Politisch spielen die drei Länder an der Spitze eine bedeutende Rolle für viele internationale Institutionen, wie die Welthandelsorganisation in Genf, oder dem EU-Parlament in Brüssel. Auf den weiteren Rängen folgen Schweden, das Vereinigte Königreich, Deutschland, Österreich, Dänemark, Finnland und Frankreich.
Aufgrund ihrer starken politischen Verflechtung und Freihandelsabkommen sind europäische Staaten tendenziell stark globalisiert. China verbesserte sich um mehrere Plätze auf Rang 77. China war eines der ersten Länder, die von der Pandemie betroffen waren, doch stellte sich die Produktion dort rasch um, so dass der Handel 2020 nur sehr geringfügig eingeschränkt wurde.

Zukunftsausblick

Da sich der Indikator nur bis ins Jahr 2020 erstreckt, sind der Einfluss des Ukraine-Krieges und seine Folgen im aktuellen KOF Globalisierungsindex nicht berücksichtigt. In der Veröffentlichung im kommenden Jahr werden sich die pandemiebedingten Lieferengpässe dann zeigen. Daneben hat der beginnende Impffortschritt zu positiven Entwicklungen in der sozialen Globalisierung geführt.  

Methodik

Der KOF Globalisierungsindex misst die wirtschaftliche, soziale und politische Dimension der Globalisierung. Er dient der Beobachtung von Veränderungen des Grads der Globalisierung von Ländern über einen langen Zeitraum. Der aktuelle KOF Globalisierungsindex liegt für 195 Länder und den Zeitraum 1970 bis 2020 vor. Im Index wird zwischen der de facto und der de jure Globalisierung im Gesamtindex sowie in der ökonomischen, sozialen und politischen Komponente unterschieden. Der Index misst die Globalisierung auf einer Skala von 1 bis 100. Die Werte der zugrundeliegenden Variablen werden in Perzentile unterteilt. Es werden 42 unterschiedliche Variablen verwendet, die anhand statistisch ermittelter Gewichte (Hauptkomponentenanalyse) aggregiert werden.

Der Teilbereich der ökonomischen Globalisierung enthält einerseits den Bereich Handelsflüsse und andererseits Finanzflüsse. Die de facto Handelsglobalisierung wird anhand des Güter- und Dienstleistungshandels ermittelt. Die de jure Handelsglobalisierung beinhaltet Zölle, Steuern und Handelsbeschränkungen. Die de facto finanzielle Globalisierung umfasst Auslandsinvestitionen in verschiedenen Kategorien. Die de jure finanzielle Globalisierung beinhaltet Investitionsbeschränkungen, die Offenheit der Kapitalbilanz sowie internationale Investitionsabkommen.

Der Teilbereich der sozialen Globalisierung enthält die Bereiche persönliche Kontakte, Informationsflüsse und kulturelle Globalisierung. Für jeden Bereich wird wiederum zwischen de facto und de jure unterschieden. Persönliche Kontakte werden im de-facto-Bereich anhand von internationalen Telefonverbindungen, Tourismusströmen und Migration gemessen, im de-jure-Bereich anhand von Telefonabonnementen, internationalen Flughäfen und Visarestriktionen. Informationsflüsse werden de facto anhand von internationalen Patentanmeldungen, internationalen Studierenden und Hochtechnologiehandel ermittelt. Im de-jure-Bereich werden der Zugang zu TV und Internet, die Pressefreiheit und die internationalen Internetverbindungen gemessen. Kulturelle Globalisierung besteht de facto aus Handel mit Kulturgütern, Registrationen internationaler Markenrechte sowie der Zahl der McDonalds-Restaurants und IKEA-Läden. Der de-jure-Bereich wird anhand von Bürgerrechten, Geschlechtergleichheit und Bildungsstand gemessen.

Der Teilbereich der politischen Globalisierung wird de facto anhand der Zahl von Botschaften, internationalen Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) und der Teilnahme in UN-Friedensmissionen ermittelt. Der de-jure-Bereich beinhaltet Variablen zur Mitgliedschaft in internationalen Organisationen und internationalen Verträgen.
 

Kontakt

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